„Mindestens noch diese Saison“
Daniel Baier spielt seit fast zehn Jahren mit einer kleinen Unterbrechung für den FCA. Der Routinier spricht über den Wandel im Fußball, seine Zukunft und die Zukunft des Vereins
Der Augsburger Eiskanal hat von seiner Anziehungskraft nichts verloren. Dies wurde am Wochenende beim Rennen um den ECA-JuniorCup auf der Kanuslalom-Olympiastrecke von 1972 wieder mehr als deutlich. 400 Starter aus 20 Nationen hatten für den Wettkampf im Rahmen der Rennserie gemeldet. „Wir mussten sogar 60 Anmeldungen ablehnen“, sagte Wettkampfleiterin Helga Scheppach, die zusammen mit dem ersten Vorsitzenden des Augsburger Kajakvereins (AKV), Claudius Wiedemann, für die Organisation dieser Großveranstaltung verantwortlich war.
Nicht nur aus der europäischen Nachbarschaft, sondern bis aus Kasachstan, den USA, Kanada, Neuseeland oder Australien kamen die jugendlichen Starter an den Lech. Und sie alle lobten die tadellose Organisation durch den AKV. Darauf war das Duo Scheppach/Wiedemann besonders stolz. Mehr als 60 freiwillige Helfer waren an den drei Veranstaltungstagen im
Einsatz und sorgten dafür, dass ihr Verein bei den Startern aus aller Herren Länder in bester Erinnerung bleiben wird.
Doch nicht nur die Weltklasse der Nachwuchskanuten fühlte sich am Eiskanal sehr wohl, sondern auch viele Augsburger zog es am Wochenende an die Rennstrecke. „Das Wetter war für den Wettkampf und die Zuschauer natürlich ideal“, freute sich Wiedemann. Und motivierte auch die einheimischen Starter mächtig. Im Kajak-Einer der Klasse U16 setzte sich Emily Apel von den Kanu Schwaben souverän durch. Die 15-jährige Tochter von Bundestrainer Thomas Apel paddelte an beiden Tagen auf der Erfolgswelle. Sie deklassierte am Samstag ihre Konkurrentinnen förmlich und hatte auch am Sonntag einen satten Vorsprung auf die Amerikanerin Madison Corcoran. „Das war eine fantastische Leistung“, lobte Wiedemann das Talent des Nachbarvereins.
Beim AKV waren die Blicke vor allen Dingen auf Franziska Hanke gerichtet. Ein dritter Rang im ersten Rennen verschaffte der 17-Jährigen im Kajak-Einer (U18) eine gute Ausgangsposition für den Sonntag. Und auch da wurde die Lokalmatadorin allen Erwartungen gerecht. Denn sie kam mit der schnellsten Zeit vor der Italienerin Marta Bertoncelli und Fiona Kaletka ins Ziel.
In der Gesamtwertung teilte das Mitglied der deutschen Nachwuchsnationalmannschaft den Sieg mit Fiona Kaletka, die für den VfL Bad Kreuznach an den Start ging. Claudius Wiedemann zeigte sich sehr zufrieden. „Ein Sieg in einem internationalen Wettbewerb hat doch eine gewisse Wertigkeit“, sagte der Klubchef und durfte nicht nur sportlich eine positive Bilanz ziehen. Sie hatten am Ende der Saison eine für Fußballer seltene Verletzung, einen Tinnitus. Haben Sie noch Beschwerden?
Baier: Im Urlaub habe ich fast nichts mehr gemerkt. Hier zu Hause, wenn es ruhig ist, ist es noch leicht da. Aber es ist kein Vergleich zu Beginn der Verletzung.
Was sagen die Ärzte dazu, dass Sie diese Geräusche im Ohr immer noch haben?
Baier: Die sagen, es dauert mindestens sechs bis acht Wochen, bis es verschwindet. Es kann aber auch nie mehr weggehen. Je offener ich damit umgehe, desto mehr erfahre ich, dass es viele Leute gibt, die damit Probleme haben. Das ist also nichts Außergewöhnliches.
Wie gehen Sie damit um?
Baier: Ich kann damit ganz gut leben. Ich nehme es wahr, aber es ist jetzt nicht so, dass es mich stören würde.
War es für Sie persönlich eine besonders intensive Saison als Kapitän und mit Ihrer Medienpräsenz nach Ihrem Ausraster im Leipzig-Spiel?
Baier: Es hat mich riesig gefreut, dass ich das Kapitänsamt bekommen habe. Intern hatte ich diese Aufgaben aber schon vorher, da hat sich nicht viel geändert. Die Zeit nach der Leipzig-Geschichte war wirklich extrem und eine neue Erfahrung für mich. Denn ich bin einer, der nicht gerne im Mittelpunkt steht und solch eine Aktion noch nie hatte. Das war alles neu für mich und sehr lehrreich.
Sie sind über zehn Jahre Bundesligaprofi. Hat sich der Umgang der Medien mit den Spielern und der Umgang der Spieler mit den Medien geändert? Baier: Da liegen Welten dazwischen, gerade durch die sozialen Netzwerke. Für die jungen Spieler ist es normal, dass gepostet wird, dass alles geteilt wird, dass jeder an deinem Leben teilhaben kann. Ich tue mich damit noch ein bisschen schwer, bin natürlich auch dort vertreten, aber versuche nur über den Fußball zu posten, oder mal ein Urlaubsbild. Aber es hat sich da wirklich alles gedreht. Und ich denke, das ist erst der Anfang. Es wird alles noch viel extremer und schneller. Das habe ich selbst nach meiner Aktion im Leipzig-Spiel erfahren. Da habe ich mich nicht einmal 24 Stunden später hingesetzt und entschuldigt, und das war für sehr viele schon zu spät. Man sieht, wie schnelllebig das alles geworden ist. Extrem ist es jetzt auch in der Transferperiode. Jeder will einen Transfer vermelden, noch bevor der Vertrag unterschrieben ist.
