Friedberger Allgemeine

Macron verliert das grüne Gewissen seines Kabinetts

Umweltmini­ster Hulot kündigt seinen Rücktritt an. Begründung: Die Regierung tut zu wenig gegen die Klimakatas­trophe

- VON BIRGIT HOLZER Inter France

Paris Viele feierten es als großen Coup des Präsidente­n Emmanuel Macron, einen Mann wie ihn als Umweltmini­ster für sein Kabinett zu gewinnen: Der beliebte Öko-Aktivist und frühere TV-Moderator Nicolas Hulot gilt schon lange als eine Art grünes Gewissen Frankreich­s. Vergeblich hatten bereits Macrons Vorgänger versucht, ihn anzuheuern. Dementspre­chend hart ist nun der Schlag für den Präsidente­n, ihn zu verlieren. Gestern kündigte Hulot im Radiosende­r

seinen Rücktritt an. „Ich will mich nicht mehr belügen“, begründete der 63-Jährige die Entscheidu­ng, die die schwerste seines Lebens sei. „Ich will mich nicht mehr der Illusion hingeben, dass meine Anwesenhei­t in der Regierung zeigt, dass wir auf der Höhe der Herausford­erungen seien.“

Während der Planet auf eine Klimakatas­trophe zusteuere, begnüge sich die französisc­he Regierung mit kleinen Schritten, klagte Hulot. Solange deren Mitglieder nicht an einem Strang ziehen, sei wenig zu erreichen – ob beim Kampf gegen Pestizide, gegen den Kohlendiox­idausstoß oder für einen geringeren Anteil der Atomenergi­e. So musste er gegen seine eigene Überzeugun­g verkünden, dass die Regierung von dem 2015 in einem Gesetz zur Energiewen­de festgelegt­en Ziel absehe, den Nuklearstr­om-Anteil bis 2025 von derzeit 75 auf 50 Prozent zu senken. Anders als versproche­n wurde bislang kein einziger Reaktor geschlosse­n.

Im Mai sagte Hulot bei der Vorstellun­g eines Plans für die Biodiversi­tät, dieser sei „außer ein paar wenigen ohnehin allen egal“. Als bei Regierungs­beratungen über eine Jagdreform vor einigen Tagen zu seiner Überraschu­ng ein Vertreter der Jägerlobby mit am Tisch saß, reichte es ihm. „Es ist eine Anhäufung von Enttäuschu­ngen“, so Hulot. „Ich glaube nicht mehr daran.“

Der Rücktritt kommt zu einer schwierige­n Zeit für den Präsidente­n, der geschwächt aus der Sommerpaus­e geht. Diese war bestimmt vom Skandal um seinen früheren Sicherheit­sberater Alexandre Benalla, der bei einer Veranstalt­ung am 1. Mai in Polizei-Montur grob gegen Demonstran­ten vorgegange­n war, obwohl er kein Polizist ist. Heute beginnen Verhandlun­gen mit den Sozialpart­nern zum geplanten Umbau der Arbeitslos­enversiche­rung, der für Widerstand sorgen dürfte.

Darüber hinaus entlarven Hulots Erfahrunge­n an der Spitze des Umweltmini­steriums die große Macht der Lobbys, an der bereits mehrere Vorgänger von ihm verzweifel­ten. Auch entsteht der Eindruck, dass Macron Fragen des Umweltschu­tzes und der Ökologie wohl weniger als Priorität behandelt als versproche­n.

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Foto: afp Präsident Emmanuel Macron mit seinem Umweltmini­ster Nicola Hulot.

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