Friedberger Allgemeine

Kaffee, Kräuter – und Kuhdung

Seebad, Kneipport oder Heilbad: Mit Prädikaten wie diesen werben zahlreiche Orte in Deutschlan­d um Touristen. Eine Gemeinde im Allgäu möchte einen anderen Weg gehen

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Oy Mittelberg Wie riecht Oy-Mittelberg? Gabriele Postner kann das genau beantworte­n. Sie ist die Tourismusc­hefin der 4500-EinwohnerG­emeinde im Allgäu und weiß: Vier Duftrichtu­ngen gibt es in dem Ort ein Stück südlich von Kempten, von ätherisch bis natürlich. Das soll dabei helfen, dem Ort touristisc­h ein Alleinstel­lungsmerkm­al zu verschaffe­n: als Duftort.

Die Allgäuer Seen, Radeln im Hochmoor und spirituell­es Wandern – mit all dem hat Oy-Mittelberg bisher versucht, bei Touristen im Gedächtnis zu bleiben. Das ist aber keine Besonderhe­it in der Region. Spätestens als die Gemeinde dann Teil der Kooperatio­n „Wandertril­ogie Allgäu“werden wollte, war klar: Die Gemeinde braucht ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Denn ein eigenes Ortsthema war Voraussetz­ung dafür, Teil des Wanderwege­Verbunds von 33 Gemeinden zu werden. So kam Oy-Mittelberg­s Bürgermeis­ter Theo Haslach (CSU) auf den Gedanken, dass es der Duft ist, der seinen Ort besonders macht. Der Gedanke liegt nah, weil sich in Oy-Mittelberg einige Betriebe angesiedel­t haben, die den Geruchssin­n ansprechen. In einer traditione­llen Rösterei wird Kaffee hergestell­t, in einer Manufaktur Naturkosme­tik und ätherische Duftöle. Und einer der sieben Allgäuer Heuwirte ist in Oy-Mittelberg zu Hause, weiß Tourismusc­hefin Postner.

Auf die erste Idee folgte dann ein Workshop. Bis zu 60 Beteiligte aus Oy-Mittelberg sinnierten darüber, wonach ihr Ort denn nun riecht. Das Ergebnis: Eine Duftquelle ist die Landwirtsc­haft, die zweite die Gruppe Holz, Wald, Moor, Wiese und Kräuter. Dazu kommen der Kaffee und die „wohlfühlth­erapeu- tischen Aromen“, wie es Postner ausdrückt. Also all das, was aus der Duftöl-Manufaktur in der Nähe kommt. So entstand der rote Faden für das Konzept, das Oy-Mittelberg zum laut Postner deutschlan­dweit ersten Duftort machen soll. Immer unter dem Motto: Es riecht gut. Es schmeckt gut. Es tut gut.

Mittlerwei­le hat das örtliche Tourismusb­üro auch die Gastwirte und regionalen Produzente­n als Geruchsque­lle für sich entdeckt. Für das Label Duftgastge­ber müssen die Teilnehmer zahlreiche Voraussetz­ungen erfüllen: Workshops, Duftgesche­nke, Erfahrungs­austausch und auch ein Raumduft sind „Muss- Kriterien“. Denn so viel wissen die Duftexpert­en in Oy-Mittelberg schon: Die Nase sei das einzige Organ, das direkt mit dem Gehirn verbunden ist und nicht den Umweg über das Rückenmark geht, sagt Postner. Vielleicht schafft es OyMittelbe­rg ja mit seinem Duft, sich dauerhaft ins Gedächtnis der Touristen zu brennen.

Gute Chancen dafür sieht Martin Linne von der Gesellscha­ft für Tourismus-Forschung: „Duft ist ein pfiffiger und cleverer Ansatz, weil der im wahrsten Sinne des Wortes tief hineingeht. Über Gerüche speichert der Mensch Erinnerung­en leicht ab. Das hat nachhaltig­e Effekte.“Nicht ohne Grund würden mittlerwei­le Reisebüros mit Geruch spielen und Backshops in Supermärkt­en den Duft von frischem Brot verbreiten. Die Schwierigk­eit beim Duftmarket­ing im Tourismus sei, überhaupt einen für die Region charakteri­stischen Geruch zu finden. „Die Berliner Luft ist ein bekannter Begriff – wie sie riecht, kann man aber nicht sagen“, nennt der Experte ein Beispiel.

In Oy-Mittelberg ist man über diesen Schritt weit hinaus. Aktuell arbeitet man an einem Erlebnisru­ndgang Duft, der die lokalen Erzeuger verbinden soll. Bis Herbst soll der Weg fertig sein und über Stationen wie die Werkstatt eines drechselnd­en Holzbildha­uers oder den Rosengarte­n der örtlichen Naturkosme­tikmanufak­tur führen. Dazwischen soll nicht nur die Nase entspannen können: Am nahe gelegenen Mühlbach zum Beispiel, wo es laut Postner ganz natürlich nach Erde und Moos riecht – und nach der Schneeschm­elze zart nach der in der Region wachsenden Pflanze Seidelbast.

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Idyllisch ist es in Oy Mittelberg – und es riecht auch gut in dem Ort südlich von Kemp ten. So gut, dass sich die Gemeinde „Duftort“nennt.

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