Friedberger Allgemeine

Wie ein Wiener Klinik Projekt aus dem Ruder lief

Das Krankenhau­s Nord: Viel zu teuer, zu spät und jede Menge Skandale

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien. Was für Berlin das EndlosDram­a um den Willy-Brandt-Flughafen ist, ist für Wien – wenn auch in kleinerem Format – das Krankenhau­s Nord. Die 789-Betten-Klinik mit geplant 2000 Mitarbeite­rn sollte 2016 eröffnet werden. Jetzt hoffen die Wiener auf den Sommer 2019. Das Projekt wurde zum Debakel für den öffentlich­en Bauherren Krankenans­taltenverb­und (KAV): viel zu teuer, viel zu spät, viel zu viele Skandale.

Manche Fehler sind so absurd, dass man sich das Lachen kaum verkneifen kann, wären die Kosten nicht so hoch. Zum Beispiel die Zahlung von 95 000 Euro an einen Energetike­r, der eigentlich Autohändle­r ist. Er bekam den Auftrag, für die „energetisc­he Reinigung“des Krankenhau­ses und einen „Energiesch­utzring“zu sorgen, um zu verhindern, „dass negative Energien des Umfelds Einfluss auf das Haus und die Menschen nehmen“.

Als dieser Auftrag öffentlich wurde, mussten drei Verantwort­liche ihre Hüte nehmen, darunter eine ehemalige ärztliche Direktorin und Ex-Präsidenti­n des im Gesundheit­sministeri­um angesiedel­ten Obersten Sanitätsra­tes. Noch teurer kam den Steuerzahl­er der Bauzaun, für dessen Wartung sage und schreibe 839000 Euro ausgegeben wurden, obwohl der Zweitbiete­r nur 13 000 Euro verlangt hatte. Oder die 610000 Euro für einen Brunnen, der wegen Gefährdung durch Altlasten in der Nähe nie in Betrieb genommen werden kann.

Doch das sind nur Kinkerlitz­chen angesichts der riesigen Zeit- und Kostenüber­schreitung des Projektes insgesamt. 2012 hatten Wiens damaliger Bürgermeis­ter Michael Häupl und die damalige Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely, beide SPÖ, den Grundstein zum Krankenhau­s Nord gelegt. Damals ging die Stadt noch von 825 Millionen Euro und dem Vollbetrie­b ab 2016 aus. Inzwischen rechnet die Stadt mit 1,34 Mrd. Euro Kosten, die ÖVP-Opposition mit 1,6 Mrd. Mit rund 20 Unternehme­n wird noch über Rechnungen und Mehrkosten gestritten. Der Rechnungsh­of stellte 8000 Baumängel fest, die behoben werden müssen.

Ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Gemeindera­tes soll herausfind­en, wer für die Misswirtsc­haft – zumindest politisch – verantwort­lich ist. Hunderte von Zeugen sollen vorgeladen werden. Doch die Zeit ist knapp, schon im März 2019 muss die Arbeit des Ausschusse­s beendet sein. Bereits in den ersten Ausschusss­itzungen hat sich gezeigt, dass in der langen Planungs- und Bauzeit die Verantwort­lichen ständig wechselten. Vier Gesundheit­sstadträte waren dafür verantwort­lich. Unter der Stadträtin Wehsely wurde 2013 die gesamte Führung des KAV ausgetausc­ht. Der damals verabschie­dete KAV-Generaldir­ektor Wilhelm Marhold führt das Desaster darauf zurück, dass so entscheide­ndes Know-how verloren ging. „Dem Projekt wurde der Kopf abgeschlag­en“, so Marhold.

Sein Nachfolger wurde der Deutsche Udo Janßen, der inzwischen ebenfalls gehen musste. Ihn hatte Wehsely eingesetzt. Ihr wird vorgeworfe­n, autoritär agiert und die Planung und Umsetzung mit Sonderwüns­chen gestört zu haben. Wehsely ist mittlerwei­le bei Siemens in Erlangen untergekom­men. Der damalige Bürgermeis­ter Häupl ließ ihr freie Hand. Das wird dem Sozialdemo­kraten jetzt angekreide­t. Der amtierende Bürgermeis­ter Michael Ludwig und sein Gesundheit­sstadtrat waschen ihre Hände indessen in Unschuld.

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Foto: Imago Noch immer eine Baustelle: das Kran kenhaus Nord in Wien.

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