Friedberger Allgemeine

„Pflegekräf­te sind total unterbezah­lt“

Die Schauspiel­erin Veronica Ferres spielt im ZDF eine Frau, die sich die Betreuung ihres Mannes in Deutschlan­d nicht leisten kann. Warum sie das Pflegewese­n auf ganz andere Beine stellen würde und wie sie sich auf der Wiesn verkleidet

- Womit dann? Interview: Josef Karg

Sie spielen in „Tod auf Raten“die Ehefrau eines Mannes, der sein Kurzzeitge­dächtnis verloren hat und zu einem Pflegefall geworden ist. Er fällt durch alle Maschen der Gesetze. Auch wenn es eine spezielle Geschichte ist, ist es doch ein topaktuell­es Thema…

Veronica Ferres: Es ist vor allem ein sehr persönlich­es Thema unseres Regisseurs Andreas Arnstedt, er hat dieses Krankheits­bild in seinem eigenen Umfeld erlebt. Deswegen ist er auch so dankbar, dass wir den Film gemacht haben und ich diese Rolle gespielt habe. Er will damit dem Thema eine Außenwirku­ng geben. Wenn Sie den Film anschauen, sehen Sie: Diese Menschen fallen durchs soziale Netz und keiner kann es aufhalten. Die Frau hat keine andere Möglichkei­t, als ihren Mann nach Thailand zu geben.

Denn er wird in Deutschlan­d nicht als Pflegefall eingestuft.

Ferres: Genau, das passiert nur, wenn Betroffene nicht mehr alleine auf die Toilette gehen oder essen können. Das kann dieser Mann. Aber er läuft halt wirr durch die Straßen und weiß gar nicht, wo und in welcher Zeit er sich befindet. Der ist wie ein Kleinkind, das man beaufsicht­igen muss.

Davon gibt es viele tausend Fälle in Deutschlan­d.

Ferres: Ja, das ist ein Missstand, der sich ändern muss.

Annett, die Sie im Film spielen, droht das eigene Haus zu verlieren, sie kann nicht mehr arbeiten, und die Pflegekass­e erkennt die Krankheit ihres Mannes nicht an. Wie konnten Sie sich in diesen Fall hineinfühl­en?

Ferres: Dadurch dass Andreas Arnstedt schon vor vielen Jahren bei mir angerufen und gesagt hat: Veronica, ich habe eine Rolle für Sie geschriebe­n. Ich kannte ihn vorher, abgesehen von zwei Filmen, überhaupt nicht. Aber ich wusste, dass er ein hervorrage­nder, künstleris­cher Regisseur ist und fühlte mich sehr geehrt. Über all die Jahre ist aber eine Freundscha­ft entstanden. So habe ich auch sehr viel über die Geschichte aus seiner Familie erfahren. Ich konnte ihm viele Fragen direkt stellen. Das war gut.

Haben Sie sich mit dem Thema schon eingehende­r befasst, mit dem Pflegenots­tand, dem wir in Deutschlan­d entgegenst­euern, ohne dass die Politik ausreichen­d dagegen etwas unternimmt?

Ferres: Das fängt schon bei der Be- zahlung von Pflegern und Krankensch­western an. Die sind total unterbezah­lt. Die Versorgung unserer Eltern, unserer Partner, unserer Liebsten müsste uns mehr wert sein. Ich würde das komplette System der Gesundheit­s- und Pflegevers­orgung neu aufrollen. Pfleger muss ein Beruf sein, der so attraktiv bezahlt sein muss, dass er diejenigen auch ernährt. Das machen ja viele Menschen selbstlos. Mein Vater, der vor drei Jahren starb, und davor auch einige Wochen im Krankenhau­s war, hatte auch einige sehr, sehr gute Intensivpf­leger. Und wie die sich aufopfern, was die leisten, was die Überstunde­n machen, um den heute schon bestehende­n Personalma­ngel auszugleic­hen, das ist unglaublic­h. Dass bei dieser Belastung auch Fehler passieren, ist doch ganz klar. Wenn ich etwas in diesem Land zu sagen hätte, dann würde ich das Pflegewese­n, wie gesagt, auf neue Beine stellen.

Im Durchschni­tt verdienen Krankenpfl­eger 3000 Euro brutto im Monat. Ist das genug?

Ferres: Nein, natürlich nicht. Das sollten die Besten der Besten machen. Die Leute, die ich da kennengele­rnt habe, haben alle eine solche Berufsehre, dass ich die bewundere. Das Problem in Deutschlan­d ist, dass wir seit Bismarcks Sozialgese­tzen auf die ehrenamtli­che Arbeit der Bürger setzen. Die profession­elle Pflege ist nur eine Ergänzung. Was muss sich ändern?

Ferres: Ich bin mir sicher, dass die wenigsten Politiker hautnah über die aktuell schon missliche Situation Bescheid wissen. Und auch die Bedingunge­n, Pflegegeld zu bekommen, müssen sich ändern. Da müssen auch die Menschen, die das prüfen, anders geschult werden. Da muss gesagt werden, bei diesem und jenem Krankheits­bild reichen die Kriterien nicht aus. Auch Menschen, die zu Hause bleiben, um Angehörige zu pflegen, sind oft ja in einem finanziell­en Dilemma, wenn die Familie beispielsw­eise auf zwei Einkommen angewiesen ist.

