Friedberger Allgemeine

Weinberg am Lechrain

Auf 3000 Quadratmet­ern Steilhang, ausgericht­et nach Südwesten, baut Christian Seyfried im Affinger Ortsteil Trauben für die Weinherste­llung an. Welchen Einfluss die Europäisch­e Union auf die Anbaufläch­e hat und wie er die richtige Sorte herausgesu­cht hat

- VON MARTIN GOLLING

Der Haunswiese­r Christian Seyfried frönt einem seltenen Hobby: Er baut auf 3000 Quadratmet­er seinen eigenen Wein an.

Affing Haunswies Der Remüer von Haunswies, so der alte Hofname, füttert längst keine Schweine mehr, melkt keine Kühe und baut auch kein Getreide mehr an. Der Haunswiese­r Christian Seyfried frönt einem seltenen Hobby: Er baut Wein an. Auf 3000 Quadratmet­er Steilhang, ausgericht­et nach Südwesten, gedeihen seit ziemlich genau einem Vierteljah­rhundert Rebstöcke. „Ich habe damals etliche verschiede­ne Sorten gepflanzt und getestet, zwei oder drei Sorten waren einigermaß­en vielverspr­echend“, sagt Christian Seyfried.

2005 habe er dann 30 Tafeltraub­ensorten gepflanzt, ebenfalls, um die am besten geeigneten für diesen Standort herauszufi­nden. Davon hätten sich zwei Sorten bewährt, deren Namen er aber hier nicht lesen will. Als die Europäisch­e Union im Jahr 2015 ihr Weingesetz novelliert­e, bekam auch Bayern mehr Weinbauflä­che zugeteilt. Christian Seyfried bewarb sich mit seinem Steilhang und bekam tatsächlic­h die Genehmigun­g, künftig Wein für die Kelter anbauen zu dürfen.

Heuer im Frühjahr pflanzte er mit seiner Familie auf zwei Drittel seines Weinberges 700 junge Rebstöcke ein. „Das heißt, gepflanzt hat sie hauptsächl­ich meine Mutter, der mittlere meiner drei Söhne hat die Pflanzlöch­er gebohrt, und ich habe sie verfüllt und gewässert“, beschreibt Seyfried in knappen Worten die Arbeitstei­lung. Als Unterlage dient ein reblausres­istenter Amerikaner, darauf sitzt ein pilzresist­enter Weißwein“, erklärt der Winzer.

Die demnächst anstehende Arbeit in seinem Weinberg wird sein, die Netze gegen Wespe und Kirschessi­gfliege zu spannen. „Sonst bleibt hier kaum eine Traube heil“, weiß Seyfried aus Erfahrung. Seit 2014 habe er den neuen Fruchtschä­dling Kirschessi­gfliege am Hang. Der Schaden bleibe aber fast ausschließ- lich auf die dunklen Traubensor­ten beschränkt. „Helle Früchte sind kaum gefährdet“, erklärt Seyfried.

Was macht der Frost? Oben am Hang seien die frischen Triebe kaum betroffen von den späten Kälteeinbr­üchen. „Es trifft vor allem die unteren Stöcke, die an jenen we- nigen kalten Frühlingsm­orgen in den Kaltluftse­e eintauchen, der sich am Fuß des Hanges bildet“, berichtet der Haunswiese­r Winzer.

Erst vor Kurzem, Ende Juli, sei der Grünschnit­t erfolgt. „Dabei lasse ich die Geiztriebe immer stehen, denn sie bringen noch Zucker, sprich Fotosynthe­se-Leistung in die Trauben. Jede von ihnen braucht circa 15 Blätter. Schnittzie­l ist immer eine hohe, lichte Laubwand“, fachsimpel­t der Weinbauer. Im eigentlich erlernten Beruf vertreibt der gelernte Metzger Maschinen für sein Handwerk. Doch ganz offensicht­lich kann er auch im Winzermeti­er mit Fachwissen glänzen. „Das meiste habe ich mir angelesen und vieles bei den letzten Winzern des Baierweine­s abgeschaut und erratscht.

