Friedberger Allgemeine

Vergnüglic­he Grobheiten

Bernhard Butz und Michaela Dietl präsentier­en Schnurren von Georg Queri und Revolution­seindrücke von Oskar Maria Graf

- VON GERLINDE KNOLLER

Zum runden Geburtstag darf man schon mal ein bisschen übertreibe­n. Als „weltweit einmalig“pries Veranstalt­er Kurt Idrizovic das Format „Literatur im Biergarten“, das in diesem Sommer zum 30. Mal stattfinde­t. Mit 250 Besuchern besetzt bis auf den letzten Platz war der Biergarten am Sonntagabe­nd. Dem Publikum begegneten alte Bekannte: der Münchner Schauspiel­er Bernhard Butz und die Musikerin und Sängerin Michaela Dietl. Mit Texten von Georg Queri (1879– 1919), Oskar Maria Graf (1894– 1967) und Ludwig Ganghofer (1855–1920) tauchten die beiden tief in die bayerische Seele (oder was man damals dafür hielt) ein.

Deftiges, Saftiges, wie es halt in einen Biergarten passt, wurde den Zuhörern serviert. Köstlich die Schnurre von Georg Queri, der von einem erzählt, der „einviertel­einhalb Pfund Schweiners“verdrückt und darauf zur Einsicht kommt: „’s Essen ist leicht, man soll halt den Magen ein bisschen um seine Meinung fragen, ob er’s auch behalten möcht.“Queri zeichnet das Grobe des Bayern, erzählt von Typen wie dem „Holzknecht Zunderer, der am Samstag seine Markstücke­l beim Wirt lässt, wo der „Bierteufel die Bank mit Pech eingestric­hen hat“, dass man dort pappen bleibt. Und wo’s heißt: „Duck dich, Seel, jetzt kommt ein Platzregen!“

Bernhard Butz liest nicht nur, er verkörpert geradezu die Figuren aus diesen Texten, die Queri so schillernd beschreibt. Und er zitiert auch mit Freuden aus Queris Wörterbuch „Kraftbayri­sch“, wo das Wort „arschlings“für „rückwärts“noch zu den harmlosest­en Ausdrücken gehört.

Mit vergnüglic­hen Grobheiten, passend zu den Texten, wartete auch Michaela Dietl mit ihren Gstanzln am Akkordeon auf. „Geh weg von meinem Fenster!“, pflaumt sie den Burschen beim Fensterln an. Sie kräht wie der Gockel „droben auf dem Mist, juhe!“, kläfft wie ein Hund, spielt mal einen fröhlichen Landler, und – was war das? – plötzlich schält sich das Motiv der „Internatio­nale“heraus.

Vor hundert Jahren, im Jahr 1918, war ja die rote Revolution in Bayern. „Ich dichtete und lief in der Revolution herum“, zitierte Bernhard Butz Oskar Maria Graf, der zu jener Zeit als Schriftste­ller noch kaum einen Fuß auf den Boden gebracht hatte. Aus Grafs „Bayerische­m Lesebücher­l“(1924) gab Butz eine Szene aus einer dörflichen Stammtisch­runde zum Besten. „Ja, ja, jetz’ ham mir a Revolution!“, lässt Graf die Stammtisch­brüder sinnieren, „und den König haben’s weiter g’schickt.“Im Gemeindeka­sten gibt’s dazu noch einen Aushang vom Bezirksamt. Aber hineinscha­uen tut im Dorf sowieso keiner.

Als dritten bayerische­n Schriftste­ller präsentier­te Bernhard Butz, von Michaela Dietl lautmaleri­sch begleitet, Ludwig Ganghofer. Rührend die Geschichte vom getreuen, altersschw­ach gewordenen Dackel „Herzmanski“, den sein Herr, der kurzatmige Jäger, auf Geheiß seiner Frau ins Jenseits befördern soll – was der aber nicht übers Herz bringt. Es kommt, wie’s kommen muss: Wenn der Hund nicht eines natürliche­n Todes gestorben ist, dann lebt er noch immer.

OTermin Der letzte Termin der diesjäh rigen Literatur im Biergarten (Drei Kö niginnen in Augsburg) ist am Sonntag, 26. August, um 19 Uhr der Machatsche­k – der Feiertage und Traditione­n besingt und von Franz Löchinger begleitet wird.

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Foto: Fred Schöllhorn „Arschlings“heißt so viel wie „rückwärts“, jedenfalls in Georg Queris Wörterbuch „Kraftbayri­sch“. Bernhard Butz und Michaela Dietl traten bei der Literatur im Biergarten auf.

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