So reagiert Augsburg auf das Ankerzentrum
Nächste Woche kommen 30 Flüchtlinge nach Inningen. Oberbürgermeister Kurt Gribl wurde selbst von der Nachricht überrascht. Warum sein Augenmerk auf dem Thema Sicherheit liegt und was die Bürger sagen
Rund 2200 Flüchtlinge leben in der Stadt Augsburg. Nächste Woche kommen 30 neue hinzu. Sie ziehen in ein umgebautes Gebäude auf dem Gelände der Alten Ziegelei Inningen. Es handelt sich um eine Zweigstelle des schwäbischen Ankerzentrums Donauwörth, das zuletzt wiederholt wegen Ausschreitungen zwischen Bewohnern und Sicherheitskräften im Fokus stand. 600 Flüchtlinge sind es in Donauwörth. In Inningen werden dauerhaft nicht mehr als 90 Flüchtlinge Platz finden. Stadt und Bürger sehen den Zuwachs vorerst entspannt. Doch die neue Zweigstelle ist am Dienstagmittag auf dem Parkplatz eines Supermarktes in der Bobinger Straße Tagesgespräch. Ramona Krünes wohnt in der Nähe der Alten Ziegelei. „Mein erster Impuls war, dass ich offen bin. Ich könnte mir sogar vorstellen, mich dort zu engagieren“, sagt sie. Die Bürger seien jedoch nicht ausreichend informiert worden, was ein Ankerzentrum überhaupt ist und was Flüchtlinge dort erwartet.
„Die Stadt hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt und nicht frühzeitig informiert“, sagt auch Egon Karlinski. Er wohnt 100 Meter vom Ankerzentrum entfernt und hat am Montagabend im Online-Auftritt unserer Zeitung über die neuen Entwicklungen in seiner Nachbarschaft erfahren. „Vor zwei Jahren gab es das Gespräch, dass das Gebäude eine Flüchtlingsunterkunft wird. Dann hat sich lange nichts mehr gerührt und es hieß, dass das Thema beendet ist“, sagt er. Angst vor den neuen Anwohnern habe er keine. Seine Tochter sei außerdem schon lange mit Pfefferspray ausgestattet. Schaden könne das nie.
Das Ehepaar Siegfried und Monika Tusch hat einen Garten in Inningen. Dem Konzept eines Anker- zentrums stehen sie allgemein skeptisch gegenüber, da sie finden, dass es nicht die richtige Methode ist, um Menschen zu helfen. Zum Ankerzentrum Inningen meinen sie: „Es ist noch zu früh, um dafür oder dagegen zu sein. Man muss die Entwicklung abwarten.“
Nicht jeder will seinen Namen in der Zeitung lesen, wie eine Mutter von zwei kleinen Kindern: „Mit Familien habe ich kein Problem, wenn aber zu 90 Prozent junge Männer einziehen, die ständig auffallen und Frauen und Kindern einen anderen Stellenwert zuschreiben, dann habe ich kein optimales Gefühl dabei.“
Ganz überraschend kommt die Nachricht nicht. Mitte Mai hatte Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) im Stadtrat über das Vorhaben der Regierung von Schwaben informiert, die für zentrale Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist. Dennoch ging nun alles schnell. Selbst Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) wurde am Montag davon überrascht, dass die Unterkunft bereits ab 13. August bezogen wird. Die kurzfristige Informationspolitik stieß dem Rathauschef dem Vernehmen nach sauer auf. Er sagt: „Ich sehe die Notwendigkeit, dass die Inninger Bürger darüber informiert werden, wie der Betrieb der AnkerEinrichtung abläuft und welche Auswirkungen damit verbunden sein können.“
Was man bereits weiß: In Inningen werden zur Betreuung der Be- wohner Mitarbeiter der Regierung vor Ort sein. Ein Sicherheitsdienst ist im abgesperrten Gelände rund um die Uhr anwesend. Gribl denkt vor allem an den Sicherheitsaspekt; er spiele für die Bevölkerung eine wichtige Rolle: „Ich erwarte auch eine sensible Kommunikation mit der Bevölkerung.“Er wolle keine Vorverurteilung der Asylbewerber und zähle auf den vernünftigen und erprobten Integrationswillen der Augsburger: „Aber ich will erst gar nicht in die Situation kommen müssen, dass diese positive Haltung auf die Probe gestellt wird.“Hier trage die Regierung von Schwaben als Betreiber große Verantwortung. Gribl hat zudem mit dem Polizeipräsidium Schwaben-Nord telefoniert und um Unterstützung gebeten. Dort liegen, wie es heißt, Erfahrungen im Umgang mit dem Betrieb des Ankerzentrums in Donauwörth vor.
SPD-Stadtrat Willi Leichtle aus Inningen sieht kein Konfliktpotenzial: „Für uns Inninger ist nicht neu, dass die Ziegelei als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden soll.“Es sei zuletzt eher der Fall eingetreten, dass Bürger ihn angesprochen hatten, wann denn nun Flüchtlinge kämen. Erfahrungen mit Flüchtlingen gibt es: Ein Helferkreis betreut eine Familie, die im Ortskern lebt. Untergebracht sind diese Menschen im früheren Gebäude der Kreissparkasse Augsburg. Die Augsburger SPD-Vorsitzende Ulrike Bahr sieht die Dinge kritisch: „Wir lehnen An- kerzentren als Einrichtungen, in denen viele Flüchtlinge auf engstem Raum für längere Zeit untergebracht werden, weiterhin klar ab.“Die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen in Großeinrichtungen habe die SPD Augsburg schon immer kritisch gesehen. „Wir haben in Augsburg in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, keine Massenunterkünfte zu bekommen“, so Bahr.
Scharfe Kritik an der Zweigstelle in Inningen übt die Grünen-Landtagsabgeordnete Christina Kamm, sie spricht von einer „Problemeinrichtung“. Eine weitere dezentrale Unterkunft könne Augsburg stemmen, sagt Kamm. „Eine Unterkunft aber, deren Bewohner auf unbestimmte Zeit zur Perspektivlosig- keit und Nichtintegration verurteilt werden, nicht arbeiten oder lernen dürfen, wird ein sozialer Brennpunkt.“Eine solche Außenstelle passe nicht zu Inningen – und auch nicht zu Augsburg. Grünen-Stadtrat Cemal Bozoglu sieht es ähnlich, wenn auch nicht ganz so streng: „Es ist richtig, dass wir Grünen aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Ankerzentren und deren Zweigstellen sind.“Andererseits sage er, „dass 50 bis 90 Flüchtlinge in Inningen generell kein Problem sind“.
Stadträtin Regina Stuber-Schneider (Freie Wähler) lebt im Stadtteil, der nicht ganz 5000 Einwohner zählt. „Ich bin kein Freund der Ankerzentren“, sagt sie, „aber ich kann verstehen, dass die Einrichtung in Donauwörth entlastet werden soll.“Die Inninger hätten sich in der Vergangenheit „offen und menschlich“gegenüber Flüchtlingen gezeigt. Sie hoffe, dass dies auch jetzt der Fall sein werde. Sie erwarte aber von der Regierung von Schwaben, „dass wir Inninger transparent auf dem Laufenden gehalten werden“. Es sei zudem zu wünschen, „dass Bewohner der Unterkunft dann nicht in die Illegalität verschwinden“. Denn dies wäre dann „Wasser auf die Mühlen“derjenigen, die den Flüchtlingen kritisch gegenüberstehen. In Inningen sollen Menschen untergebracht werden, die weite Teile des Asylverfahrens durchlaufen haben. Sie warten auf eine endgültige Entscheidung oder die Abschiebung.
Die Stadt hat eine Website mit Fragen und Antworten zu AnkerEinrichtungen und der Zweigstelle eingerichtet: www.augsburg.de/ankereinrichtung » Kommentar
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