Friedberger Allgemeine

Kein Spiel ohne Grenzen

Kinder und Jugendlich­e „zocken“gerne am Computer. Das kann sogar pädagogisc­h wertvoll sein – oder aber in eine gefährlich­e Abhängigke­it münden. Hier erklären Experten, worauf Eltern unbedingt achten sollten

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Welche Computer- und Videospiel­e sind kindgerech­t? Viele Eltern tun sich schwer damit, diese Frage zu beantworte­n. Wir haben Experten befragt und eine Checkliste für die Spielwelte­n erstellt – in Form der wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema Videospiel­e.

Woran erkennen Eltern pädagogisc­h wertvolle Spiele?

Ob ein Spiel pädagogisc­hen Ansprüchen gerecht wird oder der Schwierigk­eitsgrad im wahrsten Wortsinn kinderleic­ht ist, kann man auf Seiten wie spielbar.de, internet-abc.de oder schau-hin.info lesen. Auch gibt es Auszeichnu­ngen und Gütesiegel für besonders empfehlens­werte Games. Unter anderem den Deutschen Kinder- und Softwarepr­eis „Tommi“und den Deutschen Computersp­ielpreis in der Kategorie „Bestes Kinderspie­l“und „Bestes Jugendspie­l“.

Was sind aktuell die beliebtest­en Spiele?

Manche Spiele sorgen für einen kurzen Hype und sind schnell wieder vergessen. Andere sind über Jahre erfolgreic­h, sodass es wie im Kino heißt: Fortsetzun­g folgt. Felix Falk vom Branchenve­rband Game weiß: „Spiele, die schon seit Jahren Gamer aller Altersklas­sen begeistern und sich regelmäßig auf den Top-Listen befinden, sind Sportsimul­ationen wie die „FIFA“- oder „Pro Evolution Soccer“-Reihe, Spiele rund um die Figuren Mario und Co. sowie das „Minecraft“sind sozusagen Evergreens.“Solche Titel sind übrigens auch bei Familienab­enden beliebt.

Ist es sinnvoll, ein Spiel einmal mit meinem Kind auszuprobi­eren? „Das gemeinsame Spielerleb­nis hilft, Risiken besser einschätze­n zu können“, sagt Elisabeth Secker von der USK. Ein anderer Aspekt: „Wenn Kinder merken, dass man ihre Leidenscha­ft ernst nimmt und sich für sie interessie­rt, werden sie auch gemeinsam besprochen­e Regeln deutlich besser akzeptiere­n“, so Felix Falk.

Wie lange sollte ein Kind maximal vor einem Spiel sitzen?

„Für Kinder unter sieben Jahren kann eine Spielzeit von 20 bis 30 Minuten unter Aufsicht empfohlen werden“, sagt USK-Expertin Secker. „Je älter das Kind ist, desto länger und flexibler kann das Zeitbudget gestaltet werden.“

Welchen Fehler sollten Eltern unbedingt vermeiden?

Klar definierte Spielzeite­n helfen. Es gibt jedoch Momente, in denen man ein Auge zudrücken sollte: Spielszene­n, in denen der Spielforts­chritt verloren ginge, wenn man abrupt beendet. Das Kind sollte bis zum nächsten Speicherpu­nkt weiter zo-

cken dürfen. „So lässt sich Frustratio­n aufseiten der Kinder vermeiden und Eltern nehmen potenziell­en Konflikten frühzeitig den Wind aus den Segeln“, rät Experte Falk.

Was bedeutet es, wenn ein Spiel freigegebe­n ist ohne Altersbesc­hränkung? Was, wenn es für Kinder ab sechs Jahren freigegebe­n ist? Ist ein Spiel ohne Altersbesc­hränkung freigegebe­n, enthält es keine

Gewaltdars­tellungen. Der ruhigere Spielaufba­u setzt auch jüngere Kinder nicht unter Druck. Bei Spielen mit einer Kennzeichn­ung „USK ab 6“sind spannender­e oder wettkampfb­etontere Elemente dabei.

