Friedberger Allgemeine

Einer, der sich in London durchboxt

Seit Anfang Juli ist Dominic Raab in Großbritan­nien der Minister für den Brexit. Der liberal-konservati­ve EU-Skeptiker wird schon für höhere Aufgaben gehandelt

- Katrin Pribyl

Dominic Raab darf als Gewohnheit­smensch bezeichnet werden. Er vermeidet es, Risiken einzugehen, zumindest wenn es sich um gastronomi­sche Vorlieben handelt. Sogar ein Menü einer Sandwich-Kette ist inoffiziel­l nach ihm benannt. Wer in der Filiale in Westminste­r das Dominic-RaabGerich­t ordert, bekommt ein Baguette, belegt mit Hühnchen, Caesar-Salat und Speck, dazu gibt es einen Obstsalat und einen Wassermelo­nen-Smoothie. Vor einigen Monaten steckte eine Mitarbeite­rin seines Büros der Presse, dass der 44-Jährige täglich mittags dasselbe bestelle. Sie empfand die einseitige Ernährungs­weise des seinerzeit­igen Staatssekr­etärs für Wohnungsba­u als „seltsam“.

Mittlerwei­le ist Dominic Raab Brexit-Minister. Premiermin­isterin Theresa May setzte ihn vor knapp zwei Monaten auf den Posten, nachdem sein Vorgänger David Davis aus Protest gegen die Brexit-Linie der Regierungs­chefin zurückgetr­eten war. Seitdem bereitet der erklärte EU-Skeptiker die Bevölkerun­g vor allem mit Notfallplä­nen auf den Fall einer Scheidung ohne Abkommen vor. Denn mit dem Aufstieg von Raab kam zugleich die Abwertung seines Amts. May riss die Verhandlun­gen an sich. Raab dagegen muss den Regierungs­kurs vor allem verteidige­n und auf der Insel für ihn werben – auch im Parlament, wo es gärt und brodelt.

Der liberale Konservati­ve Raab, der als Hoffnungst­räger bei den Tories gilt, wurde in der südenglisc­hen Grafschaft Buckingham­shire als Sohn einer anglikanis­chen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren, der 1938 als Kind aus dem heutigen Tschechien vor den Nazis nach Großbritan­nien geflohen war. Nach einem Jurastudiu­m an den Elite-Universitä­ten Oxford und Cambridge begann er eine Karriere als Rechtsanwa­lt, bevor er im Jahr 2000 in den diplomatis­chen Dienst eintrat. Er arbeitete einige Zeit in Den Haag, wo er die Verfolgung von Kriegsverb­rechern unterstütz­te, sowie im Außenminis­terium in London. 2006 folgte dann der Wechsel in die Politik. Der begeistert­e Kampfsport­ler – er boxt gerne und trägt den schwarzen Gürtel im Karate – diente zunächst im EU-Referat. Sein damaliger Mentor hieß ausgerechn­et David Davis. Vier Jahre später schaffte er den Sprung ins Unterhaus. Er sei „höchst kompetent, über alle Themen hinweg… und ein Pragmatike­r“, lobte eine Kabinettsk­ollegin.

Dass sich der verheirate­te Vater von zwei Söhnen für den Austritt aus der EU starkgemac­ht hat, begründete er mit dem Recht auf Selbstbest­immung und einem „kaputten“Einwanderu­ngssystem. Man könne ein stolzer Europäer sein, sagte er, „aber nicht Mitglied des politische­n Klubs sein wollen“. Dass Raab sowohl bei EU-Skeptikern als auch Europafreu­nden in der Partei beliebt ist, dürfte derzeit einer seiner größten Pluspunkte sein. Seine Chancen als möglicher künftiger Premiermin­ister dürften von seinem Erfolg als Brexit-Minister abhängen. Foto: dpa

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