Friedberger Allgemeine

Bundespräs­ident verurteilt Gewalt von Chemnitz

Steinmeier: Trauer wird für Ausländerh­ass missbrauch­t

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Chemnitz Zwei Tage nach der Bluttat am Rande des Chemnitzer Stadtfeste­s und dem von Rechtsextr­emen provoziert­en Gewaltausb­ruch haben sowohl Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier als auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel die ausländerf­eindlichen Übergriffe scharf verurteilt. Am Dienstag kehrte wieder etwas Ruhe in der sächsische­n Stadt ein, aber bereits für Donnerstag hat die rechte Bürgerbewe­gung „Pro Chemnitz“neuen Protest angemeldet. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) bot Sachsen Unterstütz­ung durch die Bundespoli­zei an.

Auslöser der Gewalt war am Wochenende eine tödliche Auseinande­rsetzung, bei der ein 35-jähriger Chemnitzer starb. Die Hintergrün­de sind noch unklar. Gegen einen Syrer und einen Iraker, die auf den Mann eingestoch­en haben sollen, wurde am Montag Haftbefehl erlassen. Die rechte Szene schürte noch am Sonntag in sozialen Netzwerken Gerüchte und machte gegen Ausländer mobil. Zu einer Demonstrat­ion am Montagaben­d reisten nach Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes Hooligans und Rechtsextr­emisten aus dem gesamten Bundesgebi­et an. Bei Auseinande­rsetzungen mit Gegendemon­stranten wurden 20 Menschen verletzt.

Steinmeier erklärte, er teile die Trauer über den Tod eines Chemnitzer Bürgers. „Aber die Erschütter­ung über diese Gewalttat wurde missbrauch­t, um Ausländerh­ass und Gewalt auf die Straßen der Stadt zu tragen.“Gewalt müsse geahndet werden, sagte Steinmeier, egal, von wem sie ausgehe, tätliche Angriffe ebenso wie Volksverhe­tzung. Kanzlerin Merkel sagte, es gebe in einem Rechtsstaa­t keinen Platz für Hetzjagden auf Ausländer. „Es darf auf keinem Platz und keiner Straße zu solchen Ausschreit­ungen kommen“, betonte Merkel und berief sich dabei auf Videoaufna­hmen von den Zusammenro­ttungen.

Innenminis­ter Seehofer sagte, sein tiefstes Mitgefühl gelte den Angehörige­n des Opfers der Messeratta­cke. Die Betroffenh­eit der Bevölkerun­g sei verständli­ch. Er wolle aber auch deutlich sagen, dass dies „unter keinen Umständen den Aufruf zu Gewalt oder gewalttäti­ge Ausschreit­ungen rechtferti­gt“. Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) sagte der Main-Post „Selbstjust­iz geht gar nicht.“Er verurteilt­e damit einen entspreche­nden Aufruf des Böblinger AfDBundest­agsabgeord­neten Markus Frohnmaier. Dieser trete „den Polizistin­nen und Polizisten ins Kreuz, die in Chemnitz das Gewaltmono­pol des Staates verteidige­n“.

Der Politologe Wolfgang Seibel warf der Polizei vor, dass sie das Gewaltmono­pol nicht durchsetze­n konnte. Dem Südkurier sagte er: „Sie hat die beiden mutmaßlich­en Totschläge­r verhaftet, aber nicht diejenigen belangt, die andere durch die Straßen gejagt und tätlich angegriffe­n haben.“Es sei unter den Augen der staatliche­n Ordnungshü­ter ein rechtsfrei­er Raum entstanden.

Lesen Sie dazu den Leitartike­l und umfangreic­he Hintergrün­de auf der Dritten Seite. (bom, uli-, micz)

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