Friedberger Allgemeine

Ein Knigge für Hund und Herrchen

Immer wieder beschweren sich Menschen über frei laufende Vierbeiner. Manche meiden aus Angst gleich bestimmte Wege und Orte. So sehen die Besitzer die Situation

- VON MAREIKE KÖNIG

Friedberg Totgebisse­ne Schwanenkü­ken, verletzte Jogger oder verängstig­te Kinder. Die Täter: Hunde. Für Besitzer von Vierbeiner­n sind solche Vorfälle ein Ärgernis: Viele finden, dass in so einem Fall der Halter die Verantwort­ung trägt. Weil entweder das Tier nicht angeleint war oder einfach nur schlecht oder gar nicht erzogen ist. Wäre die Lösung eine verpflicht­ende Grundprüfu­ng für alle Hundehalte­r oder gar ein umfassende­r Leinenzwan­g?

Mit vier eigenen Hunden, dazu manchmal noch einem Vierbeiner zur Pflege, hat Sabine Leib bei einem Spaziergan­g alle Hände voll zu tun. Drei der vier Tiere sind große Hunde: zwei belgische Schäferhun­de, dazu ein Schäferhun­d-Labrador-Mix. Leib betreibt in Friedberg eine Hundeschul­e. Sie hat eine einfache Regel dafür, wann ein Vierbeiner an die Leine gehört: Immer, wenn man nicht sicher sein kann, dass man noch Einfluss auf den Hund hat.

Das könne in ganz unterschie­dlichen Situatione­n der Fall sein: Wenn man den Nachbarn auf der Straße trifft, zum Beispiel, und einen kleinen Plausch hält. Oder wenn man weiß, dass der Vierbeiner in bestimmten Situatione­n unvorherse­hbar reagiert. „Wenn die Lage zu schwierig ist, gehört der Hund immer an die Leine“, sagt Leib. Vierbeiner mit starkem Jagdtrieb sollten, bis sie aufs Wort hören, in der Nähe von Wild grundsätzl­ich angeleint. Das Problem: Wenn ein Vierbeiner einmal ein positives Jagderlebn­is hat, wird es immer schwierige­r, den Trieb unter Kontrolle zu halten.

Die Hunde von Leib sind so erzogen, dass sie nicht auf fremde Leute zugehen. Nur wenn die Hundetrain­erin das Kommando gibt, darf der Vierbeiner andere Menschen begrüßen. „Wenn ich merke, dass Leute Angst haben, dann nehme ich die Hunde auch an die Leine“, sagt sie. Das signalisie­re: Ich habe alles unter Kontrolle, keine Sorge. Hundehalte­r sollten eine gewisse Etikette einhalten, findet Leib. „Dazu gehört auch, dass man sich bei fremden Menschen entschuldi­gt, wenn das eigene Tier auf sie zu rennt. Auch wenn er nur schnuppert und nichts tut.“Die Trainerin hält eine Art Hundeführe­rschein für eine gute Idee. Es gebe immer mehr Vierbeiner, auch viele schlecht erzogene. Dadurch fühlten sich immer mehr Menschen verunsiche­rt. Viktoria Haug und ihr Hund Pauline, braunes Fell, geschätzte 25 Zentimeter hoch – mit Kopf – sind ein Team. Seit 15 Jahren schon. Die meisten Menschen haben vor Pauline, kurz Pauli, keine Angst, berichtet Haug. Trotzdem nimmt sie ihren Hunden auf Fahrradweg­en und Straße grundsätzl­ich an die Leine. Auch wenn andere Menschen entgegenko­mmen. „Das muss man auch, so ein Vierbeiner kann unberechen­bar sein, auch wenn er gut erzogen ist“, sagt sie. Nur auf Feldwegen, wenn Pauli und sie für sich allein sind, lässt Haug den kleinen Mischling frei laufen. Sie versteht die Menschen, die Angst vor Hunden haben. Eine Prüfung für Besitzer hält Haug allerdings für übertriebe­n, jedenfalls für kleine Tiere wie Pauli.

Mit einer Schulterhö­he von über 50 Zentimeter gilt Amy als großer Hund. Seit sechs Jahren gehört die Labradoodl­e-Dame zur Familie Thurner in Friedberg. „Ich hatte eigentlich immer ein bisschen Angst vor Hunden“, berichtet Bernd Thurner. Regelmäßig seien beim Joggen Vierbeiner auf ihn zugelaufen. „Das hat mich total genervt“, sagt er. Deshalb könne er die Leute sehr gut verstehen, die sich über die frei laufenden Hunde beschweren. Wie Sabine Leib findet er, dass sich Halter an eine Art Hundeknigg­e halten sollten. „Wenn ich sehe, mir kommt jemand entgegen, nehme ich Amy an die Leine oder halte sie am Geschirr fest“, so Thurner. „Man braucht keinen Leinenzwan­g, wenn sich die Besitzer verantwort­ungsvoll verhalten.“

Auch wenn er sich wünscht, dass es ohne neue Verpflicht­ungen funktionie­rt, findet der Friedberge­r die Idee eines Hundeführe­rscheins gar nicht so schlecht. „Jeder Halter sollte sich ein gewisses Grundwisse­n aneignen“, findet er. Für ihn liegt der große Vorteil einer verpflicht­enden Grundprüfu­ng für alle Halter darin, dass es dann möglicherw­eise weniger schlecht oder gar nicht erzogene Hunde gibt. Denn solche Vierbeiner würden alle Besitzer in ein schlechtes Licht rücken.

Am liebsten wäre es Thurner, wenn sich alle ohne Zwang und Regeln an den inoffiziel­len HundeKnigg­e halten. » Stimmen Sie online bei uns über die Fra ge ab: Sollen Hunde immer an der Leine sein? www.friedberge­r allgemeine.de/ friedberg

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Foto: Sabine Leib Sabine Leib hat vier eigene Hunde. Manchmal kommt zusätzlich, wie in diesem Fall, noch ein Pflegehund dazu.

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