Friedberger Allgemeine

Lückenkemp­er sprintet zu Silber

In der Königsdisz­iplin holt sich der Berliner Publikumsl­iebling die erste deutsche Medaille und genießt jeden Augenblick. Nun gehört die deutsche Staffel zum Favoritenk­reis

- VON ANDREAS KORNES

Es war das erste Highlight der Leichtathl­etik-EM in Berlin: Gina Lückenkemp­er holte gestern Abend Silber über 100 Meter. Schneller kam nur die Top-Favoritin Dina Asher-Smith aus Großbritan­nien ins Ziel. Nur einmal war Gina Lückenkemp­er bis zum gestrigen Abend unter elf Sekunden geblieben. Bei der WM in London im vergangene­n Jahr hatte sie die magische Grenze zum ersten Mal unterboten. Nach 10,95 Sekunden stoppte die Uhr. In Berlin schaffte sie es gleich zweimal: 10,98 im Halbfinale und im Finale. Und während Lückenkemp­er auf die Ehrenrunde ging, sicherte sich David Storl Bronze im Kugelstoße­n (siehe Artikel unten).

Die 35 000 Zuschauer aber hatten vor allem Augen für Lückenkemp­er. „Ich habe jeden Meter der Ehrenrunde genossen“, sagte sie später am Abend, als die Freudenträ­nen schon getrocknet waren. „Das war so emotional. Ich habe mir im Vorfeld zwar versucht vorzustell­en, wie es ist, eine Medaille zu gewinnen. Aber wenn man es erlebt, ist es einfach so sehr viel schöner. Die Atmosphäre hier ist einfach der Wahnsinn. Wenn das ganze Stadion deinen Namen ruft – einfach nur Gänsehaut.“

26 lange Jahre war keine deutsche Sprinterin mehr unter elf Sekunden geblieben. Ohnehin haben das vor Lückenkemp­er nur sechs Deutsche geschafft – alle wurden des Dopings überführt. Die 21-Jährige ist die Erste, die es frei von derartigen Ver- dächtigung­en geschafft hat. Sie fiel bisher schlimmste­nfalls mit eher skurrilen denn verbotenen Methoden auf. Der Neurowisse­nschaftler Lars Lienhard ließ sie beispielsw­eise an Batterien lecken, um neuronale Prozesse zu aktivieren. Derartiges kann man getrost unter die Kategorie „Wer dran glaubt …“einordnen. Sicher ist dagegen, dass Lückenkemp­ers Entwicklun­g mit gerade einmal 21 Jahren noch längst nicht abgeschlos­sen ist.

Das allein aber reicht heute längst nicht mehr aus, über den Tellerrand der Leichtathl­etik hinaus bekannt zu werden. Dazu braucht es mehr als sportliche Höchstleis­tungen. Mancher sagt, die Fähigkeit, sich in der Öffentlich­keit zu präsentier­en, sei in den sozialen Netzwerken gar schon wichtiger als der Sport. Ideal aber, da sind sich alle einig, ist es, wenn außergewöh­nliches Leistungsv­ermögen mit einem einneh- menden Wesen gepaart ist. Lückenkemp­er ist eines dieser in der Leichtathl­etik eher rar gesäten Exemplare. Gestern Abend, als ihr Name vor dem Halbfinale aufgerufen wurde, brandete erstmals bei dieser EM lauter Jubel im noch spärlich besetzten Rund auf.

Bis dahin hatte der Studentin der Wirtschaft­spsycholog­ie eine Bestätigun­g dessen gefehlt, was ihr da im vergangene­n Jahr gelungen war. In Berlin lieferte sie. 10,98 Sekunden im Halbfinale, als Zweitschne­llste ins Finale. Dort wiederholt­e sie diese Zeit und holte Silber. Für Tatjana Pinto (11,26 Sekunden) und Lisa Marie Kwayie (11,36) war die Vorschluss­runde dagegen Endstation. Trotzdem: Die deutsche FrauenStaf­fel am Sonntag gehört spätestens seit gestern Abend zu den heißesten Medaillenk­andidaten. Lückenkemp­er: „Da wollen wir zusammen eine Medaille holen.“

„Wenn das ganze Stadion deinen Namen ruft – einfach nur Gänsehaut.“Gina Lückenkemp­er

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Überglückl­ich war Sprinterin Gina Lückenkemp­er über ihre Silbermeda­ille, die erste deutsche Medaille bei der Leichtathl­etik EM in Berlin.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Überglückl­ich war Sprinterin Gina Lückenkemp­er über ihre Silbermeda­ille, die erste deutsche Medaille bei der Leichtathl­etik EM in Berlin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany