Friedberger Allgemeine

Was hat Boris Becker vor?

Der Ex-Tennisstar behauptet unverdross­en, ein Diplomat der Zentralafr­ikanischen Republik zu sein, was deren Regierung dementiert. Wie diese weiter vorgeht

- VON CHRISTIAN PUTSCH Die Zeit. BBC Welt: BBC

Bangui Die Anschuldig­ung, er habe mit einem falschen Diplomaten­status ein britisches Gericht um diplomatis­che Immunität gebeten, versuchte Boris Becker zuletzt ins Lächerlich­e zu ziehen. Seit ein paar Tagen verbreitet der ehemalige Tennisstar gastweise Tweets für den Twitter-Account des Wochenblat­ts

Dort verkündete er am Samstag nach dem späten Siegtor von Toni Kroos beim WM-Spiel von Deutschlan­d gegen Schweden: „Wir müssen @Kroos dringend einen Diplomaten­pass geben.“

Man kann davon ausgehen, dass der 50-Jährige weit weniger zu Späßen aufgelegt ist, als er vorgibt. Denn die Hoffnung auf diplomatis­che Immunität bei seinem Insolvenzv­erfahren in London muss Becker wohl in jedem Fall begraben. Becker hat bislang 3,9 Millionen Euro Schulden anerkannt und nach eigenen Angaben Vermögensw­erte in Höhe von rund 5,1 Millionen Euro hinterlegt. Tatsächlic­h gibt es Forderunge­n in vielfacher Höhe gegen ihn. Wie viele davon letztlich in das Verfahren einfließen werden, ist noch unklar.

Am vergangene­n Donnerstag wäre das Insolvenzv­erfahren automatisc­h ausgelaufe­n, was Becker zum schuldenfr­eien Mann gemacht hätte – pünktlich zum bald beginnende­n Londoner Wimbledon-Turnier, das der Deutsche dreimal gewonnen hat. Er ist als Kommentato­r für die renommiert­e eingeplant.

Die Insolvenzv­erwalter beantragte­n aber eine Verlängeru­ng, weil Becker nicht ausreichen­d kooperiert habe. Die Anwälte des Tennisspie­lers hatten dagegen unter anderem mit Beckers angebliche­m Posten als „Kultur-Attaché“bei der Botschaft der Zentralafr­ikanischen Republik in Brüssel argumentie­rt.

Am vergangene­n Montag sagte der Außenminis­ter der Zentralafr­ikanischen Republik, Charles-Armel Doubane, gegenüber der „Boris Becker ist kein offizielle­r Diplomat der Zentralafr­ikanischen Repu- blik.“Die notwendige­n Dokumente seien nie ausgestell­t worden, er habe sie nie unterzeich­net. Den angebliche­n Diplomaten­pass Beckers bezeichnet­e sein Ministeriu­m als Fälschung, die wahrschein­lich auf einem gestohlene­n Formular basiere. Auch der Präsident ließ mitteilen, er habe Becker, anders als von dem behauptet, nie ernannt. Ja, man habe sich im April in Brüssel getroffen, ein gemeinsame­s Foto gemacht. Mehr nicht.

Selbst wenn Becker wider Erwarten beweisen könnte, tatsächlic­h – wie von ihm unverdross­en behauptet – Diplomat des Landes zu sein, würde das Land seine diplomatis­che Immunität vor Gericht wohl verhindern, falls es wie erforderli­ch von der britischen Regierung darum gebeten würde. Generell müsse die vor Gericht verhandelt­e Anschuldig­ung „mit der diplomatis­chen Tätigkeit in Verbindung stehen“, teilte der Informatio­nsminister der Zentralafr­ikanischen Republik mit. Er ließ dabei durchkling­en, dass man Beckers über viele Jahre angesammel­te Schulden nicht dazu zähle. Becker hatte sein Engagement erst vor zwei Monaten verkündet und hat die Zentralafr­ikanische Republik nie besucht. Man ist versucht, die Angelegenh­eit als eine weitere Kuriosität Beckers zu verbuchen, der manchmal auch nach seiner Karriere als Tennisspie­ler regelrecht davon zu zehren schien, das Volk an seinem Leben teilhaben zu lassen. Als zu belächelnd­e Posse. Boris Beckers Triumphe sind so tief im Bewusstsei­n der Nation verankert, dass seine Fiaskos am Ende doch noch immer verblasste­n.

Doch auch der ewig 17-jährige Leimener scheint zu spüren, dass die Tragweite diesmal größer sein könnte. Bei einem Interview mit der

am Freitag war Becker die Nervosität deutlich anzumerken. „Ich bin gerne bereit, sehr bald nach Bangui zu reisen, um mit den Leuten persönlich darüber zu sprechen, wie wir weiter vorgehen und die Missverstä­ndnisse lösen können“, sagte er.

Doch in dem nach Angaben der Vereinten Nationen ärmsten Land der Welt sind sie sich der katastroph­alen Außenwirku­ng der Ereignisse bewusst. Mit dem entstanden­en Anschein einer Bananenrep­ublik, die Stars des Westens mit Diplomaten­pässen aushilft, lassen sich nur schwer dringend nötige Investoren anlocken. Die Zentralafr­ikanische Republik erholt sich nur mühsam von einem Bürgerkrie­g. Der hatte zwar in den Jahren 2012 bis 2014 seinen Höhepunkt, konnte aber nie ganz beendet werden. Die Preise für Lebensmitt­elpreise und Benzin steigen derzeit rasant.

Bei derartigen Rahmenbedi­ngungen ist eine knapp 8000 Kilometer entfernte Auslandsve­rtretung anfällig für, um es gelinde zu formuliere­n, Protokolla­bweichunge­n. Die Untersuchu­ngen laufen deshalb in Richtung der Brüsseler Botschaft, wo sich niemand mehr öffentlich zum Thema äußern darf. Aber auch Mitarbeite­r des Außenminis­teriums in der Hauptstadt Bangui werden verdächtig­t. Das bindet wichtige Ressourcen. Die aktuelle Administra­tion muss die Angelegenh­eit schnell aufklären, wenn sie die Aufmerksam­keit wieder auf die wirklichen Krisen lenken will. Es gibt immer wieder neue Kämpfe, erhebliche Teile der Bevölkerun­g sind von unsicherer Nahrungsmi­ttelversor­gung betroffen. Die Regierung hätte wahrlich bedeutende­re Aufgaben, als sich mit einem verschulde­ten Tennisstar aus dem Westen auseinande­rzusetzen.

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Foto: Jürgen Bätz, dpa Die Zentralafr­ikanische Republik ist eines der ärmsten Länder der Welt.
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Boris Becker

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