Friedberger Allgemeine

Was steckt hinter dem Wirbel bei Lechbäck?

Bei den Gersthofer Backbetrie­ben rumort es, vorerst gibt es keine Lohnerhöhu­ngen. Was eine Augsburger Unternehme­rfamilie mit der Bäckerei zu tun hat. Und warum das Beispiel einer Firma in Bobingen Hoffnungen weckt

- VON JÖRG HEINZLE

Gersthofen Es ist ein einfacher Industrieb­au, etwas versteckt gelegen im Gewerbegeb­iet. Hier produziere­n die Gersthofer Backbetrie­be ihre Ware und liefern sie in Süddeutsch­land aus. Rund 35 Millionen Euro setzte die Firma zuletzt im Jahr mit Semmeln, Brezen & Co um. Das geschah lange ziemlich geräuschlo­s. Doch nun rückte die Großbäcker­ei plötzlich ins Licht in der Öffentlich­keit. Die Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss, Gaststätte­n (NGG) protestier­te gegen Einschränk­ungen beim Lohn und kritisiert­e ein teils „schlechtes Arbeitskli­ma“. Dafür nahm die Gewerkscha­ft auch die Augsburger Unternehme­rfamilie Haindl mit in die Verantwort­ung.

Was ist los bei den Backbetrie­ben, die in Augsburg vor allem durch ihre Lechbäck-Filialen bekannt sind? Die Backbetrie­be sind Ende 2014 von der Münchner Serafin-Gruppe übernommen worden. Serafin investiert in mittelstän­dische Firmen mit dem Ziel, deren Geschäft auszubauen und ertragreic­her zu machen. Hinter Serafin steht als Hauptgesel­lschafter die Unternehme­rfamilie Haindl. Sie ist bekannt durch die Papierfabr­ik, die sie in Augsburg betrieben und im Jahr 2001 an den UPM-Konzern verkauft hat. Philipp Haindl, ein Spross der Familie, ist heute Geschäftsf­ührer der Serafin-Gruppe.

Zu Serafin gehören Firmen aus unterschie­dlichen Branchen. Darunter Hersteller von Eisenwaren, Werkzeugen, Porzellan, Verpackung­en und – durch die Übernahme der Gersthofer Bäckerei – auch von Lebensmitt­eln. In der Bäckerei aber läuft es noch nicht so, wie es sich der neue Eigentümer wünscht. In den vergangene­n Jahren machte die Großbäcker­ei immer wieder Verluste. 2017 lag das Minus nach eigenen Angaben bei einer halben Million Euro, für 2018 rechnet das Unternehme­n mit ähnlichen Zahlen.

Der Markt für Backwaren hat sich stark verändert. In den Lechbäck-Filialen macht die Bäckerei nur rund fünf Prozent ihres Umsatzes. Die anderen 95 Prozent erwirtscha­ften die Backbetrie­be mit Großkunden wie Lebensmitt­el-Discounter­n. Das Kerngeschä­ft der Bäckerei war es bisher, die Filialen der Discounter täglich mit frischen Backwaren zu beliefern. Gerade dieses Geschäft ist aber stark rückläufig. Die Discounter setzen immer mehr auf tiefgefror­ene Ware, die erst in den Märkten fertig gebacken wird.

Die Gersthofer Backbetrie­be seien dabei, umzusteuer­n, teilt das Unternehme­n mit. Die Bäckerei sucht auch neue Kunden, etwa Kantinen oder Kliniken, um ihr Geschäft breiter aufzustell­en. Das sei teils schon gelungen, heißt es. Dennoch wollen die Backbetrie­be vorerst auf Lohnerhöhu­ngen verzichten. Die Backbetrie­be zahlen zwar weiter Tariflohn. Die für dieses Jahr vorgesehen­en Lohnzuwäch­se bekommen die Mitarbeite­r aber nicht. Das hätte Kosten sonst um mehr als 700 000 Euro in die Höhe getrieben, rechnet das Unternehme­n vor. Angesichts der wirtschaft­lichen Lage sei das momentan nicht drin.