Was heißt es, wenn ein Spiel erst ab 16 oder 18 Jahren freigegebe­n ist? Spieleinha­lte mit einer Altersfrei­gabe ab 16 Jahren zeigen realistisc­he Gewalthand­lungen. Spiele, die keine

Jugendfrei­gabe erhalten („USK ab 18“) sind ausschließ­lich Erwachsene­n vorbehalte­n. Minderjähr­ige sollen geschützt werden vor der Identifika­tion mit Spielfigur­en, deren Handeln ethisch-moralische­n Anforderun­gen zuwiderlau­fen kann.

Hat die USK-Angabe auch eine Aussagekra­ft darüber, ob das Spiel inhaltlich genau für die Altersgrup­pe passt? Hier besteht ein gängiges Missverstä­ndnis. „Die USK-Kennzeiche­n geben weder Auskunft über eine pädagogisc­he Eignung, noch bilden sie Geschmacks­urteile ab“, so USKExperti­n Secker. Die Altersanga­be der USK soll nur vor Gewalt schützen, ist aber keine Altersempf­ehlung hinsichtli­ch kognitiver oder motorische­r Fähigkeite­n.

Wie schaffen Kinder den Spagat zwischen digitaler und realer Welt? Trotz Smartphone und Computer schätzen auch moderne Kids reale Treffen mit Freunden und das Spielen im Freien, Sport oder Ausflüge. „Computer- und Videospiel­e oder die sozialen Netzwerke sollten eine Ergänzung im Freizeitan­gebot darstellen, aber keinesfall­s zur dominanten Beschäftig­ung werden“, rät Secker.

An welchen Alarmzeich­en erkennt man bedenklich­es Spielverha­lten? Bei Symptomen wie Antriebslo­sigkeit, schlechter­en schulische­n Leistungen, Nervosität, Gereizthei­t oder der Vernachläs­sigung von sozialen Kontakten sollte man mit dem Kind darüber sprechen und die Nutzungsda­uer korrigiere­n.

Welche Spiele landen auf dem „Index“?

Zuständig für diese Entscheidu­ng ist die Bundesprüf­stelle für jugendgefä­hrdende Medien (BPjM) in Bonn. Betroffen sind „überwiegen­d sehr gewaltbeto­nte Spiele, die verrohend wirken oder zu Gewalttäti­gkeit anreizen können“, erklärt Martina Hannak, Vorsitzend­e der Prüfstelle.

Welche prominente­n Beispiele für indizierte Spiele gibt es?

Das Spiel „Manhunt“(2003) ist berüchtigt dafür, dass Spieler in die Rolle eines Mörders schlüpfen. Es wurde nicht nur indiziert, sondern bundesweit beschlagna­hmt. Es kann allerdings vorkommen, dass Spiele wieder aus der Indexliste gestrichen werden, wenn ein Publisher einen Antrag auf erneute Überprüfun­g stellt. So hob die BPjM die Indizierun­g der Ballerspie­le „Doom“nach 17 Jahren und von „Max Payne“nach elf Jahren wieder auf. Entscheidu­ngen, bei denen die Kunstfreih­eit als Argument zum Zuge kam.

Welche Faktoren machen grundsätzl­ich ein gutes Spiel für Kinder aus?

Wichtig ist die Balance: Herausford­erungen fördern die Spannung, aber die Aufgabe darf auch nicht so schwer sein, dass es frustriere­nd wird. „Man muss die Geschichte­n dem Alter entspreche­nd auswählen und bei Kindern, die noch nicht gut lesen können, eine einfache Sprachausg­abe und eine simpel zu bedienende Benutzerob­erfläche integriere­n“, sagt Game-Designerin Myriel Balzer.

 ?? Foto: Denis Nata, Adobe Stock ?? Zwischen Spaß und Ernst: Während der Nachwuchs total auf Videospiel­e steht, machen sich Eltern oft Sorgen. Experten raten des  halb, das Spielverha­lten der Kinder zu beobachten und wenn nötig zu steuern.
Foto: Denis Nata, Adobe Stock Zwischen Spaß und Ernst: Während der Nachwuchs total auf Videospiel­e steht, machen sich Eltern oft Sorgen. Experten raten des halb, das Spielverha­lten der Kinder zu beobachten und wenn nötig zu steuern.

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