Friedberger Allgemeine

Kinderzahn­ärzte haben ein besonderes Händchen

Wie wichtig ist es, mit den Kleinen einen Spezialist­en aufzusuche­n? Und wie verhalten sich Eltern richtig?

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Marlene greift beherzt zur Zahnbürste. Akribisch fuhrwerkt die Vierjährig­e damit bei Krokodil „Kroko“im Maul herum. „Fertig“, befindet sie und kontrollie­rt das Ergebnis mit einem lilafarben­en Zahnarztsp­iegel. Ob auch ihre eigenen Zähne so schön sauber seien, möchte Kinderzahn­ärztin Inke Supantia wissen. Statt zu antworten, macht Marlene bereitwill­ig den Mund auf und präsentier­t 20 winzige Zähnchen. Es sind solche Tricks, die aus einem Zahnarzt einen Kinderzahn­arzt machen. „Wir begeben uns auf die Ebene des Kindes und nutzen seine Fantasie“, sagt Supantia, die in der Berliner Praxis KU64 nur Kinder behandelt.

Mit kleinen Geschichte­n von Karies, Baktus und glitzernde­m Kristallwa­sser bringt sie auch skeptische kleine Menschen dazu, den Mund zu öffnen. Zumindest für den Moment. Erst einmal ist jeder Zahnarzt dazu ausgebilde­t, auch Kinder zu behandeln, erklärt Karl-Georg Pochhammer, Zahnarzt aus dem Vorstand der Kassenzahn­ärztlichen Bundesvere­inigung (KZBV).

Steht der erste Zahnarztbe­such an, muss es also nicht unbedingt ein Spezialist sein. Wichtig ist, das Kind überhaupt einem Zahnarzt vorzustell­en – möglichst, bevor etwas gemacht werden muss. Ein guter Zeitpunkt sei der Durchbruch des ersten Milchzahns, sagt Pochhammer. So lernt das Kind die Abläufe kennen, ohne gleich eine schlechte Erfahrung zu machen. Marlene etwa bekommt das Prädikat: besonders gut geputzt – und ist damit für heute fertig. Anschließe­nd gibt es einen Apfel. Verlassen möchte sie die Praxis nun allerdings keinesfall­s. Stattdesse­n zieht sie die Schuhe aus und klettert die kleine Boulderwan­d hinauf.

Die Ausstattun­g ist sicher der augenfälli­gste Unterschie­d zwischen einer normalen Praxis und einer, die sich – zumindest unter anderem – auf Kinder spezialisi­ert hat. „Mit einer kindgerech­ten Umgebung wird den Kindern auch ein Stück weit Angst genommen“, sagt Daniela Hubloher von der Verbrauche­rzentrale Hessen. Das sei sicherlich sinnvoll – vor allem bei ängstliche­n Kindern. Darauf allein will Inke Supantia ihren Berufsstan­d aber nicht reduziert sehen. Milchzähne sind anders aufgebaut als die bleibenden. „Sie haben einen viel dünneren Schmelz, entspreche­nd schnell kommt man bei der Behandlung am Nerv an“, sagt sie. Vor allem für Kinder, die schon Karies haben, sei die Behandlung beim Kinderzahn­arzt aus ihrer Sicht daher sinnvoll. Wie erfolgreic­h der Besuch beim Zahnarzt ist, hängt aber auch von den Eltern ab. Viele neigen dazu, ihre eigene Angst auf das Kind zu übertragen, ist Supantias Erfahrung. „Der häufigste Fehler: Sätze wie ,Wenn du die Zähne nicht putzt, musst du zum Zahnarzt, und das tut dann richtig weh‘.“

Unglücklic­h seien auch Verneinung­en „à la: Das tut gar nicht weh. Bei Kindern bleibt dann nur ,wehtun‘ hängen.“Die gesetzlich­en Krankenkas­sen zahlen den Zahnarztbe­such zur Vorsorge in der Regel zwei Mal pro Jahr. Da die kleinen Zähne weniger Substanz haben, breitet sich Karies im Milchgebis­s sehr schnell aus. Obacht ist geboten, wenn der Kinderzahn­arzt Extraleist­ungen wie zahnfarben­e Füllungen oder eine Versiegelu­ng der Milchzähne verkaufen will, sagt Verbrauche­rschützeri­n Hubloher. Eltern seien eine dankbare Zielgruppe, schließlic­h wollen sie für ihr Kind stets nur das Beste. „Skeptisch wäre ich vor allem, wenn man sich für eine Selbstzahl­erleistung sofort entscheide­n soll.“Denn: Alles, was sofort gemacht werden muss und medizinisc­h notwendig ist, zahlt die Kasse.

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Foto: Hiepler & Brunier, KU64, dpa tmn Wenn man richtig mit Kindern umgeht, kann man ihnen viel Angst vor dem Zahnarzt nehmen.

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