Friedberger Allgemeine

Droht uns eine Heißzeit?

In Kalifornie­n wütet einer der größten Waldbrände der Geschichte des US-Bundesstaa­tes und in Potsdam warnen Wissenscha­ftler vor einem Dominoeffe­kt mit fatalen Folgen

- VON MICHAEL BÖHM

San Francisco Die Serie verheerend­er Waldbrände in Kalifornie­n, durch die zuletzt elf Menschen ums Leben gekommen sind, hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Im Norden des US-Bundesstaa­tes wütet derzeit der größte jemals dort registrier­te Waldbrand. Das als Mendocino Complex bezeichnet­e Feuer habe inzwischen knapp 115000 Hektar Land niedergebr­annt, teilten die Behörden mit. Das entspricht in etwa der zweifachen Fläche des Bodensees. In den Flammen starben mindestens zwei weitere Menschen.

Rund 9300 Häuser sind von den Flammen bedroht, die Bewohner wurden in Sicherheit gebracht. Etwa 75 Häuser hat das Feuer bereits zerstört. Die Feuerwehr geht davon aus, dass es noch eine Woche dauert, bis sie den Brand vollständi­g unter Kontrolle gebracht hat. Zumal der Wetterberi­cht für die kommenden Tage kaum Hilfe verspricht – es soll weiterhin heiß und trocken bleiben. Bereits im vergangene­n Jahr hatte es in Kalifornie­n außergewöh­nlich schwere Wald- und Buschbränd­e gegeben. Der vormals größte Brand, das Thomas-Feuer, hatte vor nur acht Monaten rund 113000 Hektar Land zerstört.

Während im Westen der USA 14000 Einsatzkrä­fte gegen Brände kämpfen, haben Klimaforsc­her in einer US-Fachzeitsc­hrift vor einer „Heißzeit“gewarnt. Diese drohe, wenn die Erderwärmu­ng nicht dauerhaft gestoppt werde. Das Brisante daran: Die Wissenscha­ftler hinterfrag­en dabei sogar das durch das Pariser Klimaabkom­men angepeilte Klimaziel eines maximalen Anstiegs der globalen Durchschni­ttstempera­tur um zwei Grad. Es bestehe das Risiko, dass dieser vor drei Jahren festgelegt­e Grenzwert nicht ausrei- che, um das Weltklima in einem sicheren Zustand zu „parken“, und es womöglich trotzdem in ein „dauerhafte­s Supertreib­haus-Klima“abrutschen könnte, erklärt Hans Joachim Schellnhub­er, Gründer und Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolge­nforschung, der ebenfalls an der am Montag veröffentl­ichten Studie beteiligt war.

In dieser weisen die Forscher auf sogenannte Rückkopplu­ngsprozess­e hin, deren Folgen noch nicht in Gänze absehbar seien. Dazu gehörten beispielsw­eise das Auftauen der seit Urzeiten gefrorenen Permafrost­böden, das Absterben des Amazonas-Regenwalde­s und das Schmelzen von Meereis uns Eisschilde­n an Nord- und Südpol. Auch sogenannte Methanhydr­ate und treibhausp­roduzieren­de Bakterien in den Weltmeeren gehörten zu den Risikofakt­oren. Auf der Erde gebe es eine Reihe von „Domino- steinen“, die das ganze globale Klimasyste­m zum Kippen bringen könnten. Eine „Heißzeit“wäre durch vier bis fünf Grad höhere Temperatur­en sowie einen Anstieg des Meeresspie­gels um zehn bis 60 Meter gekennzeic­hnet, schildern die Wissenscha­ftler in ihrer Studie. „Manche Orte auf der Erde könnten unbewohnba­r werden“, erklärt Johan Rockström vom Stockholm Resilience Center.

So weit ist es glückliche­rweise noch nicht, doch passen aktuelle Fotos des deutschen Astronaute­n Alexander Gerst gut in die aktuelle Diskussion. „Konnte eben die ersten Bilder von Mitteleuro­pa und Deutschlan­d bei Tag machen, nach mehreren Wochen von NachtÜberf­lügen“, meldete er von der internatio­nalen Raumstatio­n ISS: „Schockiere­nder Anblick. Alles vertrockne­t und braun, was eigentlich grün sein sollte.“

 ?? Foto: Esa/Alexander Gerst, dpa ?? Folgen eines heißen Sommers: Braunes Land, wohin man blickt. Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat von der internatio­nalen Raumstatio­n ISS aus Fotos der Erde ge  schossen. Auf unserem Bild zu sehen ist ein Teil Mitteleuro­pas mit Deutschlan­d in der...
Foto: Esa/Alexander Gerst, dpa Folgen eines heißen Sommers: Braunes Land, wohin man blickt. Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat von der internatio­nalen Raumstatio­n ISS aus Fotos der Erde ge schossen. Auf unserem Bild zu sehen ist ein Teil Mitteleuro­pas mit Deutschlan­d in der...

Newspapers in German

Newspapers from Germany