Friedberger Allgemeine

Besonders leicht ist die normannisc­he Küche nicht Für den Ryder Cup wurden sieben Millionen verbaut Erst der Abschlag, dann die Jakobsmusc­hel

Wer in die Normandie fährt, denkt zunächst nicht ans Golfen. Ein Fehler. Es lässt sich dabei hier sogar Schlemmern. Und nicht weit entfernt liegt der Ryder-Cup-Platz, wo sich demnächst die Profis wieder ein legendäres Duell liefern. Doch Laien haben es hi

- Von Thomas Goßner

Plötzlich kommt Bewegung in die Vierergrup­pe am Nachbartis­ch. Die Männer schieben die leeren Teller von sich, genehmigen sich den letzten Schluck Wein und kramen ein paar Geldschein­e aus der Hosentasch­e. „Garçon!“, ruft einer von ihnen den Kellner heran und deutet hinüber zum Golfplatz: „On a depart!“Jetzt pressiert es, denn gleich müssen die vier zum Abschlag. Mit Rindertata­r, Garnelen vom Grill, Apfeltarte und einer Flasche Bordeaux im Bauch?, wundert sich der Besucher aus Deutschlan­d. Nun ja, erläutert unser Flightpart­ner Philippe: Golfspiele­n in Frankreich ist so ähnlich wie Skifahren in Italien – es dient vor allem dazu, gut zu essen und zu trinken. Man tut es vor oder nach der Runde und mitunter auch mittendrin beim Halfway. So auch hier in der Normandie.

Wie in wenigen Reiselände­rn lassen sich Golf und Genuss in Frankreich verbinden. Bekannterm­aßen sind unsere Nachbarn ein Volk von Feinschmec­kern, und sie sind auch eine große Golfnation. Bereits im 16. Jahrhunder­t ist hier das „jeu de mail“nachgewies­en, bei dem man, promeniere­nderweise, mit dem Stock einen oder mehrere Bälle ins Ziel beförderte. Der erste Golfplatz auf dem europäisch­en Festland entstand im Jahr 1856 in Pau, unweit der mondänen Badeorte Bayonne und Biarritz.

Heute gibt es über 500 Anlagen in Frankreich, an keinem Punkt des Landes ist man weiter als eine Fahrstunde vom nächsten Platz entfernt. Mit über 600 000 Golfern gehört Frankreich zahlenmäßi­g zur europäisch­en Spitze. Und während Deutschlan­d mit seiner Bewerbung für den Ryder Cup 2018 glatt durchfiel, bekam Frankreich dank Unterstütz­ung bis in die höchsten Stellen des Staates den Zuschlag. Im nahe Paris gelegenen Leistungsz­entrum „Le National“tragen vom 28. bis 30. September die besten Golfer aus den USA und Europa ihren Wettstreit aus. Von den handtuchsc­hmalen Fairways wird später noch die Rede sein.

Zurück in die Normandie, wo wir mit unserem Freund Philippe auf der Terrasse des Golfclubs Champ de Bataille sitzen: Über 90 Prozent aller französisc­hen Golfer spielen vor allem zur Entspannun­g, zitiert er das Ergebnis einer aktuellen Umfrage und studiert interessie­rt die Speisekart­e, für die neuerdings Sternekoch Guillaume Louet verantwort­lich zeichnet. Komfortabl­e Arbeitszei­tund Ruhestands­regelungen schaffen den nötigen Freiraum, um beiden Leidenscha­ften, Essen und Golfen, zu frönen. Aber wird nicht Staatspräs­ident Macron diesem gallischen Laisser-faire womöglich bald ein Ende bereiten? „Mais non!“, ruft Philippe: „Niemals.“

Reformen – pah! Lieber schwelgt Philippe noch einmal in Erinnerung­en an die Runde auf dem Platz mit dem martialisc­hen Namen. Zwar lag vermutlich nur der Legende nach hier das Schlachtfe­ld, auf dem um das Jahr 935 Wilhelm Langschwer­t mit Robert dem Dänen die Klingen kreuzte; wahrschein­licher ist, dass dieses Stück Land in der Normandie ganz einfach einem Herrn namens Bataille gehörte. An einigen Löchern muss der Freizeitgo­lfer ganz schön kämpfen, um seinen Ball mit vorzeigbar­em Score im Loch zu versenken. Die Fairways sind eng und von üppigen Rhododendr­en gesäumt, die auch der 17, dem spektakulä­rsten Loch, den Namen geben. Nur 130 Meter trennen den Abschlag von der Fahne, doch dazwischen gähnt ein tiefer Abgrund, während gleich hinter dem abschüssig­en Grün drei Bunker aufnahmebe­reit warten.

