Friedberger Allgemeine

„Mindestens noch diese Saison“

Daniel Baier spielt seit fast zehn Jahren mit einer kleinen Unterbrech­ung für den FCA. Der Routinier spricht über den Wandel im Fußball, seine Zukunft und die Zukunft des Vereins

- VON HERBERT SCHMOLL Interview: Robert Götz

Der Augsburger Eiskanal hat von seiner Anziehungs­kraft nichts verloren. Dies wurde am Wochenende beim Rennen um den ECA-JuniorCup auf der Kanuslalom-Olympiastr­ecke von 1972 wieder mehr als deutlich. 400 Starter aus 20 Nationen hatten für den Wettkampf im Rahmen der Rennserie gemeldet. „Wir mussten sogar 60 Anmeldunge­n ablehnen“, sagte Wettkampfl­eiterin Helga Scheppach, die zusammen mit dem ersten Vorsitzend­en des Augsburger Kajakverei­ns (AKV), Claudius Wiedemann, für die Organisati­on dieser Großverans­taltung verantwort­lich war.

Nicht nur aus der europäisch­en Nachbarsch­aft, sondern bis aus Kasachstan, den USA, Kanada, Neuseeland oder Australien kamen die jugendlich­en Starter an den Lech. Und sie alle lobten die tadellose Organisati­on durch den AKV. Darauf war das Duo Scheppach/Wiedemann besonders stolz. Mehr als 60 freiwillig­e Helfer waren an den drei Veranstalt­ungstagen im

Einsatz und sorgten dafür, dass ihr Verein bei den Startern aus aller Herren Länder in bester Erinnerung bleiben wird.

Doch nicht nur die Weltklasse der Nachwuchsk­anuten fühlte sich am Eiskanal sehr wohl, sondern auch viele Augsburger zog es am Wochenende an die Rennstreck­e. „Das Wetter war für den Wettkampf und die Zuschauer natürlich ideal“, freute sich Wiedemann. Und motivierte auch die einheimisc­hen Starter mächtig. Im Kajak-Einer der Klasse U16 setzte sich Emily Apel von den Kanu Schwaben souverän durch. Die 15-jährige Tochter von Bundestrai­ner Thomas Apel paddelte an beiden Tagen auf der Erfolgswel­le. Sie deklassier­te am Samstag ihre Konkurrent­innen förmlich und hatte auch am Sonntag einen satten Vorsprung auf die Amerikaner­in Madison Corcoran. „Das war eine fantastisc­he Leistung“, lobte Wiedemann das Talent des Nachbarver­eins.

Beim AKV waren die Blicke vor allen Dingen auf Franziska Hanke gerichtet. Ein dritter Rang im ersten Rennen verschafft­e der 17-Jährigen im Kajak-Einer (U18) eine gute Ausgangspo­sition für den Sonntag. Und auch da wurde die Lokalmatad­orin allen Erwartunge­n gerecht. Denn sie kam mit der schnellste­n Zeit vor der Italieneri­n Marta Bertoncell­i und Fiona Kaletka ins Ziel.

In der Gesamtwert­ung teilte das Mitglied der deutschen Nachwuchsn­ationalman­nschaft den Sieg mit Fiona Kaletka, die für den VfL Bad Kreuznach an den Start ging. Claudius Wiedemann zeigte sich sehr zufrieden. „Ein Sieg in einem internatio­nalen Wettbewerb hat doch eine gewisse Wertigkeit“, sagte der Klubchef und durfte nicht nur sportlich eine positive Bilanz ziehen. Sie hatten am Ende der Saison eine für Fußballer seltene Verletzung, einen Tinnitus. Haben Sie noch Beschwerde­n?

Baier: Im Urlaub habe ich fast nichts mehr gemerkt. Hier zu Hause, wenn es ruhig ist, ist es noch leicht da. Aber es ist kein Vergleich zu Beginn der Verletzung.

Was sagen die Ärzte dazu, dass Sie diese Geräusche im Ohr immer noch haben?

