Friedberger Allgemeine

Ankerzentr­um wird erweitert

Schwabens größte Flüchtling­sunterkunf­t in Donauwörth bekommt eine Zweigstell­e. Der „Anker-Chef“erklärt, warum man von der angestrebt­en Zentralisi­erung abweicht

- Interview: Michael Böhm

Kaum wird die Flüchtling­sunterkunf­t in Donauwörth zum Ankerzentr­um, rücken 250 Polizisten an. Gibt es da einen Zusammenha­ng?

Frank Kurtenbach: Nein, der Einsatz am Freitag hatte absolut nichts damit zu tun, dass wir jetzt eine Ankereinri­chtung sind. Das war die akute Reaktion der Polizei auf Hinweise, dass Bewohner gefährlich­e Gegenständ­e in ihren Zimmern gehortet haben sollen. Bei dieser Gelegenhei­t haben uns die Beamten geholfen, rund 30 gambische Bewohner in andere Zimmer zu verlegen, um Platz für türkische Familien zu machen, die zuletzt bei 37 Grad in einer Turnhalle schlafen mussten.

Dafür waren 250 Polizisten nötig? Kurtenbach: Wie viele Beamte eingesetzt werden, liegt in der Verantwort­ung der Polizei. Allerdings hat sich in der Vergangenh­eit gezeigt, dass derartige Einsätze reibungslo­ser über die Bühne gehen, wenn ausreichen­d Polizisten vor Ort sind. Das war auch am Freitag so. Es hat alles sehr gut funktionie­rt, die Polizei und wir hatten die Situation immer im Griff.

Das war nicht immer so … Kurtenbach: Das stimmt, es gab in der Vergangenh­eit Situatione­n, die eskaliert sind. Die Wanderung von mehr als 100 gambischen Flüchtling­en zum Donauwörth­er Bahnhof beispielsw­eise, woraufhin der Zugverkehr eingestell­t werden musste. Oder die Streitigke­iten bei der Taschengel­dausgabe, die ebenfalls zu einem größeren Polizeiein­satz geführt haben. Ganz auszuschli­eßen sind derartige Vorfälle nicht. Wir haben es hier oftmals mit Menschen zu tun, die nicht in Deutschlan­d bleiben dürfen und bei denen sich im Laufe der Monate ihres Asylverfah­rens Frust aufbaut. Es kann immer mal wieder passieren, dass sich dieser entlädt.

Diese Erkenntnis ist ja nicht neu. Wie reagieren Sie in Donauwörth darauf? Kurtenbach: Wir haben den Sicherheit­sdienst im März auf 20 Personen am Tag und 18 in der Nacht aufgestock­t, seit dem vergangene­n Freitag haben wir ihn kurzfristi­g um weitere 15 Sicherheit­sleute erhöht. Im Übrigen führen die Umwandlung zum Ankerzentr­um und die Ansiedlung der zuständige­n Behörden dazu, dass die Asylverfah­ren effiziente­r werden. Das bewirkt, dass Flüchtling­e schneller Gewissheit haben und die Einrichtun­g gegebenen- falls schneller verlassen können. Und als weiteren Punkt versuchen wir, die Zahl der in der Donauwörth­er Einrichtun­g lebenden Personen in Grenzen zu halten.

Das war zuletzt zwischen Stadt, Landkreis und Freistaat umstritten. Wie viele Flüchtling­e werden denn nun in Donauwörth untergebra­cht? Kurtenbach: In den Gebäuden der ehemaligen Alfred-Delp-Kaserne ist Platz für bis zu 1000 Menschen. Wir versuchen aber, die Grenze von 600 nicht dauerhaft zu überschrei­ten. Heute leben 613 Asylbewerb­er dort. Daher werden wir voraussich­tlich nächste Woche im Augsburger Stadtteil Inningen eine derzeit im Standby-Modus vorgehalte­ne Dependance eröffnen, in die zunächst etwa 50 Flüchtling­e einziehen sollen, um Donauwörth zu entlasten.

Widerspric­ht das nicht dem Grundgedan­ken des Ankerzentr­ums – in dem ja eigentlich alles so zentral wie möglich geschehen soll? Kurtenbach: Im Grunde haben Sie da recht, allerdings wollen wir nur solche Asylbewerb­er in die Dependance schicken, die das Asylverfah­ren im Wesentlich­en schon durchlaufe­n haben und eigentlich nur noch auf ihre Entscheidu­ng oder ihre Rückführun­g warten. Außerdem sollen Dependance­n verhindern, dass in Donauwörth zu dicht belegt wird.

Dependance­n? Also nicht nur eine? Kurtenbach: Wir haben vergangene Woche mitgeteilt bekommen, dass wir neben Asylbewerb­ern aus der Türkei und Gambia – sie machen derzeit 95 Prozent der Bewohner in Donauwörth aus – in den kommenden Monaten auch immer wieder Flüchtling­e aus Nigeria aufnehmen müssen. Daraufhin haben wir beschlosse­n, die Dependance in Augsburg zu eröffnen. Es kann durchaus sein, dass in Zukunft weitere Einrichtun­gen dieser Art in Schwaben dazu kommen.

Noch einmal kurz zurück zur Sicherheit in Donauwörth. Vor gut zwei Wochen wurde bekannt, dass Securitymi­tarbeiter Flüchtling­e eingesperr­t und den Freistaat betrogen haben sollen. Kurtenbach: Zu den laufenden Ermittlung­en kann ich nichts sagen. Allerdings haben wir sofort reagiert und von heute auf morgen die gesamte Sicherheit­sfirma ausgetausc­ht. Eine Firma aus dem Raum München ist glückliche­rweise kurzfristi­g eingesprun­gen und hat mit ihren Mitarbeite­rn den Sicherheit­sdienst für vorerst drei Monate übernommen. Die Kosten haben sich durch den Wechsel nicht wesentlich geändert.

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Foto: Fred Schöllhorn (Archiv) Die amerikanis­chen Astronaute­n (von links) Edgar Mitchell, Eugene Cernan, Joe Engle und Alan Shepard genossen im August 1970 in Nördlingen sichtlich das „German Weizenbeer“.
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Frank Kurtenbach

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