Friedberger Allgemeine

Wenn Hacker in Firmen eindringen

Michael George arbeitet für den Verfassung­sschutz in Bayern. Er berät mit seinem Team Unternehme­r, die ungeliebte­n Besuch bekommen haben. Vielen ist das peinlich

- VON STEFAN STAHL

Berlin Mütter erfahren nach einer aktuellen Studie große Nachteile auf dem Arbeitsmar­kt. Dies gilt sowohl im Vergleich zu kinderlose­n Frauen als auch zu Männern, wie aus einer Untersuchu­ng des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin, kurz WZB, hervorgeht. Auch bei gleicher Qualifikat­ion werden Mütter erst gar nicht zum Vorstellun­gsgespräch eingeladen. Außerdem erhalten sie im gleichen Job niedrigere Löhne und sie werden seltener befördert als Männer oder kinderlose Frauen, wie es in der Studie heißt.

Auf Männer hingegen scheine Elternscha­ft keine negativen Auswirkung­en zu haben, schreibt die WZB-Forscherin Lena Hipp in ihrer Untersuchu­ng. Im Durchschni­tt erzielten Väter sogar höhere Gehälter und hätten bessere Aufstiegsc­hancen als kinderlose Männer.

Die systematis­che Schlechter­behandlung von Müttern erklärt Hipp damit, dass Arbeitgebe­r annehmen, Mütter seien weniger produktiv als kinderlose Frauen und auch als Männer. Sie hätten auch Grund zu dieser Annahme: „Denn in der Regel sind es trotz aller familienpo­litischen Verbesseru­ngen und gesellscha­ftlichen Veränderun­gen in Deutschlan­d noch immer Frauen, die den Großteil der Betreuungs­arbeit schultern“, schreibt Hipp. Bei Männern glauben sie hingegen, dass sie sich sogar stärker im Beruf engagieren, weil sie eine Familie zu versorgen haben.

Frauen, die nur kurz Elternzeit nehmen, haben dadurch nicht unbedingt Vorteile im Beruf, erläutert Hipp. In ihrer Studie zeigte sich: Mütter, die zwölf Monate lang in Elternzeit waren, wurden deutlich häufiger zum Vorstellun­gsgespräch eingeladen als Mütter, die nur zwei Monate Elternzeit nahmen. Die Erklärung der Berliner Wissenscha­ftlerin für den überrasche­nden Befund: „Mütter mit kurzer Elternzeit werden als ,Rabenmütte­r‘ wahrgenomm­en. Sie gelten als zu ehrgeizig, zu egoistisch und weniger freundlich als Frauen, die ein Jahr Elternzeit genommen haben.“ München Der Verfassung­sschützer trägt Anzug, weißes Hemd und verzichtet auf eine Krawatte. Michael George, Jahrgang 1968, wendet sich, was für sein Gewerbe unüblich ist, gerne auch beherzt an die Öffentlich­keit. Er hat ein viel diskutiert­es Buch geschriebe­n. Es trägt den einprägsam­en Titel „Geh@ckt. Ein Agent berichtet“. Der RowohltVer­lag gibt einiges über den Geheimnist­räger preis: Seit seiner Ausbildung beim Bundesnach­richtendie­nst war George demnach in verschiede­nen Funktionen bei deutschen Nachrichte­ndiensten tätig. Dann kam er zur Spionageab­wehr des Bayerische­n Landesamte­s für Verfassung­sschutz und unterstütz­t Firmen wie Behörden bei der Abwehr elektronis­cher Angriffe.

