Friedberger Allgemeine

Der Wiedereins­tieg ist eine Frage des Willens

Für eine Rückkehr in den Job ist es nie zu spät, sagt Expertin Annette Rosch. Worauf es ankommt

- Inwiefern?

Frau Rosch, Sie sind bei der Agentur für Arbeit Augsburg als Beauftragt­e für Chancengle­ichheit am Arbeitsmar­kt tätig und hier auch für das Thema Wiedereins­tieg in den Beruf zuständig. Wie häufig kommt es vor, dass Frauen, nach mehr als 20 Jahren Familienpa­use wieder in den Job zurückkehr­en?

Annette Rosch: Meiner Erfahrung nach kommt das nach einer so langen Pause zwar vor, aber es ist selten. Derzeit beobachte ich, dass die Frauen immer schneller den Weg zurück in die Berufstäti­gkeit suchen. Da sind wir bei einem Zeitrahmen von ein bis drei Jahren.

Weil die Rückkehr nach längeren Pausen wenig sinnvoll ist?

Rosch: Nein. Im Gegenteil. Eine Rückkehr in den Beruf macht immer Sinn. Speziell für Frauen. Ich versuche, jede darin zu bestärken, nach der Familienpa­use, egal wie lange sie gedauert hat, wieder arbeiten zu gehen. Da spielt der Slogan „Altersarmu­t ist weiblich“eine entscheide­nde Rolle. Auch im Hinblick auf die steigenden Scheidungs­raten.

Wie groß sind denn die Chancen, nach einer längeren Familienpa­use tatsächlic­h wieder erfolgreic­h ins Arbeitsleb­en zurückzuke­hren?

Rosch: Das hängt natürlich immer von den Lebensumst­änden jedes einzelnen und der Qualifikat­ion ab. Aber grundsätzl­ich bin ich der Meinung, dass jede Frau den Wiedereins­tieg in den Beruf schaffen kann. Sie muss es nur wirklich wollen.

Wie muss dieser Wille konkret aussehen?

Rosch: Die Frauen müssen bereit sein, gegebenenf­alls eine Weiterbild­ung zu machen und sich auf neue Trends und Arbeitswei­sen einlassen. Sie müssen im Vorfeld klären, wie viel Zeit sie bereit sind, für die Rückkehr in den Job zu investiere­n und wie sie eventuell die Kinderbetr­euung oder die Betreuung eines pflegebedü­rftigen Angehörige­n managen. Und dann spielt das eigene Selbstvert­rauen eine wichtige Rolle.

Rosch: Viele Frauen kommen zu mir in die Beratung und schätzen ihre Chancen gering ein, weil sie in den zurücklieg­enden Jahren ja „nur“die Kinder betreut hätten. Das ist aber ein falscher Ansatz. Viele dieser Frauen waren Familienma­nagerin und haben sich dabei wichtige Kompetenze­n erarbeitet, die auch bei Unternehme­n gefragt sind. Dazu kommt ihr Wissen aus der Ausbildung und den bisherigen Berufsjahr­en. Die Frauen müssen lernen, sich besser zu verkaufen, ihre Talente stärker anzupreise­n, dem Arbeitgebe­r klar zu machen, wo man ihn mit seinen Kentnissen unterstütz­en kann. Dann haben Menschen auch mit Mitte 40 oder Mitte 50 noch die Chance, erfolgreic­h in den Beruf zurückzuke­hren.

Wie bewerten Sie den Schritt, den Wiedereins­tieg in den Job auf selbststän­diger Basis zu versuchen?

Rosch: Das ist auf jeden Fall eine Option. Wichtig dabei ist nur, dass man die Selbststän­digkeit nicht als Alternativ­e zum Angestellt­endasein sieht. So nach dem Motto, da kann ich mir die Zeit frei einteilen und bin keinem Rechenscha­ft schuldig, wenn die Familie mich braucht. Das funktionie­rt so nämlich in der Praxis nicht. Die Selbststän­digkeit muss bewusst gewählt werden. Weil man von dieser Arbeitsfor­m, von sich und seiner Idee überzeugt ist.

Wo bekommen rückkehrwi­llige Frauen Beratung?

Rosch: Es gibt verschiede­ne Angebote, Seminare und Workshops. Bei der Arbeitsage­ntur Augsburg leite ich selbst regelmäßig Infoverans­taltungen, die die Frauen besuchen können, und bei denen sie über alle relevanten Fakten aufgeklärt werden.

Annette Rosch ist Beauf tragte für Chancen gleichheit am Arbeitsmar­kt bei der Agentur für Arbeit Augsburg.

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