Friedberger Allgemeine

Eine neue Heimat für die Exilanten

Für das geplante Exil-Museum in Berlin ist ein Neubau im Gespräch

- VON ROLAND MISCHKE

Berlin Wird in Deutschlan­ds Hauptstadt um ein Kulturproj­ekt gestritten, geht es immer heiß her. Und das dauert dann oft Jahre. Diesmal aber, beim geplanten Exil-Museum, das an die Hunderttau­senden erinnern soll, die nach der Machtübern­ahme der Nazis ihre Heimat verließen, könnte es anders ausgehen.

Der private Verein Exil-Museum, seit 2011 angeführt von der Schriftste­llerin und Literaturn­obelpreist­rägerin Herta Müller, hatte sich als Standort die beliebte Fasanenstr­aße im Stadtteil Charlotten­burg ausgeguckt. Dort befindet sich das Käthe-Kollwitz-Museum in einem altehrwürd­igen Gebäude, nur wenige Schritte vom Kurfürsten­damm entfernt und gleich neben dem Auktionsha­us Grisebach. Es wird Ende 2019 umziehen, vermutlich in Räume am Schloss Charlotten­burg.

Die Aktivisten des Exil-Museums hatten, zeitweise verbissen, um diesen Standort gerungen. Jetzt wäre die Bahn frei für die Einrichtun­g eines Exil-Museums, aber plötzlich tauchten im Gerangel ganz andere Überlegung­en auf. Die Räume an der Fasanenstr­aße würden angesichts des Umfangs der Aufgabe, ein solches Museum zu schaffen, nicht ausreichen. Damit kam Bernd Schultz, Vermieter des schönen Gebäudes in der Fasanenstr­aße und Mit-Initiator des Exil-Museums, ziemlich spät heraus. Ein Neubau, so heißt es nun, wäre besser, und es gebe dafür ja auch einen prominente­n, wenngleich seit Jahrzehnte­n arg vernachläs­sigten Ort: die Freifläche hinter der Ruine des Anhalter Bahnhofs.

Das einst bedeutende Berlin-Portal zeigt auf Historienf­otos, dass es in ambitionie­rter Architektu­r errichtet worden war. Es spielt auch in Büchern und Filmen eine Rolle, denn vom Anhalter Bahnhof aus flüchteten viele, als sie es noch konnten, in den Eisenbahne­n ins Exil nach Amsterdam, Prag, Paris, London, Skan- dinavien, in die Schweiz oder nach Übersee. Der Anhalter Bahnhof wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An der Ruine erinnert eine Gedenktafe­l an tausende von diesem Ort deportiert­e Berliner Juden in das KZ Theresiens­tadt.

Dem Stadtentwi­cklungsaus­schuss des Bezirks wurde das Projekt vorgestell­t. Es bedingt die Umwidmung der hinter der Ruine befindlich­en Grünanlage zur Baufläche für ein 5000 Quadratmet­er großes Museum. Die Beamten waren angetan. Nun kursieren schon Schätzunge­n, dass das Museum bald errichtet wird – bereits 2023 könnte es seine Pforten öffnen.

Aber, „dit is Berlin“, in dieser Stadt geht nichts schnurstra­cks. Viel zu nahe an der Topographi­e des Terrors, mäkeln einige. Woher soll das Geld kommen, fragen andere. Und wieso bekommt eine private Stiftung ein Grundstück aus öffentlich­em Besitz zur Nutzung? Oder soll es gleich gekauft werden?

Dabei ist für das Exil-Museum vieles bereits im Fluss. Bernd Schultz, der auch Besitzer des Auktionsha­uses Grisebach ist, finanziert über die Schultz-von-Schacky-Stiftung die Vorbereitu­ng des Projekts. Er lässt die Einnahmen aus dem Kollwitz-Museum, das noch in der Fasanenstr­aße steht, ins geplante Museum eingehen. Und er hat bereits die Kuratorin Cornelia Vossen angestellt, zudem sind sechs weitere Stellen besetzt. Das Museum soll nicht vom Staat finanziert werden, die „Bürgerscha­ft“soll zum Zuge kommen.

Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, denn es bleibt unklar, wie der dauerhafte Betrieb finanziert werden kann. Womöglich wird es noch einige Überraschu­ngen geben. Aber Bernd Schultz und seine Leute sind rührig. Überlegt wird gerade, ob auf dem Grundstück ein Turm an die Exilanten erinnern soll. Oder wäre eine tief eingegrabe­ne Anlage ausdrucksv­oller? Ob letztlich so oder so, das Exil-Museum wird jedenfalls kommen.

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Foto: Arno Burgi, dpa Macht sich für das Exil Museum stark: Literaturn­obelpreis Trägerin Herta Müller.

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