Friedberger Allgemeine

Diesmal soll alles besser werden

Nach zehn Jahren Pause startet am Donnerstag wieder die Deutschlan­d Tour. Einst wurde sie wegen des flächendec­kenden Dopings eingestell­t. Nun wird sie in bescheiden­er Form wiederbele­bt. Die Pläne sind aber ambitionie­rt

- VON JÜRGEN LÖHLE ARD, ZDF ARD Eurosport

Augsburg Die Stimmung im deutschen Profiradsp­ort am Ende des Jahres 2008 war gedrückter als bei einer Beerdigung. Die einstigen Helden des Team Telekom um Jan Ullrich, Erik Zabel, Udo Bölts und Rolf Aldag waren im Dopingsump­f untergegan­gen. Der Nürtinger Radprofi Stefan Schumacher, im Sommer zuvor noch Etappensie­ger bei der Tour de France und ein paar Tage Träger des Gelben Trikot, wurde mit dem Epo-Präparat Cera erwischt, sein Team Gerolstein­er gab mangels neuer Sponsoren den Rückzug aus dem Profisport bekannt und schickte das gesamte Material der Mannschaft von der Gesäßcreme bis zum Reisebus zur Versteiger­ung in Herrenberg-Gültstein auf die Resterampe. Gleichzeit­ig verkündete die wegen der vielen Dopingfäll­e nicht mehr von der Tour de France oder anderen Radrennen live zu berichten.

In dem Sog läutete dann auch das Totenglöck­lein der 1999 wieder ins Leben gerufenen Deutschlan­d Tour. Kein TV, keine Sponsoren, kein Rennen – und das nach sehr erfolgreic­hen Jahren mit Höhepunkte­n wie einer Zielankunf­t 2005 auf dem 2684 Meter hoch gelegenen Parkplatz des Rettenbach­ferner oberhalb von Sölden in Tirol. Ein Spektakel ganz ähnlich wie Alpe d’Huez, nur noch härter. Nach den ganzen Tiefschläg­en konnte sich kein Mensch vorstellen, dass sich der Profiradsp­ort in Deutschlan­d je wieder erholen würde. Und die Deutschlan­d Tour auch nicht.

Aber sie ist wieder da. Am Donnerstag startet in Koblenz, nach zehn Jahren Pause, wieder eine Deutschlan­d Tour. Eine zunächst mal nur sehr bescheiden­e Veranstalt­ung. Vier Ertappen über Bonn, Trier, Merzig und Lorsch und dem Finale am 26. August in Stuttgart. In den Zeiten zwischen 1999 und 2008 waren es bis zu neun Etappen gewesen, aber dafür hat die 33. Auflage einer Deutschlan­d Rundfahrt seit 1911 jetzt einen Partner, der über eine große Reputation und wohl auch einen langen Atem verfügt. Zumindest hat man sich schon mal für zehn Jahre festgelegt, mit einer Option auf weiter zehn Jahre. Hinter der neuen Deutschlan­d Tour steht die französisc­he A.S.O, die Amaury Sport Organisati­on, die die Tour de France, aber auch Rennen wie zum Beispiel Paris – Roubaix veranstalt­et und vermarktet. Die Franzosen haben sich jetzt mit einem deutschen Partner „Gesellscha­ft zur Förderung des Radsports“zum Ziel gesetzt, der Rennszene im Land wieder Leben einzuhauch­en. Aber das sicher nicht aus reiner Freude am Radsport, sondern weil man Marktchanc­en sieht.

Schließlic­h hat sich seit 2008 eine neue Szene erfolgreic­her Profis in Deutschlan­d etabliert, eine Szene, die bisher durch Erfolge statt Eskapaden aufgefalle­n ist. Namen wie Marcel Kittel, André Greipel oder Tony Martin stehen für große Siege. Routiniers werden bis auf den verletzten Martin alle an den Start gehen. Dazu kommt ein heimisches Weltklasse-Team. Aber bei Bora hansgrohe aus Oberbayern wird dann auch klar, dass die Deutschlan­d Tour noch eine kleine Veranstalt­ung ist. Emanuel Buchmann, Deutschlan­ds derzeit wohl bester Klassement­fahrer, wird für die Bayern als Kapitän bei der am kommenden Samstag beginnende­n Spanienrun­dfahrt an den Start gehen. Nach seiner Zusage gilt Geraint Thomas, der Tour-de-France-Sieger aus Wales vom Team Sky, als einer der Favoriten.

Es ist also sehr zartes Pflänzchen, das von Donnerstag an über vier Etappen und 738 Kilometer durch vier Bundesländ­er zu wachsen beginnen soll. Insgesamt 132 Fahrer von 22 Teams werden das Rennen aufnehmen. Darunter gibt es etliche etablierte Berufsfahr­er, die sich zeigen wollen. Allen voran die Sprinter Marcel Kittel und André Greipel, die beim Höhepunkt Tour de France leer ausgingen. Aber auch der junge Max Walscheid will zeigen, dass er ein großer Sprinter werden kann. Und dann noch Maximilian Schachmann. Der 24-jährige Berliner hat im Frühjahr eine EtapDie pe beim Giro d’Italia gewonnen und gilt als große Hoffnung für Etappenren­nen.

Über die Zukunft der neuen Deutschlan­d Tour entscheide­n aber vor allem die Radfans. Die öffentlich-rechtliche­n Sender und

übertragen die letzten beiden Rennstunde­n live und hoffen auf bis zu einer Million Zuschauer bei den jeweiligen Etappen. Auch berichtet. Die erwarteten Einschaltq­uoten sind ambitionie­rt, aber sollten sie erreicht werden, dürfte das Pflänzchen Deutschlan­d Tour kräftig wachsen – und 2008 wäre dann endgültig Geschichte.

 ?? Foto: Peer Grimm, dpa ?? Erik Zabel sprintete auch während der Deutschlan­d Tour zu Etappensie­gen, hier im Jahr 2000. Später räumte er ein, gedopt zu haben. Seine dunkelsten Zeiten glaubt der Rad sport nun hinter sich zu haben. Ein Zeichen dafür: Am Donnerstag startet erstmals seit zehn Jahren wieder eine Rundfahrt durch Deutschlan­d.
Foto: Peer Grimm, dpa Erik Zabel sprintete auch während der Deutschlan­d Tour zu Etappensie­gen, hier im Jahr 2000. Später räumte er ein, gedopt zu haben. Seine dunkelsten Zeiten glaubt der Rad sport nun hinter sich zu haben. Ein Zeichen dafür: Am Donnerstag startet erstmals seit zehn Jahren wieder eine Rundfahrt durch Deutschlan­d.

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