Friedberger Allgemeine

Südkoreane­r in Derching fiebern mit

Das Ehepaar Jeon wohnt seit mehreren Jahrzehnte­n in dem Friedberge­r Stadtteil und schätzt die gute Nachbarsch­aft. Mit München verbinden die beiden viel Spaß, aber auch viel Arbeit. Wie sie die WM verfolgen

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Friedberg Derching Wenn sein Team am Mittwoch gegen die deutsche Nationalma­nnschaft antritt, dann rechnet Deok-Mun Jeon nicht mit einem Sieg. Er hofft aber, dass das südkoreani­sche Team vollen Einsatz zeigt und sich gut präsentier­t. Zusammen mit Ehefrau Kye-Ok wird Jeon wieder vorm Fernseher im Wohnzimmer in Derching die Partie verfolgen. Eventuell zieht es das Paar auch zur Deutsch-Koreanisch­en Gesellscha­ft nach Augsburg, um dort mit anderen Landsleute­n zusammen das Spiel anzuschaue­n.

Ihre Wurzeln haben die beiden in dem asiatische­n Land, doch ihre Heimat ist seit mehreren Jahrzehnte­n woanders. Wenn Kye-Ok Jeon jemand fragt, wo sie herkommt, antwortet sie: „Aus Derching in Friedberg.“Immer wieder stutzen die Fragestell­er dann. „Als ob sie etwas anderes erwartet hätten“, sagt die 65-Jährige und lacht.

Das Ehepaar sitzt an einem schattigen Platz im Garten vor ihrem Haus. Beide lachen gerne und viel, wenn sie erzählen. Seit 1984 leben sie hier. Doch Kye-Ok Jeon zog es bereits zwölf Jahre zuvor nach Deutschlan­d. Heutzutage ist Südkorea eine etablierte Industrien­ation, doch damals ging es dem Land nicht gut. Also machte Kye-Ok Jeon sich auf, um in Deutschlan­d als Pflegekraf­t Geld zu verdienen. „Ich war aber auch neugierig auf Europa“, sagt die 65-Jährige. Der Weggang von Südkorea sei die einzige Möglichkei­t für sie gewesen, etwas von der Welt zu sehen.

Deok-Mun Jeon kam 1979 nach Deutschlan­d. Zuvor hatte er Schiffsmot­oren bei Hyundai montiert. Bei der MAN in Augsburg sollte er eine Fortbildun­g machen. Hier lernten die beiden sich kennen und mussten sich gleich wieder trennen. Deok-Mun Jeon hatte noch Verpflicht­ungen bei seinem Arbeitgebe­r in Asien. „Ich wollte, dass meine Frau nach Südkorea kommt, aber sie wollte Deutschlan­d nicht verlassen“, sagt der 66-Jährige. Kye-Ok Jeon erklärt: „Das kam für mich nicht infrage. Ich fühlte mich hier wohl und wollte noch mehr von Europa sehen.“Also kehrte ihr Mann Anfang der 1980er-Jahre nach Deutschlan­d zurück. Anfangs hatte er es schwer. Es dauerte zwei Jahre, bis er eine Arbeitserl­aubnis erhielt. Dann kam er bei einer Spedition in Augsburg unter, später bei Tatonka in Dasing. Das Paar bekam zwei Töchter.

2006 orientiert­en sich die Jeons beruflich neu. Sie übernahmen in München einen Laden für asiatische Spezialitä­ten. „Wir haben viel Spaß gehabt“, sagt Kye-Ok Jeon. „Und viel gearbeitet“, fügt ihr Ehemann hinzu. An manchen Tagen verbrachte­n sie bis zu 16 Stunden in dem Laden in der Nähe des Goetheplat­zes. Während er die Produkte aus Japan, Thailand und Korea verkaufte, kochte sie im angebauten Imbiss. Bald hatten die beiden zahlreiche Stammkunde­n. Kye-Ok Jeon sagt, dass viele jeden Mittag kamen, sie wurden fast zu Familienmi­tgliedern: egal ob Büroangest­ellte, Arbeiter, Studenten oder Schüler. Zu Hause in Derching waren die Nachbarn derweil eine wichtige Stütze. Sie passten zeitweise auf die Töchter auf oder schauten nach dem Garten der Jeons. „Wir verstehen uns alle sehr gut hier in Derching.“

2014 gaben die beiden das Geschäft dann auf. „Nicht, weil wir genug verdient haben, sondern weil wir gemerkt haben, dass Arbeit nicht alles im Leben ist“, sagt Kye- Ok Jeon. Nun nutzen die beiden lieber ihre Zeit, um sich um ihre Enkelkinde­r zu kümmern. Zudem spielt Deok-Mun Jeon seit Jahren leidenscha­ftlich Golf, inzwischen kommt seine Frau auch gerne mit.

Zurzeit verfolgen sie zudem mit Eifer die Weltmeiste­rschaft. Laut Deok-Mun Jeon ist Baseball eigentlich die beliebtest­e Sportart in Südkorea. Er habe sich aber schon immer mehr für Fußball interessie­rt. Gerne geht der 66-Jährige auch ins Stadion, wenn der FC Augsburg spielt. Dort hat er eine südkoreani­sche Fahne dabei, um Ja-Cheol Koo anzufeuern. „Wenn schon ein Landsmann im Team ist, dann muss man den auch unterstütz­en.“Der südkoreani­sche Mittelfeld­spieler steht seit 2015 in Diensten des FCA. Zurzeit ist er auch einer der Stars der Nationalma­nnschaft in Moskau. Gerne erinnert sich das Paar an die WM in Südkorea und Japan im Jahr 2002. Damals holte ihr Team den vierten Platz.

Bei der WM in Deutschlan­d 2006 waren die Jeons zudem in Leipzig, als Südkorea gegen Frankreich spielte. Zunächst zögerte das Paar. „Wir hatten ja den Laden und mussten am Montag wieder öffnen. Aber unsere Kinder haben gesagt, so eine Chance habt ihr nur einmal im Leben.“Also fuhr das Ehepaar los. Die Südkoreane­r trotzten den Franzosen ein 1:1 ab. „Wir haben gefeiert, als ob sie Weltmeiste­r geworden sind“, sagt Kye-Ok Jeon. Das Ehepaar hatte im Auto sichtbar eine Fahne drapiert. „Eigentlich hatten wir gesagt, dass wir die vor der Rückfahrt weghängen. Das haben wir dann aber natürlich nicht gemacht“, sagt sie und lacht.

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 ?? Foto: Philipp Schröders ?? Kye Ok und Deok Mun Jeon leben schon lange in Derching und fühlen sich hier sehr wohl. Bei der Weltmeiste­rschaft fiebern sie aber mit der südkoreani­schen Nationalma­nn  schaft. 2006 haben sie ihr Team sogar im Stadion gesehen.
Foto: Philipp Schröders Kye Ok und Deok Mun Jeon leben schon lange in Derching und fühlen sich hier sehr wohl. Bei der Weltmeiste­rschaft fiebern sie aber mit der südkoreani­schen Nationalma­nn schaft. 2006 haben sie ihr Team sogar im Stadion gesehen.

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