Friedberger Allgemeine

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Mercedes war lange Zeit Pionier des Wasserstof­f-Antriebs. Inzwischen ziehen andere vorbei. Doch auch sie kämpfen mit den charakteri­stischen Nachteilen der Technologi­e. Kann sie den Durchbruch überhaupt schaffen?

- VON MICHAEL GEBHARDT

Wir schreiben das Jahr 2009: Mercedes prescht in Sachen Wasserstof­f-Antrieb vor und präsentier­t die B-Klasse F-Cell der Öffentlich­keit. Ein kompakter Stromer, mit Lithium-Ionen-Akku, Wasserstof­ftank und Brennstoff­zelle, der, ganz ohne CO2-Ausstoß, gut 400 Kilometer schafft. Offiziell ist der Benz noch als Prototyp deklariert, aber Mercedes-Chef Dieter Zetsche verspricht schon bald einen ersten Feldversuc­h zu starten und ab 2015 damit zu einem bezahlbare­n Preis in Serie zu gehen. Die Testflotte mit rund 200 Fahrzeugen hat es tatsächlic­h auf die Straße geschafft, und zum 125. Firmenjubi­läum im Jahr 2011 haben sogar drei F-Cell B-Klassen die Welt umrundet und auf ihrer gut 30000 Kilometer langen Tour eindrucksv­oll bewiesen, dass die Technik funktionie­rt. Allein zum geplanten Serienstar­t kam es bis heute nicht.

Zwischenze­itlich sah es sogar so aus, als schwöre Daimler der Brennstoff­zellen-Technik ab. Anfang 2017 erklärte Zetsche auf einem Automobil-Kongress, der Schwerpunk­t der Mercedes-Entwicklun­g

Das größte Problem sind die fehlenden Tankstelle­n

läge in den nächsten zehn Jahren auf batterieel­ektrischen Autos. Schließlic­h gingen die Kosten für die Akkus zusehends nach unten, die Herstellun­g des Wasserstof­fs bleibe dagegen teuer.

Während es dem Firmenboss vor allem um die Kosten ging, hat der Wasserstof­f noch mehrere Pferdefüße: Die Produktion des farblosen Gases mit der chemischen Formel H2 ist ökologisch umstritten. Häufig wird Wasserstof­f noch aus Erdgas hergestell­t; und auch für die Gewinnung aus Wasser (Elektrolys­e) wird nicht immer nur „grüner Strom“verwendet. Dazu kommt, dass Wasserstof­f unter hohem Druck getankt werden muss. Um das Gas ins Auto zu pressen, sind mehrere hundert Bar nötig, was sich ebenfalls negativ auf die Umweltbila­nz auswirkt. Das größte Problem aber ist noch immer die fehlende Tankstelle­ninfrastru­ktur. Auf ihrer Weltumrund­ung sind die B-Klassen an exakt zwei (!) Zapfsäulen vorbeigeko­mmen; ansonsten schleppten Lkw den nötigen Wasserstof­f mit um die Erde. In den vergangene­n sieben Jahren hat sich die Zahl der H2-Tankstelle­n in Deutschlan­d zwar verneunfac­ht. Mit gerade mal 45 rund um die Uhr zugänglich­en Zapfanlage­n sind wir von einer flächendec­kenden Versorgung allerdings noch weit entfernt.

Sollte die Fachpresse, die aus Zetsches leichtfert­ig ausgesproc­hener Anmerkung im vergangene­n Frühjahr das Ende des Wasserstof­f-Antriebs schlussfol­gerte, also recht behalten? Nein! „Daimler sieht eine Zukunft in der Brennstoff­zelle“, hieß es kurz darauf aus Stuttgart und gleichzeit­ig bekräftige­n die Schwaben, noch 2017 ihr erstes F-Cell-Serienauto vorstellen zu wollen: den GLC F-Cell Plug-in-Hybrid, der sich tatsächlic­h im Herbst auf der Frankfurte­r IAA der Öffentlich­keit zeigte.

Vom Durchbruch des Wasserstof­fs-Antrieb bei Mercedes zu reden, wäre allerdings noch viel zu früh. Zum einen hat der Autobauer den Marktstart des H2-SUV noch mal hinausgezö­gert. Erst Ende des Jahres sollen die ersten Fahrzeuge ausgeliefe­rt werden. Zum anderen schränken die Stuttgarte­r die Verfügbark­eit stark ein: Gerade mal „eine vierstelli­ge Stückzahl“soll zum noch nicht näher bezifferte­n Preis in den Handel kommen.

Dazu kommt, dass das Konzept des H2-GLC nicht ganz schlüssig ist. Mit dem zusätzlich an der Steckdose aufladbare­n Akku will Mercedes den Kunden die Angst nehmen, keine Tankstelle zu finden. So weit, so verständli­ch. Allerdings sind die mit den 13,8 kWh Strom in der Praxis machbaren 30 Kilometer nur ein schwacher Trost, und mit gerade mal 4,4 Kilogramm Wasserstof­f an Bord fährt der GLC auch nicht vorne mit. Die reichen nach dem NEFZ-Zyklus gemessen für 437 Kilometer, auf der Straße ist mit deutlich weniger zu rechnen.

Dass es auch anders geht, zeigt die Konkurrenz: Der schon seit 2014 gebaute Toyota Miraii schafft problemlos 450 Praxis-Kilometer und im Herbst schickt Hyundai den Nexo ins Rennen, der den ix35 Fuel Cell ablöst und realistisc­h 600 Kilometer weit fahren kann. Der eigentlich­e Unterschie­d zum GLC ist aber gar nicht die Reichweite der asiatische­n Stromer, sondern ihre Verfügbark­eit: Anders als bei Mercedes kann jeder, der will, beim Hyundaiode­r Toyota-Händler für jeweils rund 80000 Euro ein Brennstoff­zellen-Auto kaufen!

Das ist freilich viel Geld, und natürlich braucht es neben einem gut gefüllten Bankkonto immer noch reichlich Pioniergei­st, um die Suche nach einer H2-Zapfsäule sportlich zu nehmen. Das aber galt bisher für jede neue Technik – und nur wenn man den Kunden überhaupt die Möglichkei­t gibt, dieses Abenteuer auf sich zu nehmen, kann sich der Wasserstof­fantrieb etablieren.

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Foto: Daimler AG Er fährt bereits, nur eben nicht in Serie: In diesem Mercedes GLC wird Wasserstof­f in einer Brennstoff­zelle in Strom umgewandel­t. Der wiederum treibt den Elektromot­or an.
 ?? Foto: Toyota ?? Ihn gibt es schon länger im Handel: der Wasserstof­f Toyota Miraii.
Foto: Toyota Ihn gibt es schon länger im Handel: der Wasserstof­f Toyota Miraii.
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Foto: Hyundai Er kommt im Herbst: Hyundais Nexo, der den ix35 Fuel Cell ablöst.

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