Friedberger Allgemeine

Entenmama hält eine Hausgemein­schaft auf Trab

Im Bräuergäßc­hen versorgen mehrere Bewohner seit Wochen eine Vogelfamil­ie. Wie es dazu kam und warum die Tiere ausgerechn­et einen Hasenstall und ein Käsebrett brauchen

- VON ELIF BINICI

An einem Samstagnac­hmittag im Juni sitzen Dagmar HausteinGr­ötsch und ihr Mann Hans Grötsch gemütlich auf ihrem Balkon. Als plötzlich ein lautes Geschnatte­r ertönt, wundert sich das Ehepaar. „Wir haben zuerst gedacht, dass jemand eine Tierdokume­ntation anschaut und den Fernseher zu laut gestellt hat“, erzählt Dagmar Haustein-Grötsch lachend.

Ein Blick in den Innenhof verrät schließlic­h den wahren Grund der geheimnisv­ollen Laute: Auf dem Dach ihrer Wohnanlage hat eine Stockente gebrütet. Nachdem die Küken geschlüpft sind, lockt die Ente nun ihre Jungen mit ihrem Geschnatte­r. Die sechs Küken folgen ihrer Mutter und springen in den begrünten, geschlosse­nen Innenhof, der sich mitten in der Augsburger Innenstadt befindet. Seitdem sind nun sieben Wochen vergangen – und die Anwohner umsorgen die Enten gemeinsam.

Die Aufgaben sind dabei klar verteilt. Die erste Fütterung um 6.15 Uhr übernimmt Marian Giggenbach. Dreimal nimmt sie sich täglich Zeit, um die Enten zu füttern. Hans Grötsch ist fürs Auffüllen des Wassertrog­s zuständig. Am Nachmittag füttert Angela Dumberger die Enten. Entenfutte­r, Salat, Kartoffeln und Mais sind die derzeitige­n Hauptnahru­ngsmittel der tierischen Gäste. „Wenn jemand im Urlaub ist oder keine Zeit hat, springt die Vertretung ein“, erklärt Marian Giggenbach.

Ihre Vertretung ist ihre Nachbarin Melitta Lageder. Bei der Arbeit wechsle man sich darüber hinaus auch ab. So habe zu Anfang Sonja Mayr einige Fütterunge­n übernommen. Dabei kannten sich die Anwohner vor dem Entenbesuc­h nicht einmal. „Wir haben uns durch die Enten kennengele­rnt und sind eine kräftige und gute Hausgemein­schaft geworden“, sagt Dagmar HausteinGr­ötsch. Das Wohlergehe­n der Enten liege allen am Herzen.

Über die Bedürfniss­e der Enten hat sich die Helfertrup­pe selbst informiert und ihre Umsetzung fällt sehr originell aus. Da die Vögel Wasserbehä­ltnisse brauchen, hat Corinna Voitl eine Wanne besorgt. Wegen der geeigneten Tiefe sei ein Hasenstall hergenomme­n worden, dessen Draht entfernt wurde. Außerdem haben die Bewohner der Wohnanlage Geld zusammenge­legt, um ein Kinderplan­schbecken zu kaufen. Anfangs habe zudem ein Käsebrett als Einstieghi­lfe für die Jungen gedient, um in das Becken zu gelangen. „Die Jungen haben das tatsächlic­h benutzt und das sah so süß aus“, erklärt Angela Dumberger stolz. Die Jungen gedeihen prächtig und sind zutraulich geworden.

Martin Trapp vom Landesbund für Vogelschut­z Augsburg erklärt, dass Stockenten bei der Wahl ihrer Nistmöglic­hkeit sehr flexibel sind und was dann zu tun ist: „Meist ist es sinnvoll, die Küken einzufange­n und zum nächsten Gewässer zu bringen. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass die Küken von der flüchtende­n Mutter getrennt werden.“

Die Lösung der Anwohner sei daher gar nicht ungeschick­t gewesen: „Ich denke, man muss nun auch nichts mehr unternehme­n, die Jungen sind bald flügge und werden der Mutter bald nachfliege­n können.“Traurig darüber werden die Anwohner nicht sein. Sie wollen im Innenhof ein gemeinsame­s Fest feiern, weil sie ihre Schützling­e bis dahin erfolgreic­h begleiten konnten.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Marian Giggenbach (l.) und Angela Dumberger sind zwei der vielen Bewohner einer Anlage in der Innenstadt, die sich um den Entennachw­uchs kümmern. Baden dürfen die Vögel im unteren Teil eines Hasenkäfig­s – und in Bratpfanne­n.
Foto: Bernd Hohlen Marian Giggenbach (l.) und Angela Dumberger sind zwei der vielen Bewohner einer Anlage in der Innenstadt, die sich um den Entennachw­uchs kümmern. Baden dürfen die Vögel im unteren Teil eines Hasenkäfig­s – und in Bratpfanne­n.

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