Naturschützer klagen: Stadt mäht die Wiesen tot
Wenn zu früh gemäht wird, ist die Artenvielfalt in Augsburg gefährdet, warnen Fachleute. Umweltreferent Reiner Erben beruft sich auf geltende Verträge – und kündigt neue Pläne an
Augsburg wird in Kürze ein neues Artenschutzzentrum des Freistaates bekommen. Gleichzeitig trägt die Stadt Augsburg zum massiven Insektensterben in Deutschland bei. So lautet zumindest der Vorwurf, den Naturschützer der Umweltverwaltung machen. Sie kritisieren, dass große Teile der innerstädtischen Grünflächen im Frühjahr praktisch „tot gemäht“wurden. Ohne Blumen und Blüten seien Wildbienen und anderen Insekten vom Verhungern bedroht. „Das derzeitige Mähprogramm ist für sehr viele Arten ein Ausrottungsprogramm“, sagt Naturforscher Eberhard Pfeuffer. Und er ist mit seiner Einschätzung nicht alleine.
Erste Kritik gegen den aktuellen Mähplan für städtische Wiesen, Grünstreifen und Straßenränder gab es Ende April. Zu diesem Zeitpunkt ließ die Stadt großräumig mähen, noch bevor die Natur aufblühen konnte. Die Naturschutzallianz heimischer Umweltverbände protestierte. Sie wies darauf hin, dass dies mit Blick auf das bundesweite massive Insektensterben äußerst problematisch sei. Dann sorgte der Fall im Naturschutzbeirat für Kontroversen. Das Gremium berät die Stadt in fachlichen Fragen. Eine gemeinsam getragene Lösung kam dort aber nicht zustande.
Ein erfolgreicher Einkaufsbummel war mein Spaziergang über den Hinterhof-Flohmarkt im Bismarckviertel nicht. Gekauft habe ich nichts, so viel sei schon einmal verraten. Dabei hatte ich mein Bestes gegeben, etwas zu finden. Und nicht nur ich. Auch die Händler gingen oft vollkommen aus sich heraus.
Der erste Hof in der Neidhartstraße, das erste bekannte Gesicht hinter der Biertischgarnitur, auf der sich Skurrilitäten stapeln: LiebesLotuskerzen werden mir angepriesen. Nur 50 Cent. „Miriam, die musst du haben. Sie haben nicht nur eine besondere Form, sondern sind eine echte Rarität und werden nicht mehr produziert“, sagt die emsige Verkäuferin. Das kann an deren Scheußlichkeit liegen, mutmaße ich und lasse diese Rarität höflich zurück.
Ein Buch wäre schön, denke ich mir und wühle mich durch verschiedene Stapel in verschiedenen Höfen in verschiedenen Straßen,
Nun meldet sich Eberhard Pfeuffer, der frühere Vorsitzende des Naturwissenschaftlichen Vereins, zu Wort. Er spricht von einer „Totalmahd“auf innerstädtischen Flächen. Auch jetzt, Wochen später, blühe noch kaum eine Blume. Geradezu dramatisch seien die Auswirkungen auf die Insektenwelt. „Wildbienen, gerade auch Hummeln, ebenso Schwebfliegen und viele Käferarten verloren zusammen mit weiteren blütenabhängigen Insektengruppen schlagartig ihr gesamtes Nahrungsreservoir, und das flächendeckend durch die Stadt“, kritisiert Pfeuffer. Hummeln und Wildbienen könnten sich mangels Pollen auch nicht mehr fortpflanzen. Obendrein gehe mit dem „Einheitsgrün“der früher gut funktionierende Biotopverbund innerhalb der Stadt und hinaus ins Umland verloren.
Auch Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) sagt, es sei sinnvoll und notwendig, differenzierter zu mähen. Inzwischen habe die Stadt einige Flächen im Straßenbegleitgrün aus dem geltenden Mähplan herausgenommen, man könne den Plan aber nicht komplett umstellen. Das Problem: Die Stadt lässt die Mäharbeiten von Fremdfirmen ausführen. Diese Aufträge werden an die Firmen für mindestens drei Jahre vergeben. Entsprechend der Ausschreibung seien sie verpflichtet, die Mahd in den vorgegebenen Zeiten zu erledigen, sagt Erben. „Darauf haben sie ihr Personal und ihre Planung eingestellt und die Preise kalkuliert.“Auf die jeweilige Blüte abgestimmte, flexiblere Mähtermine würden den Personal- und Finanzaufwand der Firmen deutlich erhöhen. Sie seien momentan nicht leistbar.
Erben zufolge können sich auch mit der aktuellen Grünpflege neue Pflanzenarten ansiedeln. Eine städtische Biologin habe 150 Arten im Straßenbegleitgrün gezählt. Zudem müsse die Stadt bei der Pflege ihrer Grünflächen zwischen Ökologie, der Sicherheit an Straßenrändern und dem Wunsch vieler Bürger nach Freizeitwiesen abwägen.
Pfeuffer hält dem Umweltreferenten der Grünen entgegen: „Verträge mit Firmen fallen nicht vom Himmel, sie werden von der Stadt abgeschlossen.“Unter früheren Stadtregierungen sei Augsburg ein Vorbild für Stadtökologie gewesen. 1997 habe Augsburg den ersten Preis im europaweiten Wettbewerb „Entente Florale“für die ökologische Gestaltung des Stadtgrüns erhalten. Heute sei die Stadt nicht einmal mehr bereit, die finanziellen Mittel für eine ökologisch ausgerichtete Pflege des innerstädtischen Grüns aufzubringen.
Erben verweist auf ein „ökologisches Grünflächenkonzept“, das 2017 im Umweltausschuss beschlossen wurde und derzeit erstellt wird. Dort will er prüfen lassen, ob auf weiteren kleinen Teilflächen Blüten und Blumen länger wachsen dürfen. Das Amt für Grünordnung werde außerdem Wiesen, die bisher durch eigene Mitarbeiter intensiv gemäht wurden, künftig extensiver pflegen.
Reichen diese neuen Pläne aus? Auch Experten außerhalb Augsburgs sind davon nicht überzeugt. Auch sie sind der Meinung, dass der städtische Mähplan schnell und umfassend geändert werden müsste. „Eine frühe Mahd Ende April wirkt sich sehr negativ auf die Vielfalt von Pflanzen und Insekten aus“, sagt Andreas Fleischmann, Kurator in der Botanischen Staatssammlung München. Ein Grünschnitt Mitte oder Ende April sei definitiv vier Wochen zu früh. In München oder in Landsberg werde es anders gemacht. Dort gebe es ein auf die Blüte abgestimmtes Mähregime. Man könne viel erreichen mit dem richtigen Mähzeitpunkt, sagt Fleischmann und er warnt: „Verlorene Arten kommen nicht wieder.“