Wechselstress hatten Sie lange nicht mehr. Seit zehn Jahren spielen Sie mit einer Unterbrechung für den FCA. Baier: Es ist normal, dass man mit seinem Berater und dem Verein spricht, wenn es notwendig ist. Bei mir war es immer so, dass ich nach den Gesprächen entschieden habe, dass ich keine Veränderung brauche oder will. Ich habe immer meine Zukunft hier in Augsburg gesehen.
Ihr Vertrag beim FCA läuft jetzt noch ein Jahr. Gibt es schon Gespräche über Ihre Zukunft?
Baier: Nein. Wir haben schon in der Vergangenheit besprochen, wie es weitergehen könnte. Ich will jetzt mein letztes Jahr Vertrag hier spielen und dann schauen wir, wie es weitergeht.
Was heißt letztes Jahr? Wie ist das zu verstehen?
Baier: Es ist nichts geplant, dass ich im Sommer aufhöre oder woanders hingehe oder verlängere. Ich will jetzt erst einmal schauen, wie die Saison anläuft.
Einer Ihrer besten Freunde, Marcel Schäfer, der genauso alt wie Sie ist, hat seine Profikarriere beendet und wird Sportdirektor beim VfL Wolfsburg. Wäre das eine Option für Sie? Baier: Ich will mindestens diese Saison noch spielen. Und wenn ich mich körperlich noch gut fühle und ich der Mannschaft weiterhin helfen kann, dann will ich auch noch länger spielen.
Das mediale Interesse rund um den Fußball hat sich in den letzten zehn Jahren rasant verändert, ist das Spiel auf dem Platz noch das gleiche geblieben?
Baier: Das kann man nicht mehr vergleichen. Es ist alles schneller und athletischer geworden. Viel taktischer. Vor zehn Jahren war es fast undenkbar, innerhalb eines Spieles viermal das System zu wechseln oder auf den Gegner zu reagieren, wie es jetzt fast jede Mannschaft macht. Du trainierst auch anders. Es wird alles viel wissenschaftlicher und individueller. Ich fühle mich auf jeden Fall viel besser als am Anfang meiner Karriere. Ich habe überhaupt keine Wehwehchen mehr.
Der FCA baut immer wieder junge Spieler ein wie Max, Framberger, Danso, Richter oder Asta. Jetzt kommt mit Felix Götze wieder ein Talent. Ist das anstrengend für die erfahrenen Spieler?
Baier: Das ist der richtige Weg des FC Augsburg und das ist ein super Zeichen an den ganzen Verein. Nein, es ist überhaupt nicht anstrengend. Du kannst ihnen was mit auf den Weg geben, aber es liegt an jedem selber. Marco Richter ist das perfekte Beispiel. Er hätte es schon viel früher verdient, öfters zu spielen. Und was macht er? Er gibt weiter Gas, glaubt weiter an sich und wurde belohnt.
Die Rückschau auf die vergangene Saison war am Ende zwiespältig. Viele, darunter auch Ihre Kollegen Alfred Finnbogason und Jeffrey Gouweleeuw, waren der Meinung, es wäre mehr drin gewesen. Wie sehen Sie das als dienstältester FCA-Profi?
Baier: Es gibt immer mehrere Meinungen. Nicht nur bei den Außenstehenden, sondern auch bei uns Spielern. Für alle Augsburger ist es das Wichtigste, das Ziel zu erreichen, Bundesliga zu spielen. Klar, wenn du so eine Vorrunde spielst, denkt man schon einen Schritt weiter. Aber man darf nicht vergessen, dass wir in der Rückrunde viele Probleme besonders mit Verletzungen hatten. Es ist einfach schwer für einen Verein wie den FCA, 34 Spieltage konstant durchzuspielen. Daher war es in der Vorrunde außergewöhnlich, dass wir das bis auf das Bayern-Spiel 16-mal geschafft haben.
Ihr persönlicher Eindruck: Wird die Mannschaft so zusammenbleiben? Einige Spieler stehen sehr im Fokus. Baier: Es ist doch gut so, dass Begehrlichkeiten geweckt werden. Ich habe das Gefühl bei jedem Einzelnen, dass sie sich wirklich, wirklich wohlfühlen und richtig Bock auf den Verein und die Mannschaft haben. Aber wir brauchen nicht darüber reden: Wenn ein Champions-LeagueTeilnehmer kommt und du das x-Fache mehr verdienen kannst, sind die Jungs auch nur Menschen und wollen den nächsten Schritt machen. Aber das ist nur eine Spekulation.
Werden Sie um Rat gefragt?
Baier: Sicherlich redet man darüber. Ich kann ihnen nur sagen, wie ich meine Karriere erlebt habe und was für mich wichtig war.
Was war für Sie wichtig?
Baier: Für mich war wichtig, dass ich mit meiner Familie in Augsburg bleiben und hier beim FCA weiterspielen kann.
● Daniel Baier wurde am 18. Mai in Köln geboren. Sein Vater Jürgen Baier, 59, war selbst Bundesliga und Zweitliga Profi. Sein Bruder Benjamin, 29, spielt bei RW Essen.
● Sportliches Baier absolvierte bis her seit 2008 für den FCA 218 Bundesliga Spiele und erzielte dabei fünf Tore. Sein Vertrag läuft bis Juni 2019.
● Privates Baier lebt mit seiner Frau Joelle und den Kindern Louisa, 10, und Zoë Elea, 4, in Augsburg.