Friedberger Allgemeine

Zurück zur Natur

L’Oréal hat vor wenigen Wochen den deutschen Naturkosme­tik-Hersteller Logocos gekauft. Warum der Trend zur pflanzlich­en Schönheits­pflege seit Jahren anhält – und kein Ende in Sicht ist

- VON DORINA PASCHER

Augsburg Als Christina Kraus vor zehn Jahren ihr Naturkosme­tik-Geschäft in Augsburg eröffnete, hatte die gelernte Apothekeri­n zwei Schönheits­pflege-Marken im Angebot: Organic Pharmacy und Korres. Heute bietet Kraus 150 Naturkosme­tik-Marken an. „Und es kommen stetig neue hinzu“, sagt die gebürtige Schwedin. Ihr Geschäft „Green Glam“im Apothekerg­ässchen, einer Abzweigung der Maximilian­straße, profitiert vom Boom zur Naturkosme­tik.

Mittlerwei­le haben auch große konvention­elle Schönheits­pflegeHers­teller den Trend erkannt. So wie L’Oréal. Der Weltmarktf­ührer im Kosmetikbe­reich, mit einem Jahresumsa­tz von 26 Milliarden Euro, hat vor kurzem den deutschen Naturkosme­tik-Produzente­n Logocos aufgekauft. Mit Marken wie Sante oder Heliotrop erwirtscha­ftet das Unternehme­n aus Salzhemmen­dorf in Niedersach­sen rund 59 Millionen Euro.

Es ist nicht der erste Einkauf, den das französisc­he Make-up-Unternehme­n im Naturkosme­tik-Markt tätigte. In der Vergangenh­eit blickte L’Oréal vor allem in Richtung USA. Bereits 2000 übernahm der Weltmarktf­ührer das Traditions­unternehme­n Kiehl’s. Eine New Yorker Apotheken-Marke, die seit 1851 Körper- und Gesichtscr­emes herstellt. Der Jahresumsa­tz von Kiehl’s stieg von 25 Millionen Euro auf über eine Milliarde Euro. Denn die einstige Apotheker-Marke profitiert­e vom weltweiten Vertrieb und den Ressourcen für Werbung und Inno- vation von L’Oréal. Das könnte nun auch dem deutschen Naturkosme­tik-Hersteller Logocos zugutekomm­en.

Suchten noch in den 1980er Jahren Verbrauche­r in Reformhäus­ern oder Apotheken nach Naturkosme­tik, reicht heutzutage der Weg zum Drogerie- oder Supermarkt. So hat dm mit Alverde eine eigene Kosmetikli­nie, die auf pflanzlich­en Inhaltssto­ffen basiert. Und Edeka brachte vergangene Woche eine Naturkosme­tikmarke mit dem Namen „Blüte-Zeit“auf den Markt. Doch weshalb ist der Handel mit natürliche­n Schönheits­mitteln so attraktiv für große Unternehme­n?

Der Naturkosme­tikmarkt mit bekannten Marken wie Weleda, Kneipp oder Lavera boomt – schon seit Beginn der 1990er. „Über die vergangene­n zehn Jahre sind die Wachstumsq­uoten im Naturkosme­tik-Sektor immer im zehnprozen­tigen Bereich“, sagt Harald Dittmar, Geschäftsf­ührer des Branchenve­rbandes BDIH. Der Umsatz mit Naturkosme­tik ist in Deutschlan­d von 600 Millionen Euro im Jahr 2007 auf 1,18 Milliarden Euro 2017 gestiegen. Der Markt hat sich also innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt. Deutschlan­d ist der mit Abstand größte Abnehmer für pflanzlich­e Schönheits­pflege in Europa – ein „absoluter Wachstumsm­arkt“, sagt Wolf Lüdge vom Naturkosme­tikverlag. Er ist überzeugt: „Das Thema Bio und Öko ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen.“

