Friedberger Allgemeine

Jesidin flieht aus Deutschlan­d

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Erbil/Karlsruhe Die Jesidin Aschwak Hadschi Hamid Talo kam nach Deutschlan­d, um den Mann zu vergessen, der sie einst für 100 Dollar auf einem Sklavenmar­kt in Mossul gekauft hatte. Doch ausgerechn­et in Baden-Württember­g will sie ihren Peiniger von der Terrormili­z IS wiedergetr­offen haben. Sie floh zurück in den Irak und fühlt sich von den deutschen Behörden nicht ernst genommen. „Niemand hört uns, niemand glaubt uns“, klagt sie. Politiker fordern Aufklärung. Doch die Ermittler stoßen an Grenzen.

Die Untersuchu­ng des Falls stockt. Seit Juni ist die Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe damit befasst. Sie betonte, sie nehme die Schilderun­gen „sehr ernst“. Doch eine Befragung scheiterte bisher, weil die 19-Jährige nicht in Deutschlan­d sei. „Unsere Hoheitsbef­ugnisse enden an der deutschen Grenze“, sagte Sprecherin Frauke Köhler. „Wir können nicht ins Ausland fliegen und da Zeugenbefr­agungen machen.“Auch das Landeskrim­inalamt in Baden-Württember­g hatte mitgeteilt, die Ermittlung­en könnten nicht fortgeführ­t werden, da die Zeugin „aktuell nicht erreichbar ist“.

Es sind Aussagen, über die sich Aschwak wundert. Die deutschen Behörden hätten sie zuletzt nicht kontaktier­t, obwohl sie im Nordirak erreichbar sei, sagt sie am Telefon. „Warum rufen die mich nicht an?“Sie wolle den Behörden weiter helfen, nachdem sie in Deutschlan­d bereits ein Phantombil­d mit der Polizei angefertig­t hatte. Schließlic­h sei ihre Geschichte kein Einzelfall, behauptet die 19-Jährige.

Nach Deutschlan­d will Aschwak nicht zurückkehr­en. „Ich habe zu viel Angst“, sagt sie.

Soll Deutschlan­d der Türkei, die in einer tiefen Wirtschaft­skrise steckt, aus der Patsche helfen? Und zwar unabhängig von politische­n Auseinande­rsetzungen mit Präsident Erdogan? Andrea Nahles denkt jedenfalls laut darüber nach. Doch damit hat sich die SPD-Chefin und Fraktionsv­orsitzende mächtig vergaloppi­ert. Mit deutschen Steuermill­iarden, und derer viele würde es bedürfen, einen Despoten stützen, der den Schlamasse­l durch seine haarsträub­ende Politik selbst verursacht hat? Das wäre mehr als töricht.

Dabei gehen die Überlegung­en der obersten Sozialdemo­kratin durchaus von richtigen Voraussetz­ungen aus. Die Türkei ist und bleibt im Grundsatz ein wichtiger Partner für Deutschlan­d, nicht nur militärisc­h, wirtschaft­lich oder in der Flüchtling­spolitik. Das deutsche Verhältnis zur Türkei ist vor allem wegen der Millionen türkischst­ämmiger Menschen, die in der Bundesrepu­blik leben, ob mit deutschem, türkischem oder Doppel-Pass, ein ganz besonderes. Niemals kann und darf das Schicksal der Türkei den Deutschen egal sein.

Doch die Freundscha­ft ist massiv gestört, seit der türkische Präsident Erdogan das Land am Bosporus immer weiter in Richtung Diktatur führt. Und damit näher und näher an den Abgrund. Einen gescheiter­ten Putschvers­uch hat Erdogan für einen gewaltigen Feldzug gegen alle im Land genutzt, die er als Gegner betrachtet. Menschenre­chte zählen

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