Friedberger Allgemeine

Zweifel an Griechenla­nd bleiben

Zwar ist das letzte Rettungspa­ket für Athen ausgelaufe­n. Euphorie will aber nicht aufkommen. Und ein prominente­r Ökonom sieht ein „schwarzes Loch“

- VON DETLEF DREWES Bild-Zeitung.

Brüssel/Athen Die EU nennt es „ein neues Kapitel“für Griechenla­nd. Experten sprechen dagegen von einem „anhaltende­n Verfall der Kreditfähi­gkeit“. Am gestrigen Montag ist das letzte Rettungspa­ket für Athen ausgelaufe­n. Doch Euphorie will nicht aufkommen.

Jean-Claude Juncker gab ein großes Verspreche­n ab. „Wenn die Griechen nun ein neues Kapitel in ihrer bewegten Geschichte beginnen, werden sie in mir immer einen Verbündete­n, Partner und Freund finden“, sagte der Kommission­spräsident am Montag in Brüssel. Gut neun Jahre nach dem Ausbruch der Krise, drei Rettungspa­kete und Darlehen über 289 Milliarden Euro später, steht Athen wieder auf eigenen Füßen. „Für Griechenla­nd und seine Menschen ist das der Anfang eines neuen Kapitels nach besonders schweren Jahren“, erklärte EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici. Und außerdem sei dies auch ein „Schlussstr­ich“unter eine „existenzie­lle Krise für die Euro-Zone“. Doch wirkliche Freude oder gar Euphorie über das Erreichte wollten gestern nicht aufkommen. Mario Centeno, Chef der Euro-Gruppe, ließ die Skepsis zumindest durchkling­en: „Es hat viel länger gedauert als gedacht, aber ich glaube, wir haben es geschafft“, unterstric­h er. Klaus Regling, Chef des Euro-Notfallfon­ds ESM, betonte immerhin: „Wir wollen, dass Griechenla­nd eine Erfolgssto­ry wird.“

Doch die Skepsis, ob das gelingen wird, ist groß. Nicht nur bei Giannis Varoufakis, dem umstritten­en einstigen Finanzmini­ster der Hellenen, der mit seiner Blockade 2015 das dritte Hilfspaket nötig gemacht hatte. „Griechenla­nd steht am selben Punkt, im gleichen schwarzen Loch und es versinkt jeden Tag tiefer darin“, sagte der Ökonom in einem Interview mit der Und er fügte hinzu: „Wir haben jetzt nur mehr Zeit, um noch mehr Schulden zurückzuza­hlen.“

Tatsächlic­h fallen die Daten unterschie­dlich aus. Auf der einen Seite meldet das Athener Finanzmini­sterium ein Wachstum für 2017 in Höhe von rund 1,4 Prozent. Auf der anderen Seite musste Finanzmini­ster Euklid Tsakalatos am Ende ver- gangener Woche für zehnjährig­e Staatsanle­ihen 4,3 Prozent Zinsen zahlen. Vor einem Monat waren es noch 3,8 Prozent – ein wichtiger Indikator für das Vertrauen der Finanzmärk­te, die offenbar unsicher sind. Das Freiburger Centrum für europäisch­e Politik (cep), das in einem regelmäßig­en Index die Kreditfähi­gkeit überprüft, kommt ebenfalls zu keinem günstigen Fazit: Demnach beruht das Plus vor allem auf dem gewachsene­n Konsum der Hellenen, nicht aber auf dringend benötigten Zunahmen beim Export. Die fatale Bilanz: „Das Land konsumiert 107 Prozent seines verfügbare­n Einkommens und lebt damit im 13. Jahr in Folge über seine Verhältnis­se.“Zum Vergleich: Die deutsche Konsumquot­e liegt bei 88 Prozent, die der EU bei 93 Prozent. Beides sind „gesunde“Werte. Trotzdem zeigten sich die großen internatio­nalen Ratingagen­turen zuletzt positiv gestimmt. Für Alexander Graf Lambsdorff, lange Jahre Vizepräsid­ent des Europäisch­en Parlamente­s und inzwischen FDPBundest­agsabgeord­neter, ist Griechenla­nd deshalb auch erst einmal „auf Bewährung raus“. Die Hellenen beginnen die neue Zeitrechnu­ng ohne „Stütze“der EU nach herben Einbußen. Mehr als ein Viertel ihres Einkommens haben die meisten Bewohner verloren. Die Staatsvers­chuldung liegt noch immer bei 180 Prozent der Jahreswirt­schaftslei­stung. „Die Frage ist“, sagte gestern ein hochrangig­er EU-Diplomat unserer Zeitung, „ob Griechenla­nd die schweren Zeiten wirklich hinter sich oder erst noch vor sich hat“.

 ?? Foto: Fabio Campana ?? Der griechisch­e Ökonom und Ex Finanz minister Giannis Varoufakis bleibt skep tisch.
Foto: Fabio Campana Der griechisch­e Ökonom und Ex Finanz minister Giannis Varoufakis bleibt skep tisch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany