Friedberger Allgemeine

„Tatort“-Erfinder Gunther Witte ist tot

Gunther Witte entwickelt­e das Konzept für die ARD-Krimi-Reihe. Dass sie einmal zum Sonntagabe­nd-Ritual der Deutschen werden würde, war nicht abzusehen. Witte wurde 82 Jahre

- VON DANIEL WIRSCHING ARD-Verantwort­liche ZDF WDR

Augsburg Ein Autobahnra­stplatz nördlich von Leipzig. Die Leiche des etwa fünfjährig­en Jungen weist keinerlei äußere Verletzung­en auf. Bemerkensw­ert: Sie hat Schuhe an, die aus der Bundesrepu­blik stammen; die Kleidung aber stammt aus der DDR. Kurios auch: Diese erste Leiche aus dem ersten „Tatort“, der am 29. November 1970 gesendet wurde, spielte ein damals neunjährig­es Mädchen. Fast noch kurioser: Dieser erste „Tatort“war ganz genau genommen gar nicht der erste.

„Jeder kramte irgendetwa­s raus, was er schon in der Schublade hatte“, erinnerte sich Gunther Witte einmal. „Plötzlich war ,Taxi nach Leipzig‘ der erste ,Tatort‘, obwohl er gar nicht als solcher gedreht worden war.“wollten dem etwas entgegense­tzen, das 1969 sehr erfolgreic­h die

„Ich hatte ganz schön Muffensaus­en.“Gunther Witte

Krimiserie „Der Kommissar“ins Programm genommen hatte. So erhielt „Taxi nach Leipzig“das „Tatort“-Etikett und der „Tatort“wurde zum Kult. Während „Der Kommissar“heute weitgehend vergessen ist. „Tatort“-Erfinder Gunther Witte wird nicht mehr von diesen Anfängen der Erfolgs-Krimi-Reihe erzählen können – er starb überrasche­nd am vergangene­n Donnerstag im Alter von 82 Jahren in Berlin, teilte der am Montag mit.

Dass der Kommissar die unbestritt­ene Hauptfigur ist und im Mittelpunk­t steht; dass es immer um ein gesellscha­ftspolitis­ch bedeutsame­s Problem gehen soll, das waren seine Ideen. Ebenso das sogenannte Regionalpr­inzip, demzufolge die

ARD-Sender jeweils eigene Ermittler in Städten ihres Sendegebie­ts einsetzen. Ob das funktionie­rt? Witte hatte Bedenken. „Ich wusste ja, dass es nirgendwo auf der Welt eine Krimireihe mit zehn verschiede­nen Kommissare­n gab“, sagte er. „Ich hatte ganz schön Muffensaus­en.“

Seit 1963 war Witte beim WDR. Erst als Redakteur und Dramaturg in der Abteilung Fernsehspi­el, später als deren Leiter. 1969 bekam er als einfacher Redakteur bei einem Spaziergan­g mit seinem Chef im Kölner Stadtwald den Auftrag, eine Krimiserie zu entwickeln. Es musste schnell gehen, die ARD wollte ja gegen das ZDF bestehen. So entwickelt­e Witte – 1935 in Riga (Lettland) geboren und in Berlin aufgewachs­en – unter hohem Zeitdruck ein Konzept. Und das ging auf. Auch wenn es, was angesichts beständig neuer Quotenreko­rde leicht vergessen wird, vergleichs­weise schwache „Tatort“-Jahre gab.

„Mit seiner einzigarti­gen Erfindung der ,Tatort‘-Reihe hat er den

WDR und das deutsche Fernsehen so nachhaltig geprägt wie kaum ein anderer“, sagte WDR-Intendant

Tom Buhrow am Montag zum Tod Wittes. Sonntag, 20.15 Uhr, sei nach wie vor „Tatort“-Zeit. „Das, was er geschaffen hat, bleibt und wird unsere Zuschauer weiterhin bereichern.“Gunther Witte war von 1979 bis 1998 Fernsehspi­el-Chef des

WDR. Zu den Produktion­en, an denen er beteiligt war, zählen unter anderem Volker Schlöndorf­fs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Auch der Start der „Lindenstra­ße“fiel in seine Ära. 2001 erhielt er den Grimme-Preis. Sein Lieblingse­rmittler im „Tatort“war übrigens Schimanski.

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 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Gunther Wittes Name wird immer mit dem „Tatort“verbunden sein. Als WDR Redakteur entwickelt­e er die Krimi Reihe 1969. Auf dem Foto hält er ein Szenenbild aus der erste Folge in seinen Händen: „Taxi nach Leipzig“.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Gunther Wittes Name wird immer mit dem „Tatort“verbunden sein. Als WDR Redakteur entwickelt­e er die Krimi Reihe 1969. Auf dem Foto hält er ein Szenenbild aus der erste Folge in seinen Händen: „Taxi nach Leipzig“.

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