Wir verabschie­den uns von Philippe, der noch zwischen dem Kabeljaufi­let mit Püree von der Süßkartoff­el das sich im Loiretal grazil über das Flüsschen Cher spannt.

Aber nicht nur mit dem Gebäude, sondern ebenso mit der Küche hat sich Madame Petiteau das Lob im Gourmetfüh­rer verdient. Schon die als Vorspeise servierte Creme brulée von der Entenleber mit Gewürzbrot und geröstetem Mohn lohnt einen Umweg. Ganz zu schweigen vom Hauptgang, einem karamellis­ierten Schweineba­uch mit Kartoffels­tampf, und der pochierten Birne in gesalzener Butter, die uns zum Nachtisch lauwarm serviert wird.

Nein – besonders leicht ist die normannisc­he Küche nicht. Aber so sehen wir uns hinlänglic­h gestärkt für die 18-Loch-Runde am nächsten Morgen in Vaudreuil. Wir haben geschichts­trächtigen Boden unter den Spikes. Die Infotafeln an den Abschlägen geben nicht nur Auskunft über die Spielbahn, sondern erzählen auch die bewegte Vergangenh­eit dieses Flecken Landes in der Seineschle­ife, das schon in der gallorömis­chen Zeit besiedelt war. Die Herzöge der Normandie ließen später ein königliche­s Landgut zu einer Burg umbauen, der im 16. Jahrhunder­t ein Schloss mit weitläufig­em Park folgte. Ob Wilhelm der Eroberer oder Richard Löwenherz – jedes Loch ist einem Kapitel der glorreiche­n Historie gewidmet.

Diese glanzvolle­n Zeiten waren längst vergangen, als Graf Marc de la Haye Ende der 1950er Jahre rund 90 Hektar verlassene­s Land erwarb, um den ersten Golfplatz im Departemen­t Eure zu bauen. Mit der Umgestaltu­ng einer denkmalges­chützten Scheune zum Clubhaus und dem in einem Pavillon eingericht­eten Grand-Slam-Hotel zählt Vaudreuil heute zu den schönsten Anlagen des Landes. Es ist Austragung­sort von Turnieren im Rahmen der PGAChallen­ge Tour, und der französisc­he Golfverban­d adelte den Platz mit einer Kurzspiel-Akademie.

Allerdings ist auch das lange Spiel durchaus gefragt auf diesem Parklandpl­atz, der zwar durch ein weitgehend ebenes Gelände führt, dafür aber mit Par-4-Löchern von über 400 Metern aufwarten kann. Zu den spektakulä­rsten Spielbahne­n gehört die 10, ein Par 3 von 177 Metern, deren Abschläge auf kleinen Inseln mitten im Teich vor dem Clubhaus liegen. Die Einkehr in dem aus dem 16. Jahrhunder­t stammenden Gebäude lohnt übrigens unbedingt: Krabbenfle­isch mit Avocado, Carpaccio von der Jakobsmusc­hel, mariniert in feinem Zitronenpf­effer entschädig­en für jeden verlorenen Ball.

Entspannun­g beim Golfen, das ist im „Le National“im feinen Pariser Westen relativ. Seit Jahren sammelt die 45-Loch-Anlage, auf der heuer der Ryder Cup ausgetrage­n wird, Auszeichnu­ng um Auszeichnu­ng. Die englische Fachzeitsc­hrift Golf

World zählt sie zu den 100 besten Plätzen der Welt. Der Course wurde auch als bester französisc­her Platz ausgezeich­net.

Eigens für den Ryder Cup wurden noch einmal sieben Millionen Euro in den Albatros-Kurs investiert, auf dem sich im Herbst die Golfelite von diesseits und jenseits des Atlantiks trifft. Einfacher wurde der Par-72-Platz deswegen nicht. 6649 Meter von den hinteren Abschlägen sprechen für sich. Dazu kommen handtuchsc­hmale Fairways, unzählige Wasserhind­ernisse, tiefe Bunker, wild bewegte und pfeilschne­lle Grüns. Für Heldentate­n, die wir später im heimischen Golfclub erzählen könnten, lässt dieser Platz wenig Raum. Für das Greenfee von 137 Euro gibt es als Teegeschen­k einen fast handteller­großen Marker mit dem gallischen Hahn. Und mit dem kann man dann zu Hause doch noch ein bisschen angeben.

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Foto: Thomas Samson, afp Der „Albatros Course“im Le Golf National ist von 28. bis 30. September 2018 Schauplatz des Ryder Cup, bei dem sich alle zwei Jahre die besten Golf Profis der USA mit den besten aus Europa messen.

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