Südkoreaner in Derching fiebern mit
Das Ehepaar Jeon wohnt seit mehreren Jahrzehnten in dem Friedberger Stadtteil und schätzt die gute Nachbarschaft. Mit München verbinden die beiden viel Spaß, aber auch viel Arbeit. Wie sie die WM verfolgen
Friedberg Derching Wenn sein Team am Mittwoch gegen die deutsche Nationalmannschaft antritt, dann rechnet Deok-Mun Jeon nicht mit einem Sieg. Er hofft aber, dass das südkoreanische Team vollen Einsatz zeigt und sich gut präsentiert. Zusammen mit Ehefrau Kye-Ok wird Jeon wieder vorm Fernseher im Wohnzimmer in Derching die Partie verfolgen. Eventuell zieht es das Paar auch zur Deutsch-Koreanischen Gesellschaft nach Augsburg, um dort mit anderen Landsleuten zusammen das Spiel anzuschauen.
Ihre Wurzeln haben die beiden in dem asiatischen Land, doch ihre Heimat ist seit mehreren Jahrzehnten woanders. Wenn Kye-Ok Jeon jemand fragt, wo sie herkommt, antwortet sie: „Aus Derching in Friedberg.“Immer wieder stutzen die Fragesteller dann. „Als ob sie etwas anderes erwartet hätten“, sagt die 65-Jährige und lacht.
Das Ehepaar sitzt an einem schattigen Platz im Garten vor ihrem Haus. Beide lachen gerne und viel, wenn sie erzählen. Seit 1984 leben sie hier. Doch Kye-Ok Jeon zog es bereits zwölf Jahre zuvor nach Deutschland. Heutzutage ist Südkorea eine etablierte Industrienation, doch damals ging es dem Land nicht gut. Also machte Kye-Ok Jeon sich auf, um in Deutschland als Pflegekraft Geld zu verdienen. „Ich war aber auch neugierig auf Europa“, sagt die 65-Jährige. Der Weggang von Südkorea sei die einzige Möglichkeit für sie gewesen, etwas von der Welt zu sehen.
Deok-Mun Jeon kam 1979 nach Deutschland. Zuvor hatte er Schiffsmotoren bei Hyundai montiert. Bei der MAN in Augsburg sollte er eine Fortbildung machen. Hier lernten die beiden sich kennen und mussten sich gleich wieder trennen. Deok-Mun Jeon hatte noch Verpflichtungen bei seinem Arbeitgeber in Asien. „Ich wollte, dass meine Frau nach Südkorea kommt, aber sie wollte Deutschland nicht verlassen“, sagt der 66-Jährige. Kye-Ok Jeon erklärt: „Das kam für mich nicht infrage. Ich fühlte mich hier wohl und wollte noch mehr von Europa sehen.“Also kehrte ihr Mann Anfang der 1980er-Jahre nach Deutschland zurück. Anfangs hatte er es schwer. Es dauerte zwei Jahre, bis er eine Arbeitserlaubnis erhielt. Dann kam er bei einer Spedition in Augsburg unter, später bei Tatonka in Dasing. Das Paar bekam zwei Töchter.
2006 orientierten sich die Jeons beruflich neu. Sie übernahmen in München einen Laden für asiatische Spezialitäten. „Wir haben viel Spaß gehabt“, sagt Kye-Ok Jeon. „Und viel gearbeitet“, fügt ihr Ehemann hinzu. An manchen Tagen verbrachten sie bis zu 16 Stunden in dem Laden in der Nähe des Goetheplatzes. Während er die Produkte aus Japan, Thailand und Korea verkaufte, kochte sie im angebauten Imbiss. Bald hatten die beiden zahlreiche Stammkunden. Kye-Ok Jeon sagt, dass viele jeden Mittag kamen, sie wurden fast zu Familienmitgliedern: egal ob Büroangestellte, Arbeiter, Studenten oder Schüler. Zu Hause in Derching waren die Nachbarn derweil eine wichtige Stütze. Sie passten zeitweise auf die Töchter auf oder schauten nach dem Garten der Jeons. „Wir verstehen uns alle sehr gut hier in Derching.“
2014 gaben die beiden das Geschäft dann auf. „Nicht, weil wir genug verdient haben, sondern weil wir gemerkt haben, dass Arbeit nicht alles im Leben ist“, sagt Kye- Ok Jeon. Nun nutzen die beiden lieber ihre Zeit, um sich um ihre Enkelkinder zu kümmern. Zudem spielt Deok-Mun Jeon seit Jahren leidenschaftlich Golf, inzwischen kommt seine Frau auch gerne mit.
Zurzeit verfolgen sie zudem mit Eifer die Weltmeisterschaft. Laut Deok-Mun Jeon ist Baseball eigentlich die beliebteste Sportart in Südkorea. Er habe sich aber schon immer mehr für Fußball interessiert. Gerne geht der 66-Jährige auch ins Stadion, wenn der FC Augsburg spielt. Dort hat er eine südkoreanische Fahne dabei, um Ja-Cheol Koo anzufeuern. „Wenn schon ein Landsmann im Team ist, dann muss man den auch unterstützen.“Der südkoreanische Mittelfeldspieler steht seit 2015 in Diensten des FCA. Zurzeit ist er auch einer der Stars der Nationalmannschaft in Moskau. Gerne erinnert sich das Paar an die WM in Südkorea und Japan im Jahr 2002. Damals holte ihr Team den vierten Platz.
Bei der WM in Deutschland 2006 waren die Jeons zudem in Leipzig, als Südkorea gegen Frankreich spielte. Zunächst zögerte das Paar. „Wir hatten ja den Laden und mussten am Montag wieder öffnen. Aber unsere Kinder haben gesagt, so eine Chance habt ihr nur einmal im Leben.“Also fuhr das Ehepaar los. Die Südkoreaner trotzten den Franzosen ein 1:1 ab. „Wir haben gefeiert, als ob sie Weltmeister geworden sind“, sagt Kye-Ok Jeon. Das Ehepaar hatte im Auto sichtbar eine Fahne drapiert. „Eigentlich hatten wir gesagt, dass wir die vor der Rückfahrt weghängen. Das haben wir dann aber natürlich nicht gemacht“, sagt sie und lacht.