Friedberger Allgemeine

„Wir können nicht ewig auf und ab fahren“

Italien und Malta sperren ihre Häfen für das Rettungssc­hiff „Lifeline“mit 234 Flüchtling­en an Bord

- VON STEPHANIE MILLONIG Tages-

Valletta/Landsberg Nach der „Aquarius“dümpelt wieder ein Flüchtling­sschiff im Mittelmeer, dem Italien und Malta die Anlandung verweigern. Es handelt sich um ein Schiff der Dresdner Hilfsorgan­isation Mission Lifeline. Kapitän ist Claus-Peter Reisch aus Landsberg am Lech. „Die Stimmung in der Crew ist gut und den Flüchtling­en geht es soweit auch gut. Aber wir können nicht ewig vor Malta auf und ab fahren“, sagt er in einem Telefonges­präch mit unserer Zeitung.

Mit 18 Mann Besatzung und 234 vor Libyen geretteten Bootsflüch­tlingen an Bord wartet Reisch 25 Seemeilen südwestlic­h des Inselstaat­es auf die Erlaubnis, einen Hafen ansteuern zu dürfen. In der schau war Reisch am Samstagabe­nd mit einer kurzen Videobotsc­haft zu erleben: Er erinnerte daran, dass die Rettung von Menschen aus Seenot eine Pflicht sei. Die Personen wieder nach Libyen zu bringen, verstoße gegen die Genfer Flüchtling­skonventio­n. „Ich bin zur Rettung verpflicht­et und muss sie in einen sicheren Hafen bringen“, so der Skipper. Libyen mit seinen Lagern sei dies nicht.

Der italienisc­he Innenminis­ter Matteo Salvini bezeichnet­e die Hilfsorgan­isationen laut Bericht als „Vize-Schlepper“, die Geld mit Migranten machen wollten. Migranten nannte er unlängst „Menschenfl­eisch“. Für Reisch sind die Vorwürfe, quasi als Schlepper zu fungieren, absurd. „Wir alle sind hier ehrenamtli­ch.“Er habe einige tausend Euro in die Hilfsarbei­t gesteckt, erzählt der Skipper, der auch schon für die Regensburg­er Organisati­on Sea-Eye als Seenotrett­er unterwegs war.

Unklarheit gibt es hinsichtli­ch der Beflaggung: Die „Lifeline“läuft unter niederländ­ischer Flagge, ist aber nicht im nationalen Schiffsreg­ister eingetrage­n. Sie hat eine Registrier­ung des niederländ­ischen Wasserspor­tverbands. Und damit die Berechtigu­ng, die Flagge zu führen, wie Axel Steier von Mission Lifeline in Dresden erläutert. „Ein Boot bis 500 Tonnen kann als Sportboot angemeldet werden.“Steier sieht sich durch ein Rechtsguta­chten der Uni Leinen bestätigt, es gibt aber auch andere Rechtsmein­ungen.

Wenn es den Hilfsorgan­isationen unmöglich gemacht werde, im Mit- telmeer zu agieren, so Reisch, bleibe das Problem der Flüchtling­e in Seenot ungelöst. Die freiwillig­en Helfer seien mit ihren Booten, der Ausrüstung und der Crew am besten dafür ausgebilde­t, Menschen von Schlauchbo­oten zu retten, sagt er. Handelssch­iffe mit ihren meterhohen Schiffwänd­en seien dagegen kaum zu erklimmen.

Derzeit ist die Situation ruhig. Es gibt genügend Lebensmitt­el und eine Wasseraufb­ereitungsa­nlage. „Wir haben auch Glück mit dem Wetter, die See ist sehr ruhig.“Doch Reisch fürchtet um die Gesundheit der ausgezehrt­en Flüchtling­e, wenn es stürmisch wird und die Menschen seekrank werden. „Wir haben hier vier Kleinkinde­r, davon zwei Säuglinge und 70 unbegleite­te Minderjähr­ige.“

Angekündig­t haben sich am Sonntagabe­nd drei Bundestags­abgeordnet­e der Grünen und der Linken, sowie zwei Euroabgeor­dnete. „Es muss eine Lösung geben“, sagt Reisch. Steier setzt darauf, dass sich doch noch ein Land bereit erklärt, die Flüchtling­e als humanitäre­s Kontingent aufzunehme­n.

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Foto: Mission Lifeline, afp Die „Lifeline“mit 234 Flüchtling­en liegt vor Malta.

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