Hör Memory in alten Filmdosen
Rieds Kümmerin Claudia Bordon-Vieler will Demenz begreifbar machen
Ried Rieds „Kümmerin“Claudia Bordon-Vieler hatte einen Informationsnachmittag mit dem Titel „Herausforderung Demenz“in der Rieder Rathaus-Turnhalle im Gemeindegebäude ins Leben gerufen.
In einem strahlend orangen Kleid steht die Quartiersmanagerin da und begrüßt ihre Gäste. Das gewählte Kleidungsstück hat einen triftigen Grund: „Ich habe in den Altenheimen mitbekommen, dass ältere Menschen Farben lieben“, sagt sie. Sie will heute Ängste abbauen und mit aktiver Hilfe zeigen, dass das Leben auch nach der Diagnose Demenz noch lebenswert ist.
„In Ried lebt ein älteres Ehepaar. Sie ist dement, ihr Mann nimmt sie aber überall mit“, erzählt sie. „Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen eine gewisse Scheu haben, mit Dementen umzugehen. Sie wollen nichts falsch machen.“Demenzberater, Humortherapeut und Autor Markus Proske zeigt in einem interaktiven Demenzpfad, was es bedeu- tet, an die Grenzen der Sinnesleistung zu kommen. So ermöglicht er es den 40 Interessierten, die sich während des informationsreichen Nachmittages abwechseln, die Welt und die Belastungen eines Menschen mit Demenz sprichwörtlich zu begreifen.
„Was! So schlimm fühlt sich das an“oder „So habe ich mir das aber nicht vorgestellt“– diese und ähnliche Aussagen sind zu hören. In Parcours mit über 20 Stationen, der die Interessierten die Gefühlswelt von Demenzerkrankten kennenlernen lässt, zeigt Proske beispielsweise anhand einer Brille, die eine Sehschwäche imitiert, wie man als Demenzerkrankter Kleingeld aus dem Geldbeutel zählt. „Wie viele von euch haben beim Einkaufen schon mal alte Menschen beobachtet, die der Kassiererin ihren Geldbeutel hinhalten und sagen ,Nehmen Sie es sich bitte passend‘“, lacht er. Denn Humor ist für ihn das Wichtigste. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Humor ist für mich Normalität, auch im Umgang mit Krankheit und Tod. Humor ist Begegnung. Humor löst Glücksmomente aus. Humor schafft Vertrauen.“Als Humortherapeut betreut er regelmäßig Alten- und Pflegeheime. „Lachen in der Pflege“ist neben Musik ein Königsweg im Umgang mit hochbetagten Menschen, so Proske. So erzählt er, dass er Seminare gibt und Vorträge an Schulen und öffentlichen Einrichtungen hält – egal, wo er sich befindet: Humor öffnet Türen. Dabei fällt ihm eine nette kleine Begebenheit ein: „Gestern war ich in einem Altenheim und fragte eine alte Frau, wie alt sie denn nun sei.“„Was – Sie haben das vergessen?“, kam die empörte Antwort.
Proske, der 16 Jahre praktische Erfahrung in der humorvollen Betreuung und Beratung von Altenheimen und Pflegeeinrichtungen hat, will zeigen, wie verwirrend und beängstigend die Umgebung auf Demenzerkrankte wirkt. So hat er neben vielen anderen „Stationen“ein Hör-Memory dabei, bei dem in alten Filmdosen verschiedene Materialien sind. Man muss nun herausfinden, was gleich klingt.
Um den Geschmackssinn Demenzerkrankter nachzufühlen, müssen sich die Gäste die Nase zuhalten und Erdnüsse essen. Und wirklich – kein Geschmack. Erst als die Nase wieder offen ist, schmeckt man die Nüsse. „Was brauchen Demenzerkrankte?“fragt Proske in die Runde. Trost, Bindung, Einbeziehung, Beschäftigung, Identität und viele andere Begriffe prasseln auf den Therapeuten ein.
Es gibt wenige Referenten, die es schaffen, ihr Publikum mit so viel Esprit, Humor und Inspiration zu fesseln. „Beim Demenz-Pfad konnte ich selbst die Hilflosigkeit eines an Demenz Erkrankten spüren. Es hilft mir aber sehr, mich viel besser in die Betroffenen einzufühlen“, sagt eine Teilnehmerin.
Termine Die nächsten Veranstaltun gen der „Kümmerin“Claudia Bordon Vieler sind am Freitag, 24. August, ein offener Singnachmittag, ab 15 Uhr im Rieder Hof und am Mittwoch, 29. August, von 9 bis 15 Uhr ein Erlebnistag mit Kindern beim Lebkuchenherzen backen und eine kleine Wanderung in den Höglwald im Rahmen des Ferienprogram mes der Schule.