Friedberger Allgemeine

Bitte nicht knibbeln!

Schorf bleibt besser da, wo er ist

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Auf viele Menschen übt er eine geradezu magische Anziehung aus: Schorf. Mancher möchte ihn wahnsinnig gern abknibbeln. Dabei fügt man sich damit selbst eine Verletzung zu – und macht alles noch viel schlimmer. Schorf hat nämlich zwei Funktionen: verteidige­n und reparieren. Wird die Schutzbarr­iere des Körpers – die Haut – verletzt, aktiviert der Organismus erst einmal das Immunsyste­m. Es kurbelt die Durchblutu­ng an, dadurch wird die Haut um die Wunde herum rot. „Zeitgleich werden die Gefäße unter der Haut durchlässi­ger“, erklärt Prof. Stefan W. Schneider von der Klinik für Dermatolog­ie und Venerologi­e am Universitä­tsklinikum Hamburg-Eppendorf. Aus den Gefäßen tritt dann eiweißhalt­iges Blutplasma aus. Dieses Plasma trocknet auf der Haut und bildet einen klebrigen, gelblichen Film. „Manchmal wird er mit Eiter verwechsel­t – es handelt sich aber um Schorf.“Nur wenn auch Blutgefäße verletzt wurden, mischen sich rote Blutkörper­chen unter die Flüssigkei­t und färben den Schorf rotbraun. Der klebrige Film dient eine Zeit lang als Wundauflag­e. Er ersetzt gewisserma­ßen das hochgezoge­ne Burgtor und schützt den Körper vor ungebetene­n Gästen, die sich permanent auf der Haut tummeln. Darunter kann die Haut in Ruhe repariert werden. Was also soll man tun? Möglichst gar nichts. „Der Mensch neigt zum Knibbeln“, sagt Schneider. Das sollte er aber unterlasse­n. Schorf klebt dank des Eiweißes auf der Wunde. Kratzt man ihn ab, reißt man eine neue Wunde – und öffnet Keimen Tür und Tor. Stattdesse­n kann man in der Regel auf den Körper vertrauen. Ist die Barriere wiederherg­estellt, das Burgtor also wieder verschloss­en, fällt der Schorf von alleine ab.

Wer schon weiß, dass er das Knibbeln nicht sein lassen kann, klebt am besten ein Pflaster auf die Wunde. Einzige Ausnahme von der Regel: „Ist eine tiefe Wunde verschorft, kann der Schorf selbst zum Nährboden für Keime werden. Bei chronische­n Wunden entfernt der Hautarzt daher eventuell den Schorf.“

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Foto: dpa Hilft gegen den „Knibbeltri­eb“: das gute alte Pflaster.

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