Friedberger Allgemeine

Dem Schicksal ein Gesicht geben

Die Werbeagent­ur Grzabka Creative und die Stadt Friedberg lassen Flüchtling­e zu Wort kommen. Sie erzählen ihre Geschichte und ihre Erfahrunge­n in Deutschlan­d

- VON CHRISTINE HORNISCHER

Friedberg Sie mussten aus ihrer Heimat fliehen und sind in Deutschlan­d gestrandet. Über Flüchtling­e wird derzeit viel berichtet und diskutiert. Die Menschen selbst kommen nur selten zu Wort. „Meine Geschichte“war der Titel einer Veranstalt­ung, in der Flüchtling­e ihre ganz eigenen Geschichte­n in den Gasthof zur Linde nach Friedberg mitbrachte­n. Veranstalt­er war die Werbeagent­ur Grzabka Creative in Kooperatio­n mit der Stadt Friedberg und ihrer Asyl- und Integratio­nsbeauftra­gten Ulrike Proeller.

Organisato­r Wolfram Grzabka sagte zu Beginn: „Das Flüchtling­sthema beschäftig­t viele von uns, ich finde es wichtig, dass auch die Betroffene­n selber einmal zu Wort kommen.“Einige seien zu traumatisi­ert, um von ihren schrecklic­hen Erlebnisse­n zu berichten. Andere finden die Kraft, sie erzählen ihre Geschichte­n und geben dem abstrakten Begriff „Flüchtling­e“ein Gesicht.

Betreut werden sie von der Asylund Integratio­nsbeauftra­gten Ulrike Proeller. In Friedberg gibt es derzeit 400 Geflüchtet­e. Circa 250 Personen

„Wir tun doch alles, um uns zu integriere­n. Jetzt seid ihr dran.“Nour Mohamad Ghazi

sind bereits anerkannt, 154 weitere befinden sich noch in laufenden Asylverfah­ren, ist auf einer Karte zu lesen, die Wolfram Grzabka auf den Gasthof-Tischen ausgelegt hat. Drei von ihnen erzählten vor zwei Dutzend Zuhörern von ihrem Leben in den jeweiligen Heimatländ­ern, die Gründe für ihre Flucht, die Fluchterle­bnisse und ihr neues Leben in Deutschlan­d. Die Zuschauer erhielten Einblicke in das Leben der Flüchtling­e vor den Krisen in ihren Herkunftsl­ändern, wurden aber auch mit der brutalen Realität im Zusammenha­ng mit Verfolgung und Krieg konfrontie­rt.

So erzählte Rojin Mohammad aus Syrien, die mit ihrem Mann Abdulraham drei Kinder hat, dass sie hauptsächl­ich deswegen geflüchtet sind, weil sie ihren Kindern eine Schulbildu­ng mitgeben wollten. Das war in Syrien nicht möglich. Die 33-Jährige und ihr Mann nahmen den Tod im Meer in Kauf, um ihren Kindern das zu ermögliche­n, was für uns ganz normal ist: die Schule zu besuchen.

Zia Alibeg und seine Frau Fahima sind aus Afghanista­n geflüchtet. Bei der Flucht im Jahre 2012 hatten sie eine Tochter, die beiden anderen Kinder sind hier geboren. Zia erzählte von der islamische­n Taliban- die bei der Spaltung der Muslime in Schiiten und Sunniten kurzen Prozess macht: Bei allen Schiiten heißt es „Kopf ab“. Zia ist Schiit. Und dann berichtet er, wie der IS an junge Menschen für den Dschihad kommt. Da die meisten Menschen nichts zu essen haben und hungern, gehen die Terroriste­n zu kinderreic­hen Familien und sagen: „Ich gebe dir 50000 Euro für dein Kind.“Die eigenen Kinder verkaufen, um zu überleben – traurige Realität in Afghanista­n.

Nour Mohamad Ghazi aus Syrien, die aus einer Offiziersf­amilie stammt, beschrieb das Syrien, als im Februar 2011 die Proteste begannen und dann ein heilloser Bürgerkrie­g folgte. Die 19-Jährige erinnerte sich an „Menschen, die von heute auf morgen plötzlich verschwind­en“. Irgendwann war es zu viel. Ihre Familie floh. Seit 2015 ist Nour jetzt in Deutschlan­d, sie macht nächstes Jahr an der BOS ihr Abitur und will dann ein duales Studium beginnen. Ihre Schwester Bdour, die heute dabewegung, bei ist, wurde im Friedberge­r Bad einmal beschimpft, weil sie ein Kopftuch getragen hat. Nour ist traurig darüber und kann sich das nicht erklären: „Wir tun doch alles, um uns zu integriere­n. Jetzt seid ihr dran.“Ulrike Proeller stimmte dem zu und sagte, dass Veranstalt­ungen wie diese die Integratio­n und das Verständni­s fördern. Wolfram Grzabka war sehr zufrieden mit dem Verlauf des Nachmittag­s. „Gegenseiti­ges Kennenlern­en, um Grenzen abzubauen, tut not“, sagte er.

 ?? Foto: Christine Hornischer ?? Sie geben dem Schicksal der Flüchtling­e ein Gesicht: Wolfram Grzabka (links), Zia Alibeg und seine Frau Fahima, Rojin Mohammad, Ulrike Proeller und vorne kniend die Schwestern Nour und Bdour Mohamad Ghazi.
Foto: Christine Hornischer Sie geben dem Schicksal der Flüchtling­e ein Gesicht: Wolfram Grzabka (links), Zia Alibeg und seine Frau Fahima, Rojin Mohammad, Ulrike Proeller und vorne kniend die Schwestern Nour und Bdour Mohamad Ghazi.

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