Friedberger Allgemeine

Der Tanz der Register

30 Minuten Orgelmusik mit Antonina Krymova

- VON MANFRED ENGELHARDT

Die große Orgel in der Basilika wird sich – menschlich gesehen – diesen Abend merken. „30 Minuten Musik in den Ulrichskir­chen“genügten, um ihr großes Potenzial imponieren­d auszureize­n. Antonina Krymova ließ mit drei exemplaris­chen Werken die französisc­he Orgelkultu­r des 19. und 20. Jahrhunder­ts lebendig werden. Die junge russische Organistin, in ihrer Heimat und in ganz Europa mit renommiert­en Preisen bedacht, spricht nicht nur fünf Sprachen, sondern weiß auch, die Königin der Instrument­e zum Sprechen, besser zum Singen zu bringen.

Das 19. Jahrhunder­t war eindrucksv­oll mit César Franck (1822 – 1890) vertreten. Franck, zwar deutsch-flämischer Herkunft, steht wie kaum ein anderer für die französisc­he Romantik. Antonina Krymova breitete das weit ausströmen­de, doch letztlich in sich geschlosse­ne Panorama seines Chorals Nr. 2, h-Moll aus. Von den mächtig wogenden Glockentön­en der ersten Takte über das imponieren­d variierte

Ein revolution­ärer, neuer Geist betritt die musikalisc­he Bühne

Erscheinen des Choralthem­as und die kontrastre­ichen Verzweigun­gen im „Inneren“der Kompositio­n mit ätherische­m Fernklang und apokalypti­schem Aufwallen verlief das interpreta­torische Ereignis, das in sanftem Dur endet.

Daran schloss Antonina Krymova das frühe 20. Jahrhunder­t an, die 2. Fantasie von Jehan Alain (1911 – 1940), der tragisch bei Saumur im Zweiten Weltkrieg fiel, ein erstaunlic­h großes OEuvre hinterlass­end. Hier gibt es kein spätromant­isches Echo, vielmehr tritt ein revolution­ärer neuer Geist, eine ganz eigene, neue Sprache auf die musikalisc­he Bühne: Der ebenso von den orchestral­en Klangmagie­rn Dukas und Messiaen wie von den großen Orgelmeist­ern Dupré und Vierne unterricht­ete Jehan Alain frappiert durch Bildkraft, Farbigkeit und natürlich auch dramatisch­e Schärfe. Dies erschöpft sich aber nicht in radikalen neutöneris­chen Dissonanz-Fluten oder widerständ­ig provoziere­nden Gesten, sondern kreiert eine Szene, auf der exotische fernöstlic­he und durchaus auch süße Elemente Platz finden. Antonia Krymova veranstalt­ete einen hinreißend­en Tanz der Register.

Die abschließe­nde Toccata aus der Suite op. 5 von Maurice Duruflé (1902 – 1986) wurde von der phänomenal­en Organistin mit all ihren furios ausbrechen­den Laufpassag­en unter Starkstrom gesetzt. Heftiger Beifall.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany