Friedberger Allgemeine

So reagiert Augsburg auf das Ankerzentr­um

Nächste Woche kommen 30 Flüchtling­e nach Inningen. Oberbürger­meister Kurt Gribl wurde selbst von der Nachricht überrascht. Warum sein Augenmerk auf dem Thema Sicherheit liegt und was die Bürger sagen

- VON ELIF BINICI UND MICHAEL HÖRMANN

Rund 2200 Flüchtling­e leben in der Stadt Augsburg. Nächste Woche kommen 30 neue hinzu. Sie ziehen in ein umgebautes Gebäude auf dem Gelände der Alten Ziegelei Inningen. Es handelt sich um eine Zweigstell­e des schwäbisch­en Ankerzentr­ums Donauwörth, das zuletzt wiederholt wegen Ausschreit­ungen zwischen Bewohnern und Sicherheit­skräften im Fokus stand. 600 Flüchtling­e sind es in Donauwörth. In Inningen werden dauerhaft nicht mehr als 90 Flüchtling­e Platz finden. Stadt und Bürger sehen den Zuwachs vorerst entspannt. Doch die neue Zweigstell­e ist am Dienstagmi­ttag auf dem Parkplatz eines Supermarkt­es in der Bobinger Straße Tagesgespr­äch. Ramona Krünes wohnt in der Nähe der Alten Ziegelei. „Mein erster Impuls war, dass ich offen bin. Ich könnte mir sogar vorstellen, mich dort zu engagieren“, sagt sie. Die Bürger seien jedoch nicht ausreichen­d informiert worden, was ein Ankerzentr­um überhaupt ist und was Flüchtling­e dort erwartet.

„Die Stadt hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt und nicht frühzeitig informiert“, sagt auch Egon Karlinski. Er wohnt 100 Meter vom Ankerzentr­um entfernt und hat am Montagaben­d im Online-Auftritt unserer Zeitung über die neuen Entwicklun­gen in seiner Nachbarsch­aft erfahren. „Vor zwei Jahren gab es das Gespräch, dass das Gebäude eine Flüchtling­sunterkunf­t wird. Dann hat sich lange nichts mehr gerührt und es hieß, dass das Thema beendet ist“, sagt er. Angst vor den neuen Anwohnern habe er keine. Seine Tochter sei außerdem schon lange mit Pfefferspr­ay ausgestatt­et. Schaden könne das nie.

Das Ehepaar Siegfried und Monika Tusch hat einen Garten in Inningen. Dem Konzept eines Anker- zentrums stehen sie allgemein skeptisch gegenüber, da sie finden, dass es nicht die richtige Methode ist, um Menschen zu helfen. Zum Ankerzentr­um Inningen meinen sie: „Es ist noch zu früh, um dafür oder dagegen zu sein. Man muss die Entwicklun­g abwarten.“

Nicht jeder will seinen Namen in der Zeitung lesen, wie eine Mutter von zwei kleinen Kindern: „Mit Familien habe ich kein Problem, wenn aber zu 90 Prozent junge Männer einziehen, die ständig auffallen und Frauen und Kindern einen anderen Stellenwer­t zuschreibe­n, dann habe ich kein optimales Gefühl dabei.“

Ganz überrasche­nd kommt die Nachricht nicht. Mitte Mai hatte Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) im Stadtrat über das Vorhaben der Regierung von Schwaben informiert, die für zentrale Unterbring­ung von Flüchtling­en zuständig ist. Dennoch ging nun alles schnell. Selbst Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) wurde am Montag davon überrascht, dass die Unterkunft bereits ab 13. August bezogen wird. Die kurzfristi­ge Informatio­nspolitik stieß dem Rathausche­f dem Vernehmen nach sauer auf. Er sagt: „Ich sehe die Notwendigk­eit, dass die Inninger Bürger darüber informiert werden, wie der Betrieb der AnkerEinri­chtung abläuft und welche Auswirkung­en damit verbunden sein können.“

Was man bereits weiß: In Inningen werden zur Betreuung der Be- wohner Mitarbeite­r der Regierung vor Ort sein. Ein Sicherheit­sdienst ist im abgesperrt­en Gelände rund um die Uhr anwesend. Gribl denkt vor allem an den Sicherheit­saspekt; er spiele für die Bevölkerun­g eine wichtige Rolle: „Ich erwarte auch eine sensible Kommunikat­ion mit der Bevölkerun­g.“Er wolle keine Vorverurte­ilung der Asylbewerb­er und zähle auf den vernünftig­en und erprobten Integratio­nswillen der Augsburger: „Aber ich will erst gar nicht in die Situation kommen müssen, dass diese positive Haltung auf die Probe gestellt wird.“Hier trage die Regierung von Schwaben als Betreiber große Verantwort­ung. Gribl hat zudem mit dem Polizeiprä­sidium Schwaben-Nord telefonier­t und um Unterstütz­ung gebeten. Dort liegen, wie es heißt, Erfahrunge­n im Umgang mit dem Betrieb des Ankerzentr­ums in Donauwörth vor.

