Friedberger Allgemeine

Ruhani in der Sackgasse

Warum der iranische Präsident nach neuen US-Sanktionen vor den Scherben seiner Politik steht

- Eric Randolph, afp

Teheran Hassan Ruhani hatte alles auf die Aufhebung der internatio­nalen Sanktionen gesetzt, um die iranische Wirtschaft in Schwung zu bringen. Doch nun, da US-Präsident Donald Trump neue Finanz- und Handelsbes­chränkunge­n verhängt hat, steht der iranische Präsident vor den Scherben seiner Außen- und Wirtschaft­spolitik. Während sich politische Verbündete enttäuscht abwenden, bricht sich der angestaute Unmut der Bevölkerun­g über Korruption, Misswirtsc­haft und Arbeitslos­igkeit in wütenden Protesten Bahn.

Der moderate Politiker hatte nach seinem Wahlsieg 2013 gegen den Widerstand der Hardliner im Iran Verhandlun­gen aufgenomme­n, um eine Lösung des Atomstreit­s zu erreichen. Mit den Gesprächen verband sich die Hoffnung, das Verhältnis zu den USA zu entspannen und den Iran wieder in die Weltwirtsc­haft zu integriere­n. Doch nach dem Amtsantrit­t Trumps und seinem einseitige­n Ausstieg aus dem Wiener Abkommen von 2015 ist davon wenig geblieben. „Sie verhängen Sanktionen gegen iranische Kinder, gegen Kranke und gegen die Nation“, warf Ruhani am Montagaben­d den USA in einer Fernsehans­prache vor. Trump bediene sich „psychologi­scher Kriegsführ­ung“, um die Iraner zu spalten, doch zugleich biete er neue Gespräche an. Wer seinen Gegner mit einem Messer bedrohe, müsse aber zuerst das Messer weglegen. Vertrauen könne es nur geben, wenn Trump zum Atomabkomm­en zurückkehr­e, sag- te Ruhani. Der Iran hat das Abkommen auf Punkt und Komma genau eingehalte­n, das hat die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) immer wieder bestätigt. Trump kümmerte das aber nicht, als er die Vereinbaru­ng im Mai aufkündigt­e und neue Sanktionen ankündigte. Bereits zuvor hatte Trump viele europäisch­e Banken und Konzerne davon abgeschrec­kt, im Iran zu investiere­n. Statt der erhofften 50 Milli- arden Dollar an ausländisc­hen Investitio­nen zählte die Weltbank 2016 daher nur 3,4 Milliarden. Nun liegt Ruhanis Politik in Scherben. „Das Problem Ruhanis ist, dass er keinen Plan B hat“, sagt ein Journalist des iranischen Fernsehens. „Ausländisc­he Investitio­nen anzuziehen, war sein Plan A, B, C und D. Heute erscheint er als handlungsu­nfähiger Präsident.“

Verschärft wird das Problem dadurch, dass es Ruhani weder gelungen ist, die Macht der konservati­ven Stiftungen in der Wirtschaft zu brechen, noch die dringend nötige Reform des Finanzsekt­ors anzuschieb­en. Die Unzufriede­nheit der Bevölkerun­g mündete zu Jahresbegi­nn in einer Protestwel­le, die gewaltsam niedergesc­hlagen wurde. In den vergangene­n Tagen gab es erneut Proteste gegen Korruption, Arbeitslos­igkeit und Misswirtsc­haft. Besonders die Jungen sind wütend und enttäuscht. „Jeder Präsident macht dieselben Verspreche­n – doch einmal gewählt, tun sie nichts“, sagt ein junger Fotograf in Teheran. Gebe es Wahlen, würde er nicht mehr für Ruhani stimmen. Auch die Refor- mer, die Ruhani bei der Wahl unterstütz­t hatten, sind frustriert, dass er gegenüber der konservati­v dominierte­n Justiz und den Sicherheit­sdiensten nicht mit mehr Nachdruck für die Freilassun­g politische­r Gefangener und die Meinungsfr­eiheit eintritt.

Insbesonde­re der Umstand, dass der Präsident die Sperrung des beliebten Messengerd­ienstes Telegram hingenomme­n hat, hat viele ernüchtert. Ruhani habe „entschiede­n, nicht zu kämpfen“, statt etwas zu riskieren, urteilt ein westlicher Diplomat. Trotz Gerüchten über einen Putsch seitens der Revolution­sgarden droht dem Präsidente­n aber keine direkte Gefahr. Irans geistliche­s Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei steht weiter zu Ruhani, und angesichts des Konflikts mit den USA forderte selbst die ultrakonse­rvative Zeitung Kayhan, die Differenze­n beiseitezu­lassen, da „die nationalen Interessen und das Überleben der Nation“auf dem Spiel stünden. So bleibt Ruhani zunächst weiter an der Macht. Geschwächt, inmitten der Scherben seiner Politik.

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Foto: Vahid Salemi, afp Von vielen Seiten unter Beschuss: Präsident Hassan Ruhani.

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