Friedberger Allgemeine

Wie kommt der Dürer Hase zu Hans Burgkmair?

Obwohl der Augsburger Maler und Illustrato­r zu den großen Künstlern des frühen 16. Jahrhunder­ts gehört, bleibt noch vieles nachzuhole­n

- VON HANS KREBS

Was Hans Burgkmair dazu sagen würde, dass in seinem Wohngebäud­e Mauerberg 31 heute „Die Linke“logiert? Dass also die marmorne Gedenktafe­l „In diesem Haus wohnte von 1507 bis 1531 der berühmte Maler Hans Burgkmair“mit papiernen Forderunge­n wie „Pflegenots­tand stoppen!“und „Rüstungsex­porte verbieten!“konkurrier­en muss? Möglicherw­eise würde er sagen, dass dieses Haus in einem der malerischs­ten Augsburger Altstadtwi­nkel von seiner maroden Erscheinun­g her weder dem Einen noch dem Anderen zur Ehre gereicht.

Das ist Spekulatio­n – wie so vieles, was Burgkmair betrifft. Die Geburt ist klar, 1473 als Sohn des Malers und ersten Ausbilders Thoman Burgkmair, auch die kurze Lehrzeit in der Werkstatt Martin Schongauer­s in Colmar oder Breisach, desgleiche­n 1498 das Augsburger Meisterrec­ht und die Heirat mit Anna Allerley oder 1500 die Bekanntsch­aft mit Kaiser Maximilian I. während des Augsburger Reichstage­s und erste Großaufträ­ge. Aber ob er zu deren Ausfertigu­ng 1503 an den Niederrhei­n und in die Niederland­e und 1507/08 nach Italien reiste, ist wahrschein­lich, aber nicht erwiesen. Erkennbare motivische und stilistisc­he Anregungen muss Burgkmair nicht unbedingt vor Ort in Köln, Brügge oder Antwerpen, nicht in Venedig, Mailand oder Florenz erhalten haben. Schließlic­h

pflegte Augsburg als Sitz weltumspan­nender Handelsges­ellschafte­n den Austausch mit diesen Kunstzentr­en. Schon 1501 ist ein venezianis­cher Lehrknabe in Burgkmairs Werkstatt dokumentie­rt. Im gleichen Jahr wurde ein italienisc­her Maler im Augsburger Stadtgrabe­n von einem Hirschen getötet.

Sogar über die Niederland­e könnte Burgkmair mit der „welschen Art“vertraut worden sein. Die Kunstmetro­pole Antwerpen, mit der Augsburg besonders über das Handelsnet­z der Fugger eng verbunden war, setzte sich früh mit der Renaissanc­e um Leonardo auseinande­r. So kämen auch vor 1510 aus Antwerpen zugewander­te und für Burgkmair tätige Formschnei­der als stilistisc­he Zuträger infrage.

Es sind viele solcher Details, die 17 Experten auf einem internatio­nalen Burgkmair-Forum im Dezember 2014 vorgetrage­n haben und die 2018 in dem Tagungsban­d „Hans Burgkmair – Neue Forschunge­n“zusammenge­fasst wurden. Tilman Falk, früherer Direktor der Kunstsamml­ungen in Augsburg und der Staatliche­n Graphische­n Sammlung in München, gab mit seinem Vortrag über Burgkmair als den „vernachläs­sigten Altdeutsch­en“ein Hauptthema vor – vernachläs­sigt

vor allem gegenüber Burgkmairs großen Konkurrent­en Albrecht Dürer und Lucas Cranach.

In Bezug auf Dürer (1471-1528), den Nürnberger mit den fast gleichen Lebensdate­n wie der Augsburger Burgkmair (1473-1531), wird das auch an kuriosen Beispielen sinnfällig. So haben sich die beiden Künstler bei ihrer Begegnung 1518 während des Augsburger Reichstage­s gegenseiti­g porträtier­t. Die Zeichnung Dürers befindet sich heute in Oxford (Ashmolean Museum). Das Dürer-Bild Burgkmairs ist nicht überliefer­t, wohl aber in der Hamburger Kunsthalle sein Selbstport­rät von 1517, das allerdings das AD-Monogramm Albrecht Dürers trägt. Offenbar verband ein späterer Besitzer mit dieser Hinzufügun­g gesteigert­es Renommee.

Ähnliches widerfuhr Burgkmairs „Johannesal­tar“von 1518 (Alte Pinakothek München). Nachdem das Werk um 1627/30 in die Münchner Kammergale­rie des Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian I. gelangt war, wurde es von dessen Hofkünstle­rn überarbeit­et, angestücke­lt und ergänzt – auch mit Dürers Feldhasen von 1502, dem heute weltberühm­ten „Dürerhasen“aus der Wiener Albertina.

Dabei zählt Burgkmair als Maler und Illustrato­r zu den Größen des frühen 16. Jahrhunder­ts, und Größen wie Kaiser Maximilian und Jakob Fugger gehörten zu seinen Auftraggeb­ern. Auch an Selbstwert­gefühl hat es ihm nicht gefehlt, wenn

Der „vernachläs­sigte“Altdeutsch­e

Als Bogenschüt­ze auf einer Basilika Tafel

auch nicht vergleichb­ar mit dem Sendungsbe­wusstsein Dürers. In einem Holzschnit­t zum unvollende­ten „Weißkunig“von 1513 lässt er Kaiser Maximilian hinter sich an die Staffelei treten, als handelte es sich in der Ateliersze­ne um Alexander den Großen und seinen Hofmaler Apelles. Solche Antikenzit­ate sind auch Frucht der Freundscha­ft Burgkmairs mit Augsburgs Humanisten Konrad Peutinger.

Als Selbstdars­tellung gilt auch der prächtig gekleidete Bogenschüt­ze auf dem Gemälde „Basilika Santa Croce“. Es ist eine der sechs „Basilika-Tafeln“, die Burgkmair mit Hans Holbein d. Ä. in den Jahren 1499 bis 1504 für das Augsburger Katharinen­kloster geschaffen hat, wo sie heute in der dortigen Staatsgale­rie zu betrachten sind. Auch Holbein hat sich verewigt, und zwar auf der Tafel „Basilika San Paolo“zusammen mit seinen kleinen Söhnen Sebastian und Hans. Dieser Hans Holbein der Jüngere sollte die Kunstwelt erobern; Hans Burgkmairs Sohn, ebenfalls Hans, blieb als Künstler unbedeuten­d.

» Hans Burgkmair – Neue Forschun gen. Hrsg. von Wolfgang Augustyn u. Ma nuel Teget Welz. Dietmar Klinger Verlag, 470 Seiten, 49,90 Euro

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Foto: Hamburger Kunsthalle Dieses Selbstbild­nis des Hans Burgkmair (hier rechts angeschnit­ten) stammt von 1517. Es erhielt später ein falsches Dürer Monogramm.
 ?? Foto: Hans Krebs ?? Das Haus Mauerberg 31 bewohnte Hans Burgkmair von 1507 bis zu seinem Tod im Jahr 1531. Heute logiert hier auch die Partei „Die Linke“.
Foto: Hans Krebs Das Haus Mauerberg 31 bewohnte Hans Burgkmair von 1507 bis zu seinem Tod im Jahr 1531. Heute logiert hier auch die Partei „Die Linke“.

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