Ein Schritt zurück, zwei nach vorn
Vor Karriereschritten, die keiner sonst versteht, schreckt Holger Bachthaler nicht zurück. Als Ulmer Fußballtrainer steht er heute im DFB-Pokal gegen Frankfurt
Gäbe es so etwas wie ein offizielles Fußball-Unwort des Jahres, der Begriff „Laptoptrainer“hätte ganz gute Chancen, oben im Klassement mitzumischen. Geprägt hat ihn Ex-Profi Mehmet Scholl, als er der jungen Trainergeneration um Julian Nagelsmann (Hoffenheim) und Domenico Tedesco (Schalke) im Januar vorwarf, ihre Spieler neumodische Spielzüge auswendig lernen zu lassen und dafür das Spiel mit dem Ball zu vernachlässigen.
Holger Bachthaler, Trainer des SSV Ulm 1846 Fußball, ist kein Laptoptrainer. Das ist insofern bemerkenswert, da er erst 2016 die Ausbildung zum Fußballlehrer des DFB bestanden hat – im selben Jahrgang wie Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco. Vielleicht liegt das ja an den rund zehn Jahren Altersunterschied. Der 43-Jährige ist einer, für den als Spieler die Regionalliga das höchste der Gefühle war, in der Saison 1995/96 mit dem FC Augsburg. Einer, der 2002 beim SSV Ulm anheuerte. In der Oberliga, nur drei Spielzeiten nachdem Ulm in der bislang einzigen Bundesliga-Saison abgestiegen und wegen Misswirtschaft bis in die Oberliga durchgereicht worden war. Kurz: Einer, der weiß, dass Fußball harte Arbeit ist.
Am heutigen Samstag steht Holger Bachthaler als Ulmer Trainer an der Seitenlinie im DFB-Pokal. Zu Gast im Donaustadion ist Titelverteidiger Eintracht Frankfurt. Es ist das erste Pokalspiel der Ulmer seit 17 Jahren. Bachthalers Verdienst ist das aber nicht. Sein Vorgänger Tobias Flitsch hat in der vergangenen Spielzeit den WFV-Pokal gewonnen und damit die Qualifikation für den DFB-Pokal geschafft. Flitsch hat den Verein nach der Saison verlassen, wohl nicht ganz freiwillig. Der Sportartikelverkäufer hatte nicht in die Pläne des SSV gepasst, der einen Vollzeittrainer gesucht hat. So einer ist Bachthaler. Ihm trauen sie viel zu an der Donau. Das liegt auch an seiner Herkunft. Bachthaler stammt aus Senden, dazu kommt die Vergangenheit als Spieler bei den Spatzen, wie die Ulmer genannt werden – „Stallgeruch“heißt das wenig vorteilhaft. Fußball spielte in seiner Familie immer eine wichtige Rolle. Sein Vater Karl-Heinz ist Sportdirektor beim benachbarten FV Illertissen. Eigentlich können sich der FVI und die Spatzen nicht sonderlich gut leiden, aber Bachthaler fungiert neuerdings als Kitt. Beim FVI war er selbst fünf Saisonen lang Trainer. Von dort ging er 2017 in die hochdekorierte Jugendabteilung von RB Salzburg. Doch das lag ihm nicht, es zog ihn wieder zurück in die Heimat zum SSV. Vom finanziell gut ausgestatteten Red-Bull-Konzern zurück in die Regionalliga Südwest. Er begründete es mit der Familie. „Ich habe hier als Jugendlicher und Aktiver gespielt. Für mich schließt sich der Kreis“, sagte er bei seiner Vorstellung. Bachthaler, der Heimatverbundene. Einer, der in der Karriere gerne einen Schritt zurück macht, wenn es sich gut anfühlt. Einer, der wenig mit den Laptoptrainern gemeinsam hat.