Flogen bei Streit mit Nachbarn Holzscheite?
Zwei Familien im Clinch: Zeugen verwickeln sich vor Gericht in Widersprüche
Aichach Eine Geduldsprobe war es fürs Gericht, die Zeugen in einem Nachbarschaftsstreit zu vernehmen. In dessen Verlauf soll der 45-jährige Angeklagte zwei Holzscheite in Richtung seines 57-jährigen Nachbarn geworfen haben. Der hatte davon nichts mitbekommen, war aber von einem anderen Nachbarn darauf aufmerksam gemacht worden. Nach eineinhalb Stunden Verhandlung war klar, dass nichts klar war.
Die Anklage klang einfach: Gegen 23 Uhr soll der Angeklagte zwei 30 Zentimeter große Holzscheite nach seinem Nachbarn geworfen haben – mit der Absicht, ihn zu treffen. Deshalb hatte der 45-Jährige wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung einen Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 9600 Euro erhalten. Gegen diesen legte er Einspruch ein, weshalb die Sache nun vor Gericht verhandelt wurde. Seine Aussage: „Ich habe das Holzscheit nicht geworfen.“Danach fing es an, undurchsichtig zu werden. Wie der Angeklagte sagte, sei er im Garten gewesen, um eine Marderfalle zu kontrollieren. Dann sei der Nachbar gekommen und habe eine Art Verhör darüber geführt, warum er sich im Garten aufhalte. „Wir sind laut geworden“, gab der Angeklagte zu. Was einen weiteren Nachbarn, einen 47-Jährigen, auf den Plan rief.
Mit jenem scheinen der Angeklagte und seine Familie schon länger über Kreuz zu sein. Unter anderem hatte er von dem 47-Jährigen Abmahnungen erhalten, weil er Leute beleidigen und fotografieren solle. Auch habe dieser Nachbar eine Videokamera installiert, mit der er seinen Garten überblicken könne, so der Angeklagte. Nach dem angeblichen Vorfall mit dem Holzscheit eröffneten Frau und Tochter des 47-Jährigen ein Gewaltschutzverfahren gegen ihn.
An jenem Abend feierte die Familie des 47-Jährigen einen Geburtstag, woraufhin der Angeklagte wegen Ruhestörung die Polizei rief. Die Beamten konnten keine Ruhestörung feststellen, erfuhren aber unter anderem von der Videokamera und den Holzscheiten.
Vor Gericht erwies es sich als unmöglich, den Tathergang zu rekonstruieren. Die Marderfalle spielte kaum eine Rolle. Dafür die Tochter des 47-Jährigen, die nach Aussage des 57-jährigen Nachbarn in einer Ecke des Gartens gestanden und einen Schatten bemerkt hatte. Als sie schrie, sei er zu ihr hingelaufen und habe den 47-Jährigen hinter einem Busch stehend gefunden, so der 57-Jährige. Der 47-Jährige sagte aus, seine Tochter sei ins Haus gelaufen gekommen und habe erzählt, dass der Angeklagte im Garten stehe und Fotos mache. Als er hinausging, habe er „eine Bewegung wahrgenommen und es hat klack gemacht“, sagte er aus. Dann sah er die beiden Holzscheite liegen. Bei der Polizei hatte er gesagt, er habe einen Arm gesehen, der das Holzscheit in Richtung des 57-Jährigen warf. Der hatte davon zwar weder etwas gesehen noch gehört, glaubte aber seinem Nachbarn, dass die Holzscheite, die auf der Treppe lagen, nach ihm geworfen worden waren.
Angesichts der vielen Widersprüche plädierte Staatsanwältin Katharina Horn schlussendlich für Freispruch. Dem schlossen sich der Verteidiger Stefan Reinecke und Richter Walter Hell an.