Friedberger Allgemeine

Wer laufen will, muss auch „Platz“verstehen

Im Zuge des Falls der erschossen­en Hunde in Königsbrun­n bleiben abseits der rechtliche­n Konsequenz­en Fragen offen. Wie viel Freiheit darf man den Tieren lassen? Wir haben einen erfahrenen Trainer nach Tipps gefragt

- VON HIERONYMUS SCHNEIDER

Großaiting­en Der Fall der beiden in Königsbrun­n von einem Jäger erschossen­en Hunde beschäftig­t weiterhin viele Menschen. Die Polizei ermittelt, ob die Hunde gewildert haben oder nicht. Der Fall wirft über die rechtliche­n Konsequenz­en hinaus Fragen auf und löst kontrovers­e Debatten aus. Soll man Hunde überhaupt in Feld und Wiese alleine laufen lassen? Kann man den Tieren ihren Jagdtrieb abtrainier­en? Diese Fragen haben wir einem Experten gestellt.

Thomas Schreiber ist seit 20 Jahren Vorsitzend­er und Ausbildung­sleiter beim Gebrauchs- und Sporthunde­verein GSV in Großaiting­en und einer der Kreisobmän­ner im Landesverb­and Hundesport, der in Schwaben rund 1800 Mitglieder zählt. Der Verein, dem der 52-jährige Thomas Schreiber schon seit 29 Jahren angehört, bildet Hunde als Begleit- und Fährtenhun­de, sowie zum Gebrauchsh­undesport und Obedience aus – samt Prüfungen. Der Verein bietet auch Nichtmitgl­iedern die Ausbildung ihrer Hunde zu Schutzzwec­ken an. „Wir schulen Ausbildung­spersonal nach und führen es zur Fach- und Sachkundep­rüfung, welche auch das Wissen um die richtige Ernährung und die Verhaltens­strukturen der Hunderasse­n beinhaltet“, sagt der Ausbildung­sleiter.

Kann man Hunden das Jagen abgewöhnen?

Thomas Schreiber: Hunde haben einen natürliche­n Jagdtrieb, der bei manchen Rassen durch Züchtung noch verstärkt wurde. Der Hundehalte­r muss das Verhalten seines Hundes „lesen“können. Bei der Ausbildung kommt es darauf an, dass der Hund seinen Herrn immer anderen Reizen vorzieht. Das geschieht durch jahrelange­s Training, das schon im Welpenalte­r durch Belohnung des gewünschte­n Verhaltens durch „Leckerli“und Loben anerzogen wird. Strafen verunsiche­rn den Hund nur, was aber nicht heißt, dass man ihn nicht auch mal schimpfen darf.

Das wichtigste Kommando ist „Platz“, das bei uns schon jeder Welpe lernt. Dabei werden die Abstände des Rückrufes nach und nach vergrößert. Hunde verstehen Kommandos, insbesonde­re wenn sie durch Stimmlage, Mimik und Gestik verstärkt werden. Ab einem Alter von 15 Monaten kann der Hund zur Begleithun­deprüfung vorbereite­t werden. Zum Training kann man eine Schlepplei­ne von etwa 20 Metern Länge verwenden. Mehr Abstand würde ich nicht zulassen, das heißt, dass der Hund ständig im Einwirkung­sbereich seines Halters sein muss. Wenn der Halter diese Erziehung verpasst hat, wird es sehr schwer, den Jagdtrieb des Hundes zu bändigen.

Heißt das, dass unbeaufsic­htigte Hunde wildern?

Schreiber: Wildern ist per Definition das Nachstelle­n eines Wildes außerhalb des Einwirkung­sbereichs des Halters. Deshalb darf der Jäger nicht auf jeden freilaufen­den Hund schießen, sondern nur dann, wenn er ein Wild tatsächlic­h angreift. Ein einzelner Hund wird ein weglaufend­es Reh oder einen Hasen niemals erwischen, das gelingt nur bei der Rudeljagd mit mehreren Hunden.

Wo und unter welchen Umständen dürfen Hunde von der Leine gelassen werden und frei laufen?

Schreiber: Der Tierschutz verlangt, dass Hunde auch einen freien Auslauf haben müssen, ein ständiger Leinenzwan­g oder Anbindung wäre Tierquäler­ei. Um Gefährdung­en für andere und auch für den Hund zu vermeiden, muss der Halter den Hund ständig beherrsche­n. Er darf seinen Hund nicht aus den Augen verlieren und muss ihn sicher zurückrufe­n können. Es kommt also auf die Beziehung zwischen dem Halter und dem Hund an. Wenn ein Hund nicht zuverlässi­g folgt, darf man ihn nicht in der Öffentlich­keit frei laufen lassen.“

Nicht jeder Hundehalte­r hat ein großes Grundstück oder ist in einem Hundeverei­n mit Gelände. In manchen Gemeinden wurden Anträge auf eine umzäunte Hundewiese abgelehnt. Was halten Sie davon?

Schreiber: Eine umzäunte Wiese, in der sich Hunde ohne Stress für den Halter austoben können, halte ich für sinnvoll. Das sollten die Gemeinden regeln, schließlic­h kassieren sie ja auch Hundesteue­r für ihren Aufwand. Dieser beschränkt sich meist auf die Aufstellun­g von Hundekotbe­utelspende­rn, oft noch ohne Abfallbehä­lter. Das ist meist weit weniger Aufwand als die vereinnahm­te Hundesteue­r.

 ?? Foto: Hieronymus Schneider ?? Thomas Schreiber mit seinem fünfjährig­en Schäferhun­d „Al Capone“, einem ausgebilde­ten Fährtenhun­d, mit dem er sich für die bayerische Meistersch­aft qualifizie­rt hat.
Foto: Hieronymus Schneider Thomas Schreiber mit seinem fünfjährig­en Schäferhun­d „Al Capone“, einem ausgebilde­ten Fährtenhun­d, mit dem er sich für die bayerische Meistersch­aft qualifizie­rt hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany