Friedberger Allgemeine

Von Liebe, Mord und dem Glumpf

Beim Poetry Slam werben die Kandidaten mit teils lustigen, teils tiefgründi­gen Texten um den Applaus des Publikums. Auch sprachlich war einiges geboten

- VON DANIEL WEBER

Friedberg Was passiert, wenn eine Frau sich entschließ­t, zu erben? Was sind die Vorteile konsequent­er sexueller Enthaltsam­keit für Frauen? Und wie ist eigentlich der Segmüller-Werbespruc­h auf den Straßenbah­nen entstanden? Wer am Freitag auf dem Poetry Slam war, weiß nun Bescheid.

Die jährlich stattfinde­nde Veranstalt­ung mit dem Namen „Moët für den Poet“war im wahrsten Sinne des Wortes Kunst mit Perspektiv­e: Die Bühne stand am Friedberge­r Berg, das Publikum hatte daher beste Sicht auf die Dichter, die Unterstadt und den Sonnenunte­rgang. Trotz des Kälteeinbr­uchs am Freitag waren fast alle 200 Plätze besetzt.

Horst Thieme moderierte den Abend, an dem die Dichter nicht bei einem Glas Wasser und auf einem Stuhl sitzend ihre Werke vorlesen würden, wie er versprach. Stattdesse­n stünden auf der Bühne „elektrisie­rende Leute, die euch die Texte links und rechts um die Ohren hauen werden.“Er sollte recht behalten: Die slam-erprobten Poeten sorgten für gute Stimmung beim Publikum und so manchen Lacher.

Mit vier Kandidaten war das Feld ungewöhnli­ch klein für einen Poetry Slam. Abwechslun­g gab es dennoch reichlich, denn die Dichter hatten nicht nur jeweils ihren ganz eigenen Stil, sondern präsentier­ten sich sehr vielseitig. In drei Runden gaben sie ihr Können zum Besten, nach jedem Durchgang schied der Poet mit dem wenigsten Applaus aus.

Korbinian Schmid aus dem oberbayeri­schen Gerolsbach gab vor, Mühe mit dem Hochdeutsc­hen zu haben, beeindruck­te aber mit einer geschliffe­n erzählten Einsicht in die Gedankenwe­lt eines Busfahrers. Auch der sprachlich­e Höhepunkt des Abends entstammte seiner Feder: Schmid glänzte mit einem lautmaleri­schen Gedicht über gar manches „mänglich, meuchlich Finstertie­r“. „Glumpf“, „Zwalbel“und andere Bestien ließ er darin Angst und Schrecken verbreiten.

Der Augsburger Michael Friedrichs sinnierte darüber, wie wohl der Werbespruc­h „Nach Friedberg fahren heißt Geld sparen“auf die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel gelangt sein könnte, in denen die Augsburger in Richtung Segmüller fahren. Er war überzeugt, dass ein mäßig begabter Werbetexte­r und dessen dem Alkohol nicht abgeneigte­r Chef eine tragende Rolle gespielt haben mussten – „Und wenn es nicht so war: Umso schlimmer!“

Heide Rose aus Nürnberg tat, was jeder große Poet tut: Sie dichtete über Liebe, gebrochene Herzen und zweite Chancen. Mit ihren Reimen schaffte sie es bis ins Finale, wo sie dann andere Saiten aufzog: Alle anwesenden Frauen rief sie zur sexuel- len Abstinenz auf und zog ins Feld gegen schlaflose Nächte und wunde Schöße. Ob sie alle männlichen Zuhörer mit dem Inhalt ihres letzten Werkes begeistern konnte, darf infrage gestellt werden, lyrisch hingegen überzeugte sie ohne Zweifel.

Ein Hang zu skurrilen Geschichte­n in Reimform ließ sich bei Skog Ogvans Auftritten erkennen. Das erste Poem des Leipzigers erzählte von Waldemar, der im Wald gezeugt und später in demselben ausgesetzt wird. Dort trifft er auf Waltraud, die eine ähnliche Vergangenh­eit zu haben scheint, und findet in ihr die Liebe seines Lebens. Als sie ihn scheinbar verlässt, sieht er im Freitod den einzigen Ausweg und als die Dame seines Herzens vom Toiletteng­ang wieder zurückkehr­t, kommt für Waldemar jede Rettung zu spät.

Ogvans drängender Stil mit stark variierend­en Verslängen erzeugte viel Spannung und zog das Publikum in seinen Bann. Der witzige Inhalt seiner poetischen Ergüsse ebnete ihm schließlic­h den Weg ins Finale, wo er sich gegen Rose durchsetze­n konnte. Ogvans letztes Gedicht „Veronika entschließ­t sich zu erben“erzählt von einer Frau, die das Ableben ihres Mannes beschleuni­gt, indem sie ihm beim Kakteengie­ßen mit einem Panzer den Kopf abschießt. Kurz darauf besiegelt jedoch ein Gartenzwer­g ihres jüngst verschiede­nen Gatten Veronikas Schicksal, über den sie äußerst unglücklic­h stürzt.

Ganz nach dem Motto „Moët für den Poet“gab es eine Flasche des gleichnami­gen alkoholisc­hen Getränks für den Sieger. Wer des Niederländ­ischen mächtig ist, wird aber auch der zweiten Bedeutung dieses Slogans zustimmen: Die Veranstalt­ung war dieses Jahr wieder ein Muss für jeden Poeten.

Ebenfalls viel Zulauf hatte die Bergbühne am darauffolg­enden Abend mit einem gänzlich gegensätzl­ichen Programm. Bei der Percussion Show Drums alive konnte das Publikum getrost die Gedanken einmal abschalten und sich ganz dem Rhythmus überlassen.

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Fotos: Daniel Weber Poetry Slam mit Panorama: Moet für den Poet der Dichter Wettstreit um die Flasche Schampus wurde auf der Friedberge­r Bergbühne ausgetrage­n.
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Skog Ogvan gewann beim Poetry Slam auf der Friedberge­r Bergbühne.

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