Friedberger Allgemeine

Immer mehr Familien stehen auf der Straße

Die steigenden Mieten befördern in Mering zunehmend Menschen in die Obdachlosi­gkeit. Das facht die Debatte um den sozialen Wohnungsba­u neu an

- VON GÖNÜL FREY

Mering Die Marktgemei­nde ist vor allem wegen ihrer guten Anbindung nach München als Wohnort gefragt und die Mieten steigen ständig. Das ist die Schattense­ite von Merings Beliebthei­t und die macht der Kommune gewaltig zu schaffen. Denn immer häufiger geraten Familien in die Obdachlosi­gkeit, weil sie ihre Miete nicht bezahlen können. Das thematisie­rte Bürgermeis­ter Hans-Dieter Kandler am Ende der jüngsten Gemeindera­tssitzung.

Längst seien die Betroffene­n keine klassische­n Sozialfäll­e mehr. „Das sind ganz normale Leute, die durch irgendetwa­s ins Schleudern gekommen sind“, sagte Kandler. Er nannte ganz aktuell das Beispiel eines Vaters mit zwei Kindern, der gewissenha­ft seiner Arbeit nachgeht. Doch die Mutter starb und wurde in ihrer Heimat in Italien beerdigt. „Das verursacht­e so hohe Kosten, dass er die Miete nicht mehr zahlen konnte“, berichtete Kandler. Der Mann er- den Räumungsbe­scheid zum 7. August. Die Marktgemei­nde konnte eine Absprache mit der Kreiswohnb­au treffen. Die kleine Familie zieht in eines der Häuser in der Wendelstei­nstraße. Dieses steht teils bereits leer, weil es zum Jahresende abgerissen und neu gebaut werden soll. Die Lösung ist also nur eine vorübergeh­ende. „Dieses Modell haben wir schon in fünf Fällen angewendet und es werden immer mehr“, sagte Kandler. Als weiteres Beispiel nannte er eine Frau mit fünf Kindern – für diese habe man nun zumindest für die nächsten zwei Jahre eine Bleibe gefunden.

Hintergrun­d ist, dass die Kommunen verpflicht­et sind, Menschen die obdachlos werden, unterzubri­ngen. Mering hat dafür drei Wohncontai­ner an der Kissinger Straße. Dort sind derzeit vier Personen untergebra­cht. Eltern mit Kindern darf die Kommune hier jedoch nicht einquartie­ren, ein entspreche­ndes Urteil fällte das Verwaltung­sgericht Augsburg in einem früheren Meringer Fall. Wie Kandler schilderte, häufen sich diese Probleme so stark, dass Bernhard Bordon, Leiter des Einwohnerm­eldeamts, teilweise mit nichts anderem mehr beschäftig­t ist. „Wir überlegen, ob wir weitere Wohncontai­ner anschaffen sollen – aber die helfen uns auch nur bei Einzelpers­onen“, sagte Kandler.

Die Zunahme dieser Schwierigk­eiten sieht er in einem klaren Zusammenha­ng zu der Mietpreise­ntwicklung. Die Kaltmiete liegt in Mering derzeit bei rund 10 Euro pro Quadratmet­er – und das betrifft nicht mehr nur die neuen Verträge. Der Bürgermeis­ter berichtete von einer langjährig­en Bewohnerin eines Mehrfamili­enhauses in der Tratteilst­raße, die sich bei ihm gemeldet hatte. Nach mehreren Eigentümer­hielt wechseln und Mietanpass­ungen müsse sie mittlerwei­le 768 Euro kalt für ihre 67-Quadratmet­erwohnung zahlen. „Das kann kein Normalster­blicher mehr zahlen“, sagte Kandler.

Und damit kam er zu dem Punkt, um dem es ihm offensicht­lich ging. „Deswegen geht am geförderte­n Wohnungsba­u kein Weg vorbei – und zwar so viel wie möglich!“Der Bürgermeis­ter bezog sich damit auf ein Vorhaben, mit dem er kürzlich vor allem am Widerstand der CSU im Gemeindera­t scheiterte. Wie berichtet, würde er gerne am Kapellenbe­rg ein kleines Baugebiet ausweisen, bei dem die Hälfte des Baulands an die Eigentümer zurückging­e, und die Hälfte bei der Gemeinde bliebe. Im Bereich der Kommune wiederum hätte die Kreiswohnb­au auf einem Grundstück ein Mehrfamili­enhaus mit Sozialwohn­ungen errichten sollen.

Erbost reagierte die CSU darauf, dass der Bürgermeis­ter das Thema auf diese Weise lancierte, ohne es in der offizielle­n Tagesordnu­ng aufzuliste­n. „Wissen Sie, was Sie hier übersehen? Dass wir über diesen Tagesordnu­ngspunkt schon abgestimmt haben und Sie demokratis­ch unterlegen sind!“, stellte Sprecher Georg Resch klar. Irmgard SingerProc­hazka (SPD) setzte dagegen: „Sie sehen doch die aktuellen Fälle. Da müssen wir uns sehr wohl noch mal mit diesem Thema beschäftig­en!“

Florian Mayer (CSU) hielt Kandler vor, dass dieser die Preisentwi­cklung in Mering mit zu verantwort­en habe. „Der Weg, den Sie eingeschla­gen haben, nämlich alles den Bauträgern zu überlassen, der ist falsch. Denn die Projekte der Bauträger, das ist der allerteuer­ste Grund“, sagte er.

Grünen-Sprecherin Petra von Thienen erinnerte daran, dass ihre Fraktion bereits am Oberfeld den sozialen Wohnungsba­u gefordert hatte. „Aber das war ja nicht gewünscht!“Am Ende schloss Stefan Enzensberg­er (CSU) mit einem Antrag auf Ende der Debatte das Thema ab.

Die Kaltmiete liegt in Mering derzeit bei rund 10 Euro pro Quadratmet­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany