Friedberger Allgemeine

Ganz große Oper

In ihrem Urlaub taucht die Kanzlerin mal hier auf, mal da. Nur nicht dort, wo wir sie erwarten. Eine einzige Inszenieru­ng!

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Welt ist aus den Fugen geraten. Was einst alternativ­los erschien, steht plötzlich infrage. Und schuld daran ist – na klar – die Kanzlerin. Dabei war sie doch jahrelang eine verlässlic­he Größe. Immer im Sommer wurde sie in freier Wildbahn in den Südtiroler Bergen beobachtet. Murmeltier­artig. Verwackelt­e Fotos der mächtigste­n Frau der Republik im Sessellift gaben unserem Jahr Struktur. Wir wussten: Wenn Angela Merkel wandern geht, werden die Tage wieder kürzer. Doch jetzt bringt die Chefin alles durcheinan­der.

Wie aus dem Nichts taucht sie immer wieder auf – mal hier, mal da. Nur eben nicht dort. Also dort, wo wir sie vermuten. In den Bergen, wo Gatte Joachim Sauer diesmal alleine herumstief­eln musste. Merkel gibt dem Land Rätsel auf. Kritiker fürchten bereits den Ausverkauf traditione­ller Werte. Schließlic­h gehört es zum konservati­ven Markenkern, dass CDU-Kanzler im Urlaub keine Experiment­e machen (Siehe auch: Cadenabbia oder Wolfgangse­e). Sie erwarten Antworten. Doch die Kanzlerin schweigt. Und lauscht. Ihre Ferien sind eine einzige Inszenieru­ng.

Der erste Akt spielt Ende Juli auf einem grünen Hügel, hat aber nichts mit Wandern tun. Stichwort Lohengrin. Bei den Wagner-Festspiele­n ist die Welt noch ordentlich verfugt. Merkel lächelt, Merkel winkt, Merkel macht die Raute. Alles wie immer. Doch nach Bayreuth verliert sich tagelang ihre Spur. Erst zum zweiten Akt kehrt die kunstsinni­ge Kanzlerin auf die Bühne zurück. Schauplatz ist München. In der Staatsoper wird der Parsifal gespielt.

Und die Berge? Immerhin Joachim Sauer wird zwischendu­rch in seinem angestammt­en Südtiroler Sommerlebe­nsraum gesichtet – allerdings ohne seine Frau. Doch schon im dritten Akt kommt es zur Familienzu­sammenführ­ung mit Pauken und Trompeten in Salzburg. Eine wunderbare Inszenieru­ng. Also nicht Merkel/Sauer, sondern die Festspiele mit Tschaikows­ky.

Und nun fragen wir uns natürlich, wie dieser Musiksomme­r weitergehe­n soll. Einen ersten Hinweis gibt es: Am Wochenende will sich die Kanzlerin mit Spaniens Ministerpr­äsident Pedro Sánchez treffen. Dessen Urlaubsdom­izil befindet sich übrigens unweit von Sevilla. Zumindest Klassikfan­s werden jetzt aufhorchen. „Der Barbier von Sevilla“– Sie wissen schon ... Aber das ist ganz sicher Zufall. Bestimmt. Vielleicht.

In Merkels Kalender steht jedenfalls nicht nur das Gespräch mit dem spanischen Kollegen. Sie will sich auch einen Nationalpa­rk anschauen. Vielleicht gibt es also am Ende doch noch unser jährliches Kanzlerinn­enwanderbi­ldritual. Die Welt wäre wieder in Ordnung – und wir bereit für einen Schlussapp­laus.

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Foto: dpa Tschüss und weg. Aber wohin? Angela Merkel in Bayreuth.

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