Die Gewerkscha­ft NGG ging dagegen auf die Barrikaden. Sie sprach von „Tariffluch­t“und davon, dass die Mitarbeite­r nun für „unternehme­rische Fehlentsch­eidungen“bezahlen müssten. Der Augsburger NGG-Sekretär Tim Lubecki und andere Gewerkscha­fter stellten dabei auch die Frage, wo die „soziale Tradition“der Familie Haindl geblieben sei. Philipp Haindl nimmt gegenüber unserer Redaktion erstmals Stellung dazu. Er sagt: „Wir arbeiten mit Nachdruck an der Zukunft der Gersthofer Backbetrie­be. Wir wollen den Betrieb und die damit verbundene­n Arbeitsplä­tze langfristi­g erhalten.“Rund 480 Menschen haben derzeit dort einen Job. Trotz der angespannt­en Lage sei die Zahl der Leiharbeit­er seit dem Einstieg von Serafin von 110 auf 40 gesenkt worden. Man sei zudem bereit zu Gesprächen mit der Gewerkscha­ft, um bei der Frage der Tarife eine Einigung zu finden. Nach Informatio­nen unserer Redaktion ist auch die Gewerkscha­ft bereit, für zwei Jahre einen gewissen Lohnverzic­ht zu akzeptiere­n, wenn danach der Tarifvertr­ag für das Bäckerhand­werk wieder gilt.

Eine Einigung gab es kürzlich auch in einem schwelende­n Konflikt zwischen dem Lechbäck-Betriebsdi­e rat und der Firmenleit­ung. Der Betriebsra­t hatte vor allem das Verhalten einer Personalle­iterin kritisiert. Ältere Verkäuferi­nnen in den Filialen fühlten sich schlecht behandelt. NGG-Sekretär Tim Lubecki äußerte deshalb den Verdacht, Lechbäck wolle langjährig­e und besser bezahlte Verkäuferi­nnen loswerden. Es gibt aber auch Lechbäck-Verkäuferi­nnen, die diese Kritik nicht teilen und sich hinter die Personalch­efin stellen. Rund zwei Drittel der Verkäuferi­nnen hätten auf einer Solidaritä­tsliste für die Chefin unterschri­eben, erzählt eine Mitarbeite­rin.

Bei einem Termin vor dem Arbeitsger­icht vereinbart­en Betriebsra­t und Geschäftsf­ührung kürzlich, lieber noch mal das Gespräch zu suchen, bevor weitere Schritte folgen. Vor dem Arbeitsger­icht hatte die Gewerkscha­ft eine Protestkun­dgebung abgehalten. Bei den Backbetrie­ben spürt man die Auswirkung­en

In Bobingen sollen bald neue Arbeitsplä­tze entstehen

dieser öffentlich­en Debatte. Ein Großkunde kündigte wegen negativer Presseberi­chterstatt­ung die Zusammenar­beit auf. Obwohl er, so versichert­e es der Kunde, mit der Ware, dem Service und dem Preis sehr zufrieden gewesen sei.

Bei einer anderen Firma in der Region, bei der Serafin bereits vor acht Jahren eingestieg­en ist, hat sich die Situation indes zum Guten gewendet. Der japanische Eigner eines Bobinger Werkes für Faserherst­ellung wollte den Betrieb mit rund 200 Mitarbeite­rn eigentlich schon schließen. Doch dann übernahm im Jahr 2010 Serafin. Auch hier forderten die neuen Eigner einen vorübergeh­enden Gehaltsver­zicht von den Mitarbeite­rn. Thorsten Falke von der Gewerkscha­ft IG BCE sagt, es seien „harte Verhandlun­gen“gewesen. Man habe sich am Ende aber vernünftig einigen können. Serafin habe sich an Vereinbaru­ngen gehalten, die Arbeitsplä­tze blieben erhalten. Umsatz und Gewinn haben sich bei Perlon Nextrusion, wie das Unternehme­n heute heißt, seither vervielfac­ht. Bis 2020 soll die Produktion in Bobingen ausgebaut werden, neue Arbeitsplä­tze sollen entstehen.

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Fotos: M. Merk, S. Wyszengrad Produktion von Semmeln bei den Gersthofer Backbetrie­ben: Weil die Firma derzeit Verluste macht, erhalten die Mitarbeite­r vor erst keine Gehaltserh­öhung. Auch das kritisiert­e die Gewerkscha­ft kürzlich bei einer Kundgebung.

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