Friedberger Allgemeine

Ein neues Palais für Erdogan

Während sich das Land in einer tiefen ökonomisch­en Krise befindet, verkündet der Präsident den Bau einer weiteren Präsidialr­esidenz in Anatolien. Die Opposition ist fassungslo­s

- VON SUSANNE GÜSTEN Star.

Istanbul Die türkische Währung ist im Sturzflug, die Investoren verlassen das Land, die Normalbürg­er müssen den Gürtel enger schnallen – aber der Mann an der Spitze des Staates will sich einen weiteren Palast bauen lassen. In der ostanatoli­schen Provinz Bitlis werde eine neue Präsidialr­esidenz errichtet, verkündete Staatspräs­ident Recep Tayyp Erdogan am Wochenende. Der Palast in Bitlis wird die vierte amtliche Adresse des Präsidente­n neben seinem Tausend-Zimmer-Palast in Ankara, einem Amtssitz in Istanbul und einer geplanten Sommerresi­denz am Mittelmeer sein. Der Präsident wolle das Volk wohl veräppeln, schimpft die Opposition in Ankara.

Das neue Palais in Ahlat am ostanatoli­schen Van-See, das in der Größe eines Jagdschlos­ses geplant wird, soll eine Wohnfläche von genau 1071 Quadratmet­ern haben, denn Erdogan will den Bau als Denkmal für ein denkwürdig­es Ereignis der türkischen Geschichte verstanden wissen: In einer Schlacht in Malazgirt, rund 50 Kilometer nördlich von Ahlat, besiegten die seldschuki­schen Türken im Jahr 1071 ein Heer der Byzantiner. Sie begannen damit die Eroberung Anatoliens, die knapp vierhunder­t Jahre später mit der Einnahme von Konstantin­opel, dem heutigen Istanbul, abgeschlos­sen wurde.

Weil der Chef der siegreiche­n Seldschuke­n, Sultan Alp Arslan, während der Schlacht sein Zelt in Ahlat aufschlug, soll der neue Präsidente­npalast dort entstehen. Erdogan verkündete den Plan für den Neubau jetzt bei einer Gedenkvera­nstaltung am Jahrestag der Schlacht von Malazgirt.

Dass die türkische Nation einen weiteren Präsidente­npalast brauchen soll, leuchtet der Opposition nicht ein. In einer Zeit, in der viele Türken nicht einmal das Geld hätten, ihre vier Wände zu verputzen, komme Erdogan schon wieder mit einem neuen Palast daher, kritisiert­e Veli Agbaba, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Opposition­spartei CHP: Der Präsident mache sich wohl über das Volk lustig.

Was für seine Gegner nach Prunksucht aussieht, ist für Erdogan ein angemessen­er Ausdruck des Selbstvers­tändnisses der Türkei als stolze Nation. Der 64-jährige Staatschef sieht sein Land als Regionalma­cht, die ihr Licht viel zu lange unter den Scheffel gestellt hat. Bei Neubauten wird deshalb geklotzt. Erdogans riesiger Palast in Ankara, der vor vier Jahren gebaut wurde, kostete rund eine halbe Milliarde Euro – nach Berechnung­en von Regierungs­kritikern hätte die Regierung für dieselbe Summe fast 700 Schulen errichten können. Seit Fertigstel­lung der Hauptgebäu­de hat Erdogan dem Komplex in Ankara eine Moschee und einen weiteren Bau mit einem Konferenzs­aal für 2500 Personen hinzugefüg­t. Eine ebenfalls auf dem Gelände gebaute Bibliothek soll noch 2018 öffnen.

Nicht nur mit Palästen will Erdogan repräsenti­eren. Beim Empfang für Staatsgäst­e in Ankara treten Soldaten in Uniformen aus verschiede­nen Perioden der türkischen Geschichte an. Erdogan fliegt mit einer Präsidente­nmaschine des Typs Airbus 330 um die Welt und bewegt sich am Boden in einem Konvoi von dutzenden Luxus-Fahrzeugen.

Bei der Machtdemon­stration per Amtssitz nutzt der Präsident zum Teil bereits bestehende repräsenta­tive Bauten. Bei Besuchen in Istanbul wohnt Erdogan meistens im sogenannte­n Huber Köskü. In der stattliche­n Villa mit ihrem 34 Hektar großen Park am Bosporus lebten einst die deutschen Vertreter des Rüstungsko­nzerns Krupp und Mauser im Osmanenrei­ch. Seit den 1980er Jahren dient sie als Istanbuler Residenz des türkischen Staatspräs­identen.

Während das Huber-Palais in der Ära Erdogan lediglich renoviert wurde, ließ der Präsident für die Sommerresi­denz in Marmaris am Mittelmeer die Bagger kommen. Das vergleichs­weise bescheiden­e Anwesen seines Vorgängers Turgut Özal an einer abgelegene­n Meeresbuch­t wurde abgerissen, um Platz für einen neuen Palast zu schaffen, der laut Medienberi­chten 300 Zimmer haben soll. Rund 50000 Bäume seien Erdogans künftigem SommerDomi­zil zum Opfer gefallen, weil eine 17 Kilometer lange Zufahrtsst­raße angelegt werde, beklagt die Opposition­spresse. Für die Umund Neubauten wird viel Geld ausgegeben, obwohl Ankara derzeit eigentlich das Geld zusammenha­lten muss. Erdogans eigener Schwiegers­ohn, Finanzmini­ster Berat Albayrak, strebt Minderausg­aben der öffentlich­en Hand an, mit denen noch in diesem Jahr mehrere Milliarden Euro eingespart werden sollen.

Zumindest nach außen erweckt Erdogan nicht den Eindruck, als wolle er bei den Ausgaben des Präsidiala­mts kürzertret­en. Bisher gibt es allerdings auch keine Anzeichen dafür, dass die Vorliebe des Staatschef­s für prächtige und teure Residenzen seiner Beliebthei­t bei seinen Stammwähle­rn schaden könnte. Als Erdogan den Plan zum Bau des neuen Palastes in Ahlat bekannt gab, jubelten ihm seine Zuhörer zu. „Eine Freudenbot­schaft“sei die Kunde vom neuen Palast gewesen, begeistert­e sich auch die regierungs­treue Zeitung

Was im Wege steht, wird abgerissen oder gefällt

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Foto: Ozer, dpa Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in seiner Residenz in der Hauptstadt Ankara. Der Palast soll eine halbe Milliarde Euro gekostet haben.

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