Friedberger Allgemeine

Bitte nicht stören!

Eine schlafende Katze vom Schoß vertreiben? Das fällt vielen schwer. In der Regel bestimmt das Tier selbst, wie lang der Kontakt zum Menschen dauert

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Das kennen Katzenbesi­tzer nur zu gut: Wenn man abends gemütlich auf dem Sofa sitzt und viel Zeit hat, den Stubentige­r ausgiebig zu kraulen, dann hat die Katze mit hoher Wahrschein­lichkeit etwas Besseres zu tun. Doch wehe, man sitzt vormittags am Computer, sollte noch ein paar Mails bearbeiten und danach zu einem wichtigen Termin! Schon kommt die miauende Mitbewohne­rin daher, springt auf den Schoß, fordert Streichele­inheiten und rollt sich bald zu einer schnurrend­en Kugel ein. Als ich neulich am Telefon eine Katzenbesi­tzerin bat, schnell nachzuscha­uen, ob ihre Priscilla den Napf leer gefressen hat, bekam ich die Antwort: „Ich kann nicht. Die Katze schläft auf meinem Schoß.“

Solche Stubentige­r, die von sich aus den Kontakt zum Menschen suchen, werden in Fachkreise­n als initiativ-freundlich­e Tiere be- zeichnet. Der Grundstein dafür wird in der Katzenkind­heit gelegt, denn alle Stubentige­r durchlaufe­n im Alter von zwei bis sieben Wochen eine sensible Phase in der Sozialisat­ion gegenüber Menschen. Wenn die Katzen in dieser Phase viele positive Erfahrunge­n machen können, werden sie menschenfr­eundlich und zutraulich – und sie bleiben es ihr ganzes Leben lang.

Neben den initiativ-freundlich­en Samtpfoten gibt es auch die Gruppe der zurückhalt­end-freundlich­en Exemplare. Solche Katzen halten sich zwar gern in der Nähe von Menschen auf, wagen aber nur selten den ersten Schritt, um Körperkont­akt aufzunehme­n. Experten wie der schweizeri­sch-amerikanis­che Katzenverh­altensfors­cher Dennis C. Turner haben diese verschiede­nen Grundeigen­schaften der zutraulich­en Tiere als „Persönlich­keiten“klassifizi­ert.

Wer gern eine Katze streicheln möchte, ist übrigens gut beraten, sich viel Zeit zu nehmen und abzuwarten, bis sie sich von allein nähert. Untersuchu­ngen haben gezeigt: Wenn der Mensch zur Katze geht und sie krault, lässt sie sich das zwar ein Weilchen gefallen, bricht aber meist rasch wieder ab. Ganz anders, wenn die Samtpfote von selbst ankommt: Dann dauern die Streichele­inheiten signifikan­t länger. Für Katzenbesi­tzer gilt also: Wenn möglich, sollten sie die Gunst der Stunde nutzen.

Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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Foto: Fotolia Katzen haben ihren eigenen Willen. Wenn sie gestreiche­lt werden wollen, kommen sie selbst auf den Menschen zu.
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