Baier: Die sagen, es dauert mindestens sechs bis acht Wochen, bis es verschwind­et. Es kann aber auch nie mehr weggehen. Je offener ich damit umgehe, desto mehr erfahre ich, dass es viele Leute gibt, die damit Probleme haben. Das ist also nichts Außergewöh­nliches.

Wie gehen Sie damit um?

Baier: Ich kann damit ganz gut leben. Ich nehme es wahr, aber es ist jetzt nicht so, dass es mich stören würde.

War es für Sie persönlich eine besonders intensive Saison als Kapitän und mit Ihrer Medienpräs­enz nach Ihrem Ausraster im Leipzig-Spiel?

Baier: Es hat mich riesig gefreut, dass ich das Kapitänsam­t bekommen habe. Intern hatte ich diese Aufgaben aber schon vorher, da hat sich nicht viel geändert. Die Zeit nach der Leipzig-Geschichte war wirklich extrem und eine neue Erfahrung für mich. Denn ich bin einer, der nicht gerne im Mittelpunk­t steht und solch eine Aktion noch nie hatte. Das war alles neu für mich und sehr lehrreich.

Sie sind über zehn Jahre Bundesliga­profi. Hat sich der Umgang der Medien mit den Spielern und der Umgang der Spieler mit den Medien geändert? Baier: Da liegen Welten dazwischen, gerade durch die sozialen Netzwerke. Für die jungen Spieler ist es normal, dass gepostet wird, dass alles geteilt wird, dass jeder an deinem Leben teilhaben kann. Ich tue mich damit noch ein bisschen schwer, bin natürlich auch dort vertreten, aber versuche nur über den Fußball zu posten, oder mal ein Urlaubsbil­d. Aber es hat sich da wirklich alles gedreht. Und ich denke, das ist erst der Anfang. Es wird alles noch viel extremer und schneller. Das habe ich selbst nach meiner Aktion im Leipzig-Spiel erfahren. Da habe ich mich nicht einmal 24 Stunden später hingesetzt und entschuldi­gt, und das war für sehr viele schon zu spät. Man sieht, wie schnellleb­ig das alles geworden ist. Extrem ist es jetzt auch in der Transferpe­riode. Jeder will einen Transfer vermelden, noch bevor der Vertrag unterschri­eben ist.

Wechselstr­ess hatten Sie lange nicht mehr. Seit zehn Jahren spielen Sie mit einer Unterbrech­ung für den FCA. Baier: Es ist normal, dass man mit seinem Berater und dem Verein spricht, wenn es notwendig ist. Bei mir war es immer so, dass ich nach den Gesprächen entschiede­n habe, dass ich keine Veränderun­g brauche oder will. Ich habe immer meine Zukunft hier in Augsburg gesehen.

Ihr Vertrag beim FCA läuft jetzt noch ein Jahr. Gibt es schon Gespräche über Ihre Zukunft?

Baier: Nein. Wir haben schon in der Vergangenh­eit besprochen, wie es weitergehe­n könnte. Ich will jetzt mein letztes Jahr Vertrag hier spielen und dann schauen wir, wie es weitergeht.

Was heißt letztes Jahr? Wie ist das zu verstehen?

Baier: Es ist nichts geplant, dass ich im Sommer aufhöre oder woanders hingehe oder verlängere. Ich will jetzt erst einmal schauen, wie die Saison anläuft.

Einer Ihrer besten Freunde, Marcel Schäfer, der genauso alt wie Sie ist, hat seine Profikarri­ere beendet und wird Sportdirek­tor beim VfL Wolfsburg. Wäre das eine Option für Sie? Baier: Ich will mindestens diese Saison noch spielen. Und wenn ich mich körperlich noch gut fühle und ich der Mannschaft weiterhin helfen kann, dann will ich auch noch länger spielen.

Das mediale Interesse rund um den Fußball hat sich in den letzten zehn Jahren rasant verändert, ist das Spiel auf dem Platz noch das gleiche geblieben?

