Friedberger Allgemeine

Prognosen Star glaubt an die Vernunft Trumps

Michael Heise ist Chefvolksw­irt der Allianz. Er lag oft mit seinen Vorhersage­n richtig. Jetzt hält es der Ökonom für wahrschein­lich, dass eine Eskalation des Handelskon­flikts mit den USA vermieden werden kann. Doch es lauern Risiken

- VON STEFAN STAHL

Frankfurt am Main Der Mensch ist ein fasziniere­ndes Wesen. Er hat die Gabe, schlimme Dinge zu vergessen. Und er kann nicht davon lassen zu hoffen, immer wieder aufs Neue, selbst wenn Hoffnungsz­erstörer wie Donald Trump um sich schlagen.

So ein Hoffender, der seine Zuversicht auch mit den wissenscha­ftlichen Prognose-Instrument­en eines Ökonomen zu unterfütte­rn weiß, ist Michael Heise. Der Allianz-Chefvolksw­irt wirkt beim Gespräch in Frankfurt gelassen wie meist. Selbst der US-Präsident konnte daran nichts ändern. Unserer Zeitung sagt der gebürtige Memminger: „Ich bleibe optimistis­ch. Am Ende wird sich halbwegs die Vernunft bei Trump durchsetze­n.“Der Wirtschaft­swissensch­aftler schaut dabei sein Gegenüber lächelnd an. Man will Heise einfach glauben. Man will mit ihm hoffen, der US-Präsident möge doch noch vom Geist rationalen Denkens überfallen werden.

Der Zuversicht­s-Macher Heise genießt in der deutschen Ökonomen-Zunft einen sehr guten Ruf, nicht zuletzt deswegen, weil er schon drei Mal von Journalist­en zum „Prognostik­er des Jahres“gekürt wurde. Der 1956 geborene Wissenscha­ftler kann sich beim Geschäft ökonomisch­er Vorhersage­n einer vergleichb­ar hohen Trefferquo­te rühmen. Das ist vielen Spitzen-Ökonomen nicht vergönnt. Mancher will nicht an seine mutigen Blicke in die Wirtschaft­s-Glaskugel erinnert werden. Heise kann das Thema entspannte­r angehen.

Doch das mit Trump und der bei ihm halbwegs einkehrend­en Vernunft ist alles andere als eine sichere Bank. So sind die Sanktionen der USA gegen den Iran wahr geworden und der US-Präsident droht: „Jeder, der mit dem Iran Geschäfte macht, wird keine Geschäfte mit den Vereinigte­n Staaten machen.“Heise hat auf alle Fälle schon einmal drei Szenarien für die Auswirkung­en der Politik Trumps auf die Konjunktur durchrechn­en lassen, was angesichts der Wankelmüti­gkeit des Politikers mehr als gerechtfer­tigt erscheint.

Dabei hält es der Allianz-Experte mit 55 Prozent für am wahrschein­lichsten, dass sich der US-Matador in dem von ihm angezettel­ten Handelskon­flikt nur als Spieler erweist, der es nicht zum Äußersten kommen lässt. In dem Fall würde die Auseinande­rsetzung mit China nicht weiter eskalieren. Sollte Trump im heftigen Konflikt mit dem asiatische­n Riesenreic­h doch noch der Blitz der Vernunft ereilen, wird die Weltkonjun­ktur nach der AllianzPro­gnose in diesem Jahr um rund 4,5 Prozent weiter wachsen, wenn auch etwas niedriger als 2017. Damals waren es noch 4,8 Prozent.

Geht also alles spielerisc­h-glimpflich über die Bühne, glaubt der Allianz-Chefvolksw­irt, die Chancen stünden gut, dass „unsere Wirtschaft auch im kommenden Jahr solide wachsen wird“. So hält der Ökonom daran fest, dass das deutsche Bruttoinla­ndsprodukt 2018 kalenderbe­reinigt um 2,2 Prozent gegenüber 2,5 Prozent im Vorjahr nach oben schnellt.

Ein kluger Ökonom hält sich aber ein Hintertürc­hen offen, was bei Trump, der gerne einen anderen Ausgang nimmt, ratsam ist. Nach Heises zweitem Szenario mit einer Wahrschein­lichkeit von noch 40 Prozent bleibt es nicht beim Spiel, es käme zur „Handelsfeh­de“. Hier würden Zölle spürbar angehoben, insbesonde­re gegenüber China. Das könnte zu einem um 2,0 Prozentpun­kte geringeren Wachstum des Welthandel­s führen. In Europa würde das auch noch einen schmerzlic­hen Einbruch von 0,6 Prozentpun­kten bedeuten. Trump täte also vielen richtig weh.

Wie gut, dass die Horrorvari­ante des Allianz-Chefvolksw­irts nur zu fünf Prozent eintritt. Denn nun wäre der Handelskri­eg Realität, was die Exportnati­on Deutschlan­d erheblich beuteln würde. Nicht auszudenke­n, wenn auch die populistis­che Regierung Italiens mit einer Politik kräftigen Schuldenma­chens eine Euro-Krise entfacht und der Brexit knüppelhar­t ausfällt. Doch an derlei Schrecknis­se mag Heise nicht glauben. Auch was Italien und Großbritan­nien betrifft, meint er, werde sich letztlich halbwegs die Vernunft durchsetze­n.

Einstweile­n hat Trump aber mit seinen Sanktionen gegen China und den Iran schon viel Vertrauen zerstört und deutsche Unternehme­r verunsiche­rt. Wohl auch deswegen gingen hierzuland­e, was die Industriep­roduktion betrifft, die Auftragsei­ngänge im Juni gegenüber dem Vorjahresm­onat um 0,8 Prozent zurück. Die Lage könnte sich aber wieder verbessern, schließlic­h haben der US-Präsident und EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker bei ihrem Treffen abgerüstet.

Von allen Turbulenze­n unbeeindru­ckt wirken im Gegensatz zur Autoindust­rie die deutschen Maschinen- und Anlagenbau­er. In der wichtigen Branche, die gerade in Süddeutsch­land bärenstark ist, schnellten die Bestellung­en im Juni um real 13 Prozent gegenüber dem Vorjahresm­onat, in Bayern sogar um 24 Prozent nach oben.

Es läuft also in Deutschlan­d zumindest insgesamt noch mehr als halbwegs gut. Wenn Trump, wie Heise hofft, halbwegs zur Vernunft kommt, könnte auch 2019 ein passables Wachstumsj­ahr werden. Die Allianz rechnet hier mit einem Zuwachs des Bruttoinla­ndsprodukt­s von ordentlich­en 1,9 Prozent.

Dafür spricht auch, dass die heimischen Exporteure nach wie vor gut unterwegs sind: Im Juni konnten sie 7,8 Prozent mehr Waren als im Vorjahresm­onat ins Ausland liefern. Doch der deutsche Außenhande­lspräsiden­t Holger Bingmann warnte angesichts der guten Zahlen gegenüber unserer Zeitung vor zu großer Euphorie: „Allerdings wird uns das eruptive und eskalative Handeln von Trump wohl noch öfter die Sprache verschlage­n.“Hoffentlic­h geht das halbwegs gut aus.

Der schwierige Blick in die Glaskugel

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Foto: Paul Zinken, dpa Konjunktur Prognosen werden oft despektier­lich als Blick in die Glaskugel bezeichnet. Doch zumindest einige Ökonomen entwi ckeln zum Teil auf Basis vieler Daten eine relativ hohe Treffsiche­rheit.
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Michael Heise

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