SPD-Stadtrat Willi Leichtle aus Inningen sieht kein Konfliktpo­tenzial: „Für uns Inninger ist nicht neu, dass die Ziegelei als Flüchtling­sunterkunf­t genutzt werden soll.“Es sei zuletzt eher der Fall eingetrete­n, dass Bürger ihn angesproch­en hatten, wann denn nun Flüchtling­e kämen. Erfahrunge­n mit Flüchtling­en gibt es: Ein Helferkrei­s betreut eine Familie, die im Ortskern lebt. Untergebra­cht sind diese Menschen im früheren Gebäude der Kreisspark­asse Augsburg. Die Augsburger SPD-Vorsitzend­e Ulrike Bahr sieht die Dinge kritisch: „Wir lehnen An- kerzentren als Einrichtun­gen, in denen viele Flüchtling­e auf engstem Raum für längere Zeit untergebra­cht werden, weiterhin klar ab.“Die dauerhafte Unterbring­ung von Flüchtling­en in Großeinric­htungen habe die SPD Augsburg schon immer kritisch gesehen. „Wir haben in Augsburg in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, keine Massenunte­rkünfte zu bekommen“, so Bahr.

Scharfe Kritik an der Zweigstell­e in Inningen übt die Grünen-Landtagsab­geordnete Christina Kamm, sie spricht von einer „Problemein­richtung“. Eine weitere dezentrale Unterkunft könne Augsburg stemmen, sagt Kamm. „Eine Unterkunft aber, deren Bewohner auf unbestimmt­e Zeit zur Perspektiv­losig- keit und Nichtinteg­ration verurteilt werden, nicht arbeiten oder lernen dürfen, wird ein sozialer Brennpunkt.“Eine solche Außenstell­e passe nicht zu Inningen – und auch nicht zu Augsburg. Grünen-Stadtrat Cemal Bozoglu sieht es ähnlich, wenn auch nicht ganz so streng: „Es ist richtig, dass wir Grünen aus grundsätzl­ichen Erwägungen gegen die Ankerzentr­en und deren Zweigstell­en sind.“Anderersei­ts sage er, „dass 50 bis 90 Flüchtling­e in Inningen generell kein Problem sind“.

Stadträtin Regina Stuber-Schneider (Freie Wähler) lebt im Stadtteil, der nicht ganz 5000 Einwohner zählt. „Ich bin kein Freund der Ankerzentr­en“, sagt sie, „aber ich kann verstehen, dass die Einrichtun­g in Donauwörth entlastet werden soll.“Die Inninger hätten sich in der Vergangenh­eit „offen und menschlich“gegenüber Flüchtling­en gezeigt. Sie hoffe, dass dies auch jetzt der Fall sein werde. Sie erwarte aber von der Regierung von Schwaben, „dass wir Inninger transparen­t auf dem Laufenden gehalten werden“. Es sei zudem zu wünschen, „dass Bewohner der Unterkunft dann nicht in die Illegalitä­t verschwind­en“. Denn dies wäre dann „Wasser auf die Mühlen“derjenigen, die den Flüchtling­en kritisch gegenübers­tehen. In Inningen sollen Menschen untergebra­cht werden, die weite Teile des Asylverfah­rens durchlaufe­n haben. Sie warten auf eine endgültige Entscheidu­ng oder die Abschiebun­g.

Die Stadt hat eine Website mit Fragen und Antworten zu AnkerEinri­chtungen und der Zweigstell­e eingericht­et: www.augsburg.de/ankereinri­chtung » Kommentar

Ansprechpa­rtner ist Chris tian Gerlinger; Tel. 0821/324 3028; E Mail: christian.gerlinger@augsburg.de

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Hier in Inningen werden in der nächsten Woche in einer Zweigstell­e des Ankerzentr­ums Donauwörth vorerst 30 Flüchtling­e ein  ziehen. Platz wäre für insgesamt 90 Personen.
Foto: Silvio Wyszengrad Hier in Inningen werden in der nächsten Woche in einer Zweigstell­e des Ankerzentr­ums Donauwörth vorerst 30 Flüchtling­e ein ziehen. Platz wäre für insgesamt 90 Personen.
 ??  ?? Ramona Krünes
Ramona Krünes
 ??  ?? Egon Karlinski
Egon Karlinski
 ??  ?? Siegfried Tusch
Siegfried Tusch

Newspapers in German

Newspapers from Germany