Die Tomate ist ihr Souvenir
Auf ihren Reisen rund um den Erdball sammelt Inge Kastenhofer Samen. Nicht alle Sorten bekommen einen Platz in ihrem Garten. Wonach sie auswählt
Affing Eine Schüssel voll von prallen, reifen Früchten steht auf dem Küchentisch. Keine Tomate gleicht der anderen, jedes Stück sieht anders aus. „Harte Schale, süßes Fleisch: Die kleine Orangefarbene ist besonders gut“, schwärmt Inge Kastenhofer. Zwar könne sie sich nicht an den Namen erinnern. Wohl aber daran, dass sie die Frucht von einer Bekannten bekommen hat.
Die pensionierte Lehrerin pflegt ein außergewöhnliches Hobby. Sie sammelt Tomaten. Genau genommen sind es die Samen, die es der Mitsechzigerin angetan haben. Inzwischen betreibt sie ihre Leidenschaft seit gut 20 Jahren. Angefangen hat alles in Mindelheim. „Meine damalige Vermieterin zog die Tomaten selbst“, erinnert sich Kastenhofer. Von zuhause habe sie das Prozedere nicht gekannt. „Meine Mutter hat die Pflanzen gekauft.“Doch von eben dieser Vermieterin bekam die junge Inge ihren ersten Steckling geschenkt. Dieser Steckling ging ein. „Ich hatte ihn in ein Beet gepflanzt. Dort war es viel zu feucht“, erklärt sie das Missgeschick. „Erst als wir sie an die Hauswand gepflanzt haben, sind die Tomaten geworden.“Das war ihre erste Lektion: Tomaten mögen es wind- und regengeschützt.
Zusammen mit Ehemann Franz lebt Inge Kastenhofer heute in Affing, wo sie mehrere Sorten kultiviert. „Es sind in etwa acht“, berichtet sie. Ein Streifzug durch den Garten erinnert an eine kleine Weltreise: Hier gedeihen amerikanische Tomaten, dort drüben wachsen kroatische. Und gegenüber, unterm Dach, da werfen die italienischen Stauden Früchte ab. „Wenn ich irgendwo im Urlaub bin, nehme ich Samen mit“, sagt die Frau mit dem grünen Daumen. Es klingt fast nach einer Rechtfertigung.
Doch nicht jede Frucht kommt ihr in den Garten. „Ich suche sie nach ihrem Geschmack aus“, sagt die Affingerin. „Diejenigen, die uns gefallen, die ziehen wir nach.“Das gelingt allerdings nicht immer. Etwa bei Hybridtomaten, erläutert ihr Ehemann Franz. „Bei diesen Tomaten geht’s vielleicht einmal.“Eine zweite Nach- zucht bringe keinen Erfolg. Lektion zwei für Inge Kastenhofer: Finger weg von Hybriden.
Auch keine Herberge findet künftig die Ketchuptomate in Kastenhofers Garten. Mitgebracht hat die Familie die Samen der Frucht aus einem Urlaub in Italien. „Wir waren mit dem Fahrrad in der PoEbene unterwegs.“Die Tomate mit äußerst festem Fleisch wird – ähnlich den Kartoffeln – auf dem Feld angebaut. „Ich dachte: wie praktisch. Dann muss ich die Stauden nicht hochbinden“, so die ehemalige Lehrerin. Pustekuchen. „Die bauen wir nicht mehr an. Da fehlt der Geschmack.“
Bewährt hat sich dafür eine andere: die georgische. „Wir waren zwei Mal im Osten, einmal in Polen und einmal in Georgien“, erzählt die Hobby-Gärtnerin. Dort hat das Paar einen einheimischen Markt besucht, wo es ein Meer aus Gemüse- und Kräuterständen gab. „Und es gab Tomatensamen. Da konnte ich nicht widerstehen“, sagt Inge Kastenhofer und lacht.
Als eine ebenso gute Sorte hat sich die russische Tomate entpuppt. „Wir haben sie von einer Bäuerin am Bodensee, die die Tomate wiederum von einer Russin bekommen hat.“Oft wiege ein Exemplar um die 400 Gramm. „Die schwerste hatte aber 780.“Fleischtomaten wie diese eigneten sich gut für Suppen oder Eintöpfe, findet die Pensionärin. „Ich ziehe sie seit 15 Jahren immer wieder nach.“Auch verschenke sie die Tomate gerne an Bekannte. „Da ist sie sehr begehrt“, weiß Inge Kastenhofer. Womit wir bei Lektion drei angekommen wären: Tomaten aus dem Osten sind besonders lecker.
„Die bauen wir nicht mehr an. Da fehlt der Geschmack.“Inge Kastenhofer