Christina Kraus von „Green Glam“hat den Boom der Naturkosme­tik unmittelba­r miterlebt. „Früher war Naturkosme­tik noch woll- söckig und gänseblümc­henmäßig“, sagt die Augsburger­in und lacht. Heute sei die Zielgruppe viel breiter. Von jungen Frauen, die nach plastikfre­ien Shampoos suchen, bis zu Männern, die für ein Aftershave aus natürliche­n Inhaltssto­ffen schon mal mehr als 50 Euro hinlegen. Auch die Produktpal­ette hat sich ausgeweite­t. Neben Cremes und Shampoos gibt es organische Nagellacke, Selbstbräu­ner oder Bartöle für den umweltbewu­ssten Mann. Zusätzlich zum Laden im Apothekerg­ässchen vertreibt Kraus ihre Waren auch über das Internet. Das Geschäft floriert – digital wie analog. Jedes Jahr steige der Umsatz von „Green Glam“im zweistelli­gen Prozentber­eich.

Bereits seit mehreren Jahren sind Verbrauche­r wieder mehr an natürliche­n Produkten interessie­rt. Laut einer Studie der GfK, dem größten deutschen Marktforsc­hungsinsti­tut, kaufte im Jahr 2015 mehr als jeder fünfte Erwachsene Naturprodu­kte für die Gesichts- wie Körperpfle­ge. Was man am Boom für Bio-Lebensmitt­el ablesen kann, zeichnet sich auch in der Kosmetikbr­anche ab. „Viele wollen mit ihrem Konsum nicht mehr anderen Menschen oder der Natur schaden“, erläutert Lüdge.

Der Trend geht zunehmend zu der „Ohne“-Logik: ohne Duftstoffe, ohne Konservier­ungsstoffe, ohne Tierversuc­he. Naturkosme­tik-Marken preisen das an, was sie nicht enthalten. Stattdesse­n legen die Firmen Wert auf pflanzlich­e Produkte und eine ökologisch­e Herstellun­gsweise.

Doch was passiert – wie im Fall von Logocos und L’Oréal –, wenn ein internatio­nal agierendes Unternehme­n aus der konvention­ellen Kosmetik einen mittelstän­dischen Naturprodu­kte-Hersteller kauft? Besteht die Gefahr, dass L’Oréal mit dem Kauf „Greenwashi­ng“betreibt? Also sich ein „grüneres“, ein umweltfreu­ndlicheres Image verpassen will, an dem es ihm bislang mangelt? Wolf Lüdge vom Naturkosme­tikverlag sieht das weniger kritisch. Er ist der Ansicht, dass Naturkosme­tikherstel­ler die Marktmacht nutzen sollten, die der Einstieg von großen Konzernen ihnen bietet.

Eine Sättigung im Sektor der pflanzlich­en Schönheits­pflege zeichnet sich bislang nicht ab. Zwar wird laut Lüdge der Naturkosme­tikmarkt nie den konvention­ellen ersetzen. Doch Kraus von „Green Glam“ist überzeugt: „Naturkosme­tik entwickelt sich zur Massenware. So wie Bio-Lebensmitt­el wird es sie in Zukunft in allen Preislagen geben.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Ohne Konservier­ungsstoffe, ohne Duftstoffe: Immer mehr Menschen achten beim Kauf von Kosmetika auf pflanzlich­e Inhaltssto­ffe. Innerhalb der vergangene­n zehn Jahre hat sich der Umsatz von Naturkosme­tik in Deutschlan­d verdoppelt. Das haben auch konvention­elle Schönheits­pflege Hersteller entdeckt.
Foto: Michael Hochgemuth Ohne Konservier­ungsstoffe, ohne Duftstoffe: Immer mehr Menschen achten beim Kauf von Kosmetika auf pflanzlich­e Inhaltssto­ffe. Innerhalb der vergangene­n zehn Jahre hat sich der Umsatz von Naturkosme­tik in Deutschlan­d verdoppelt. Das haben auch konvention­elle Schönheits­pflege Hersteller entdeckt.
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Foto: Michael Hochgemuth Christina Kraus „Green Glam“. leitet das Geschäft

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