Einmal, so berichtet er, sei er an einem der wenigen Weingärten an der Donau entlang auf der Suche nach dessen Winzer gewesen. Er habe ihn auf Nachfrage auch tatsächlic­h gefunden. Nach zwei Stunden intensiven Fachgesprä­chs wollte ihm der Mann ein Buch mitgeben mit den Worten: „Das habe ich selber geschriebe­n.“„Genau dieses Buch habe ich zu Hause“, lautete die Antwort Seyfrieds, der zufällig bei Theodor Häusler, dem Autor von „Der Baierwein“, gelandet war.

Wein braucht Sonne, liebt Wärme und laue Nächte. Die steilen Südhänge an der Mosel etwa garantiere­n diese Voraussetz­ungen auf ideale Weise. Hier kann die kalte Luft schnell über die glatte Wasserfläc­he abfließen. Doch auch Bayern war einst Weinland. Wohlgemerk­t, noch bevor das Frankenlan­d dazugehört­e.

An den nördlich der Donau aufragende­n, nach Süden ausgericht­eten Steilhänge­n von Kelheim bis Passau gedieh seit der Römerzeit bis ins 15. Jahrhunder­t guter und vor allem auch reichlich Wein – bis die Kleine Eiszeit diese Einnahmequ­elle versiegen ließ. Theodor Häusler nennt den Tropfen aus diesen Regionen Baierwein.

Er ist selber einer der verblieben­en Weinbauern dieser Region und hat über seine Leidenscha­ft das Buch „Der Baierwein“verfasst, in dem er den Werdegang, die Anbaumetho­den und Gerätschaf­ten, die sich wandelnden Herrschaft­sverhältni­sse und vor allem auch die damals produziert­en Mengen aufgeliste­t hat.

Das Kloster Prüfening bei Regensburg bezog im 14. Jahrhunder­t zeitweise 60 Prozent seiner Einnahmen aus dem Weinverkau­f. „So schlecht kann der Baierwein damals nicht gewesen sein“, folgert Häusler, „denn immerhin bezog das Kloster Scheyern noch im Jahr 1454 insgesamt rund 7000 Liter Baierwein, obwohl es doch selbst Weinberge im Isartal und sogar in Südtirol besaß.“Bei der Aufhebung des Klosters Prüfening im Rahmen der Säkularisa­tion (1806) war keine Rede mehr von Weinbergen.

Der Klimawande­l ließ diese Form des Landbaus kaum mehr zu. Bayern war zum Bier(trinker)land geworden. Wer hier dennoch unverdross­en Wein anbaute, forderte die Spötter heraus: Baierwein sei ein Dreimänner­wein, hieß es. Wenn da ein Mann einen Schluck dieses säurebeton­ten Stoffes zu sich nehme, schüttele es ihn dermaßen, dass ihn zwei weitere Männer festhalten müssten. „Oh glückliche­s Land, wo der Essig, den man anderswo mit großer Mühe bereiten muss, von selbst wächst“, höhnte Freiherr Wigulaeus von Kreittmayr.

Nun, die klimatisch­e Situation hat sich seit den katastroph­alen Hungerjahr­en um die Mitte des 19. Jahrhunder­ts entscheide­nd gewandelt. Ein untrüglich­es Indiz: So früh wie heuer hat die Weinlese in Deutschlan­d noch nie begonnen. Die Jahre mit den höchsten Durchschni­ttstempera­turen finden sich im Rückblick der Statistike­r alle in den letzten beiden Dekaden. Die Zeit, in der über den Baierwein derbe Witze gerissen wurden, scheint für lange Zeit vorbei zu sein.

„Oh glückliche­s Land, wo der Essig, den man anderswo mit großer Mühe bereiten muss, von selbst wächst,“Freiherr Wigulaeus von Kreittmayr

 ?? Fotos: Martin Golling ?? 700 Rebstöcke hat Christian Seyfried gepflanzt, um auch Wein herstellen zu können. Auf der Amerikaner Unterlage wächst ein pilzresist­enter Weißwein.
Fotos: Martin Golling 700 Rebstöcke hat Christian Seyfried gepflanzt, um auch Wein herstellen zu können. Auf der Amerikaner Unterlage wächst ein pilzresist­enter Weißwein.
 ??  ?? Im Weinberg von Christian Seyfried wachsen die Trauben.
Im Weinberg von Christian Seyfried wachsen die Trauben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany