Mehr Gelände wagen
So gut wie niemand macht es wirklich, aber würde es denn funktionieren? Mit einem SUV unterwegs abseits befestigter Straßen? Wir haben es mit einem Testwagen des weltgrößten Allrad-Herstellers einmal versucht
Eines haben all die Pseudo-Geländewagen da draußen gemeinsam: Im Gelände werden sie so gut wie nie bewegt. Selbst wenn der ein oder andere stolze Besitzer einmal Lust verspüren sollte, sein SUV abseits befestigter Straßen auszuführen, fehlen oft die passenden Strecken. Und kaputt machen möchte man sich den schicken Wagen wegen einer einzigen Exkursion in die Wildnis ja auch nicht.
Zu den wenigen spektakulären Naturstrecken in Europa, die SUVs fordern, aber nicht überfordern, gehört die Tour über den Colle delle Finestre. Der Gebirgspass rund 80 Kilometer westlich von Turin verspricht atemberaubende Aussichten, aber keine Abgründe, sowie Abenteuer, aber keine Albträume am Steuer. Die zweite Hälfte der rund 16 Kilometer langen, sich eng um die Felsen schlingenden Straße besteht aus Steinen, Schotter und Erde – ein SUV-Spielplatz im idyllischen Piemont, auf dem nicht wirklich viel passieren kann.
Wir nahmen die Passage im Naturschutzgebiet des Parco naturale Orsiera mit einem Subaru Outback unter die Räder. Dieser SUV, der mehr wie ein hochhackiger Kombi wirkt, bringt die wichtigsten Voraussetzungen mit: einen permanenten Allradantrieb, eine auf 20 Zentimeter gewachsene Bodenfreiheit, einen robusten Unterfahrschutz. Und keine allzu langen Überhänge, welche die Fähigkeit des Wagens einschränken würden, steilere Böschungen zu bewältigen.
Hohe Steuerkünste sind offroad mit dem Subaru nicht nötig, vor allem dann, wenn man die X-ModeTaste gedrückt hat. Die dahinterstehende Elektronik erlaubt es, das Gas noch feiner zu dosieren und noch mehr Traktion auf alle vier Räder zu verteilen. Dank der besonders steifen Karosserie, die sich selbst von einem in der Luft hängenden Rad nicht aus der Ruhe bringen lässt, meistert das Auto alle Herausforderungen, ohne sich zu verwinden oder gar Knarzgeräusche von sich zu geben. So muss das sein. Die Ka-
rosseriesteifigkeit ist für den Einsatz im Gelände viel entscheidender, als der Laie glaubt.
Zurück auf Asphalt darf der Subaru seine Alltagsqualitäten unter Beweis stellen. In Deutschland und Europa tut er das übrigens selten genug. Hier fristet der japanische Hersteller ein Nischendasein; gerade einmal 1000 Outbacks sollen in diesem Jahr hierzulande an den Mann
werden. Bestseller mit mehr als drei Mal so viel Stückzahlen ist der Forester (ab 25 900 Euro), tatsächlich das Förster-Auto und damit der Subaru-Geländegänger schlechthin. Und dann gibt es noch den kompakten Subaru XV (ab 22 980 Euro), der den europäischen Mainstream derzeit wohl am besten trifft. Paradox: Er besitzt dank kürzerer Überhänge eigentlich bessere Geländewagen-Gene als der Outback, wurde aber ganz klar als CitySUV positioniert.
Anders als hierzulande ist Subaru in den USA eine große Nummer. Der Erfolg in Übersee bringt der Marke auch den Titel „größter Allradhersteller der Welt“ein. Ein Subaru ohne 4x4 existiert nicht. Die Amis schätzen die Autos jedoch nicht so sehr wegen ihrer Offroadgebracht Tauglichkeit, sondern weil sie auf der Langstrecke als unkaputtbar gelten. Sogar auf das unvermeidliche, Subaru-typische CVT-Getriebe stehen die Kunden in den USA. In Europa wird das eigentlich stufenlose Getriebe, bei dem die Leistung der Drehzahl immer ein wenig hinterherzuhinken scheint, mitunter skeptisch gesehen.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Subaru dagegen dürfte dies- wie jenseits des Großen Teichs auf Zustimmung stoßen. Es sollte sich im 2018er-Modell des Outbacks nochmals verbessert haben – etwa dank neuer Sicherheitsassistenten, die vor Querverkehr oder Fahrzeugen im toten Winkel warnen. Allrad, CVTGetriebe und digitale Helferlein sind grundsätzlich an Bord.
Los geht es ab 36900 Euro. Zu diesem Preis ist unter anderem Smartphone-Konnektivität via Apple Car Play oder Android Auto integriert. Die Variante „Comfort“für 39 400 Euro bietet zusätzliche Annehmlichkeiten wie Navi oder Schiebedach. Und das Spitzenmodell „Sport“(41300 Euro), dem die Japaner die größten Absatzchancen zutrauen, lässt mit Ledersitzen und einer Harman-Kardon-Soundanlage keine Wünsche mehr offen.
Die Motoren-„Wahl“ist schnell erledigt. Es gibt nur den einen 2,5 Liter großen Boxermotor, auch so eine Subaru-Spezialität. Er erfüllt die Euro 6d temp Norm und konsumiert der Norm nach 7,3 Liter Super. Seine 175 PS wirken keine Wunder, zumal das CVT-Getriebe einen Gutteil der Leistung verschluckt. Dass der Motor beim Gasgeben tüchtig aufheult, aber die Power zunächst ausbleibt, verstärkt das Gummiband-Gefühl.
Auf der 2178 Meter hohen Passhöhe des Colle delle Finestre genießt man lieber die Ruhe, bevor es auf der Strada dell’ Assietta zurück ins Tal geht. Unterm Strich doch ganz spannend, was so ein SUV kann, wenn er will! Wahre Bewunderung verdienen allerdings die Sportler, die den Pass auf dem Fahrrad bezwungen haben. Im Mai kamen sogar die Profis durch, im Rahmen des Giro d’Italia.