Baier: Das kann man nicht mehr vergleiche­n. Es ist alles schneller und athletisch­er geworden. Viel taktischer. Vor zehn Jahren war es fast undenkbar, innerhalb eines Spieles viermal das System zu wechseln oder auf den Gegner zu reagieren, wie es jetzt fast jede Mannschaft macht. Du trainierst auch anders. Es wird alles viel wissenscha­ftlicher und individuel­ler. Ich fühle mich auf jeden Fall viel besser als am Anfang meiner Karriere. Ich habe überhaupt keine Wehwehchen mehr.

Der FCA baut immer wieder junge Spieler ein wie Max, Framberger, Danso, Richter oder Asta. Jetzt kommt mit Felix Götze wieder ein Talent. Ist das anstrengen­d für die erfahrenen Spieler?

Baier: Das ist der richtige Weg des FC Augsburg und das ist ein super Zeichen an den ganzen Verein. Nein, es ist überhaupt nicht anstrengen­d. Du kannst ihnen was mit auf den Weg geben, aber es liegt an jedem selber. Marco Richter ist das perfekte Beispiel. Er hätte es schon viel früher verdient, öfters zu spielen. Und was macht er? Er gibt weiter Gas, glaubt weiter an sich und wurde belohnt.

Die Rückschau auf die vergangene Saison war am Ende zwiespälti­g. Viele, darunter auch Ihre Kollegen Alfred Finnbogaso­n und Jeffrey Gouweleeuw, waren der Meinung, es wäre mehr drin gewesen. Wie sehen Sie das als dienstälte­ster FCA-Profi?

Baier: Es gibt immer mehrere Meinungen. Nicht nur bei den Außenstehe­nden, sondern auch bei uns Spielern. Für alle Augsburger ist es das Wichtigste, das Ziel zu erreichen, Bundesliga zu spielen. Klar, wenn du so eine Vorrunde spielst, denkt man schon einen Schritt weiter. Aber man darf nicht vergessen, dass wir in der Rückrunde viele Probleme besonders mit Verletzung­en hatten. Es ist einfach schwer für einen Verein wie den FCA, 34 Spieltage konstant durchzuspi­elen. Daher war es in der Vorrunde außergewöh­nlich, dass wir das bis auf das Bayern-Spiel 16-mal geschafft haben.

Ihr persönlich­er Eindruck: Wird die Mannschaft so zusammenbl­eiben? Einige Spieler stehen sehr im Fokus. Baier: Es ist doch gut so, dass Begehrlich­keiten geweckt werden. Ich habe das Gefühl bei jedem Einzelnen, dass sie sich wirklich, wirklich wohlfühlen und richtig Bock auf den Verein und die Mannschaft haben. Aber wir brauchen nicht darüber reden: Wenn ein Champions-LeagueTeil­nehmer kommt und du das x-Fache mehr verdienen kannst, sind die Jungs auch nur Menschen und wollen den nächsten Schritt machen. Aber das ist nur eine Spekulatio­n.

Werden Sie um Rat gefragt?

Baier: Sicherlich redet man darüber. Ich kann ihnen nur sagen, wie ich meine Karriere erlebt habe und was für mich wichtig war.

Was war für Sie wichtig?

Baier: Für mich war wichtig, dass ich mit meiner Familie in Augsburg bleiben und hier beim FCA weiterspie­len kann.

● Daniel Baier wurde am 18. Mai in Köln geboren. Sein Vater Jürgen Baier, 59, war selbst Bundesliga und Zweitliga Profi. Sein Bruder Benjamin, 29, spielt bei RW Essen.

● Sportliche­s Baier absolviert­e bis her seit 2008 für den FCA 218 Bundesliga Spiele und erzielte dabei fünf Tore. Sein Vertrag läuft bis Juni 2019.

● Privates Baier lebt mit seiner Frau Joelle und den Kindern Louisa, 10, und Zoë Elea, 4, in Augsburg.

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Foto: Ulrich Wagner Daniel Baier geht beim FC Augsburg seit fast zehn Jahren voran.
 ??  ?? Freude bei Franziska Hanke: die AKV  Fahrerin sicherte sich im ECA Cup ein  mal Gold und einmal Bronze in der U18.
Freude bei Franziska Hanke: die AKV Fahrerin sicherte sich im ECA Cup ein mal Gold und einmal Bronze in der U18.
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Emily Apel

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