Friedberger Allgemeine

Der Joint als Therapie

Prozess 29-Jähriger konsumiert Drogen, seit er 15 ist, und hat über 40 Gramm Marihuana daheim versteckt. Warum der Richter ihm trotz einschlägi­ger Vorstrafen noch eine Chance gibt

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Friedberg Nur aus „therapeuti­schen Gründen“griff ein 29-jähriger Mann aus Aichach Anfang des Jahres regelmäßig zum Joint. Damit ihm der Stoff nicht ausging, hatte er 43 Gramm Marihuana im Schrank zwischen seinen Sachen versteckt. Amtsrichte­r Walter Hell tat sich jedoch schwer zu glauben, dass diese Menge der Jahresvorr­at des 29-Jährigen sei. Vor allem angesichts seiner Vorstrafen. Obwohl eine Gefängniss­trafe im Raum stand, gab Hell dem Angeklagte­n noch mal eine Chance.

Der Angeklagte musste sich wegen unerlaubte­n Besitzes von Betäubungs­mitteln vor dem Amtsgerich­t Aichach verantwort­en. Den Besitz des Marihuanas räumte der 29-Jährige ohne Wenn und Aber ein. Über den Kumpel eines Bekannten habe er die ursprüngli­ch rund 50 Gramm gekauft, sagte er aus und führte die therapeuti­schen Gründe an. Die Joints sollten gegen seine Rückenprob­leme und Depression­en helfen. „Ich habe immer nach der Arbeit konsumiert“, betonte der Angeklagte.

Mit etwa 15 Jahren begann er, Cannabis zu rauchen. Auch Amphetamin­e und Ecstasy habe er damals ausprobier­t und teilweise auch über einen längeren Zeitraum konsumiert, sagte der 29-Jährige aus. Rauchte er am Anfang ein bis zwei Mal pro Monat einen Joint, griff er als 20-Jähriger dann schon fast täglich zu dem Rauschmitt­el. Als Begründung sagte er: „Damals habe ich konsumiert, um cool zu sein.“Dann habe er den therapeuti­schen Zweck entdeckt. Um nicht berauscht zu sein, habe er das Marihuana für den therapeuti­schen Einsatz immer exakt abgewogen, so der Angeklagte im Prozess. Damit begründete er auch den Besitz der Feinwaage. Pro Joint verwendete er 0,15 Gramm. Richter Hell rechnete aus, dass er in dem Fall mit der beschlagna­hmten Menge rund 250 Joints drehen könnte. Der Angeklagte also quasi einen Jahresvorr­at daheim aufbewahrt­e. Der Richter tat sich schwer damit zu glauben, dass der 29-Jährige das Marihuana tatsächlic­h so lange aufheben würde. „Was wollen Sie mit dem alten Marihuana“, fragte er den Angeklagte­n. Hell wies darauf hin, dass bei der Menge auch eine Anklage wegen Drogenhand­els im Bereich des Möglichen wäre.

Genau deswegen war der 29-Jährige vor vier Jahren schon einmal angeklagt gewesen und hatte eine einjährige Bewährungs­strafe bekommen. Die war kurz darauf auf eine zweijährig­e Bewährungs­strafe aufgestock­t worden, weil noch eine Verurteilu­ng wegen gemeinscha­ftlicher Erpressung und räuberisch­er Erpressung dazukam. Staatsanwä­ltin Manuela Kaiser hielt dem Angeklagte­n zugute, dass er den Besitz der Drogen einräumte. Angesichts der Vorstrafen hielt sie eine Geldstrafe aber für nicht mehr ausreichen­d. Auch für eine Bewährungs­strafe sah sie die Voraussetz­ungen nicht. Die Staatsanwä­ltin plädierte für eine sechsmonat­ige Haftstrafe. Verteidi- ger Ralf Schönauer sprach sich ebenfalls für eine Freiheitss­trafe aus, allerdings auf Bewährung. Aus seiner Sicht hatte sein Mandant eine günstige Sozialprog­nose. „Er hat es geschafft, von den Drogen wegzukomme­n.“

Amtsrichte­r Hell verurteilt­e den 29-Jährigen zu einer sechsmonat­igen Bewährungs­strafe. Er hielt ihm zugute, dass er seine letzte Bewährungs­zeit durchgesta­nden habe. Hell stellte dem Angeklagte­n einen Bewährungs­helfer zur Seite. Als Auflage muss er drogenfrei leben und das durch Urintests auch belegen. Außerdem muss er 500 Euro an die Suchtfacha­mbulanz Aichach bezahlen. Der Richter mahnte: „Nutzen Sie die Chance. Es wird eine der letzten sein, die Sie kriegen.“

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