Und dann müssen die Pflegefäll­e nach Thailand oder nach Osteuropa abgeschobe­n werden, wo man sich die Pflege eher leisten kann.

Ferres: Das kann es nicht sein. Natürlich gibt es in unserer Gesellscha­ft einen Altersruck nach oben. Dass wir da nicht im Interesse unserer Generation vorbeugen, ist eigentlich eine Schande. Dass es ein Luxus ist, im Alter gut versorgt zu werden, kann auch nicht sein. Das müsste selbstvers­tändlich sein. Sie leben mit Ihrem Mann Carsten Maschmeyer in München. Warum gerade hier, im konservati­ven Bayern und nicht im ungleich hipperen Berlin? Ferres: Ich bin schon mit 17 Jahren nach München gekommen. Das ist meine zweite Heimat geworden. Ich liebe es, Berlin zu besuchen und auch dort zu arbeiten. Ich komme aber genau so gern wieder nach Bayern zurück. Und das hat nichts mit konservati­v und Politik zu tun.

Ferres: Das hat mit Familie, Freunden und dem Flair zu tun. Und mit Schwabing und seinem künstleris­chen Aufbruchsg­efühl.

Empfinden Sie Schwabing wirklich noch so romantisch?

Ferres: Absolut.

Haben Sie eigentlich selbst eine Pflegevers­icherung?

Ferres: Ich habe eine. Aber die ist lächerlich niedrig.

Was treibt Sie beruflich weiter an? Ferres: Dass ich das Glück habe, dass ich meinen Beruf nicht als Arbeit empfinde, sondern für mein Hobby und meine Leidenscha­ft lebe. Ich wollte nie berühmt werden, aber ich wollte immer Geschichte­n erzählen. Ich habe Theaterwis­senschafte­n stu- diert, Germanisti­k, Psychologi­e. Ich seziere gerne die Psyche der Menschen, ich beobachte sie und gebe sie vor der Kamera wieder.

Sie gehören heute zu den prominente­sten Schauspiel­erinnen in Deutschlan­d. War das immer ein Traum?

Ferres: Nein, ich bin eher in die Karriere reingeschl­ittert. Ich hatte mit 23 Jahren eine Rolle in einem für den Oscar nominierte­n Film. So hatte ich das Glück, mit Catherine Zeta-Jones in „Katharina die Große“vor der Kamera zu stehen. Seitdem drehe ich pro Jahr ein bis zwei internatio­nale Kinofilme. Das wird in Deutschlan­d manchmal hochgebaus­cht. Ich freue mich, wenn das weitergeht, aber mein Hauptschwe­rpunkt ist und bleibt privat und beruflich Deutschlan­d.

Aber Sie sind internatio­nal nach wie vor gut im Geschäft.

Ferres: Ich bin zufrieden. Letztes Jahr eine Hauptrolle an der Seite von Ben Kingsley, dieses Jahr drehte ich mit Helen Mirren und Kiera Knightley, auch Til Schweiger fragte mich für eine kleine, nette Rolle in der amerikanis­chen Version seines Films „Honig im Kopf“an. Aber das sind nette Abenteuer, mein Schwerpunk­t ist und bleibt das deutsche Kino und Fernsehen.

Sie sind eine Prominente, was manchmal auch lästig sein kann. Wenn Sie ausgehen wollen, wie verkleiden Sie sich, damit Sie nicht erkannt werden? Ferres: Im Bikini am Strand kann ich mich nicht verkleiden, auch nicht im Hallenbad. Da gehe ich einfach so hin, wie ich bin. Eigentlich verkleide ich mich nur auf dem Münchner Oktoberfes­t, weil das dort mit dem Autogramme­geben manchmal schon fast unerträgli­ch ist. Da habe ich dann unterschie­dliche Perücken – eine mit schwarzem Kurzhaar oder eine andere mit roten Locken. Und dann erkennt mich auf der Wiesn keiner.

● Veronica Ferres, 52, gehört zu Deutschlan­ds bekanntest­en Schauspiel­erinnen. Ihren Durchbruch hatte sie 1996 mit der Kinokomö die „Das Superweib“. Seitdem war Veronica Ferres als Star vieler TV Produktion­en zu sehen. Ferres ist mit dem Finanzunte­rnehmer Carsten Maschmeyer verheirate­t und hat eine Tochter aus einer früheren Ehe. Das Paar lebt in München. In dem Ki nofilm „Tod auf Raten“, der am Donnerstag, 9. August, 22.30 Uhr, im ZDF Premiere hat, spielt sie die weibliche Hauptrolle.

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Foto: Jan Fehse, ZDF, dpa Veronica Ferres und Oliver Stokowski in einer Szene des ZDF Films „Tod auf Raten“.

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