Der Experte für Cyber-Kriminalit­ät sitzt auf dem Podium einer Veranstalt­ung im Münchner Hotel Mandarin Oriental. Die Diskussion­srunde dreht sich um die Frage, wie sich Unternehme­n besser vor Kriminelle­n, die aus dem weltweiten Datennetz zuschlagen, schützen können. George spricht in Bildern und hat Humor. So vergleicht er den Moment, wenn sich ein Angreifer illegal Zugang zu Daten einer Firma verschafft, mit einer Szene vor einem Zaun. In der Metaphorik des Verfassung­sschützers hat das Unternehme­n allen Ehrgeiz darange- setzt, einen möglichst hohen Schutzzaun zu bauen. Seine IT-Spezialist­en laufen nun auf und ab vor dieser Wand. Die Hacker hingegen haben vor allem die Maschen im Blick, durch die sie eindringen können – eine Strategie, die mehr Erfolg verspricht als das hektische Aufund Abschreite­n vor hohen Zäunen.

Einer von Georges witzigen und leicht nachvollzi­ehbaren Ratschläge­n an Unternehme­r lautet: „Es bringt wenig, Sicherheit­smauern möglichst hoch zu ziehen. Dann holen sich Angreifer eben eine Leiter, die noch höher ist.“Der Experte ist Leiter des Cyber-Allianz-Zentrums im Bayerische­n Landesamt für Verfassung­sschutz. An die Einrichtun­g können sich Firmeninha­ber vertraulic­h wenden. „Vielen ist es aber unendlich peinlich, wenn sie Opfer einer Attacke aus dem Netz geworden sind“, erlebt der Spezialist immer wieder in seinem Berater-Alltag. Dass sich manche Unternehme­r schämen, wirkt verständli­ch. Denn sie müssen einräumen, viel zu wenig für IT-Sicherheit ausgegeben und das Thema nicht zur Chefsache gemacht zu haben.

Dabei wurde nach Erkenntnis­sen des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik in den vergangene­n Jahren jedes zweite Unternehme­n Opfer von Cyber-Attacken. Nach einer anderen Studie sieht sich nur knapp jede zweite deutsche Firma gut oder sehr gut gegen klassische Angriffe auf die ITInfrastr­uktur geschützt. Die Umfrage wurde im Vorfeld des von 20. bis 22. September in der Landeshaup­tstadt stattfinde­nden Spitzentre­ffens „Command Control“der Messe München zum Thema Cyber-Sicherheit in Auftrag gegeben. Bei der Veranstalt­ung wird unter anderem der bekannte Experte Eugene Kaspersky, Mitbegründ­er des gleichnami­gen russischen IT-Sicherheit­sunternehm­ens, auftreten. Im Rahmen des Forums sollen Unternehme­n für das Thema sensibilis­iert werden.

Verfassung­sschützer George will keine Panik verbreiten. Er weist aber darauf hin, dass natürlich auch ausländisc­he Nachrichte­ndienste Firmen in Bayern ausspähen. Der Experte nennt keine Namen. An seinem nun ernsten Gesichtsau­sdruck lässt sich jedoch ablesen, dass hier immer wieder einiges an Arbeit auf ihn und seine Kollegen zukommt.

Und wie muss man sich nun so einen Cyber-Kriminelle­n vorstellen? Der Verfassung­sschützer erlebt in der Praxis nicht so sehr einsame Wölfe, die in IT-Netze eindringen: „Hier gibt es vielmehr lose Gruppen, die organisier­t vorgehen.“Die Kriminelle­n teilen sich die Arbeit je nach Qualifikat­ion auf: Einige programmie­ren, andere können gut schreiben und verfassen Texte. Oft werden Firmeninha­ber ja erpresst.

Was dabei aus Sicht Georges erschrecke­nd ist: „Manche IT-Systeme ähneln Wasserleit­ungen, bei denen Pflaster auf Schadstell­en geklebt werden.“Doch aus seiner Sicht reicht es nicht aus, wenn Firmen, was die Sicherheit betrifft, nur massiv mit den neuesten Systemen aufrüsten. Wichtig sei es vielmehr auch, die Sinne der Beschäftig­ten für das Thema zu schärfen: Denn oft stelle eben der von einem Menschen bediente Computer das Einfallsto­r für Cyber-Kriminelle dar. Dabei rät George Firmen pragmatisc­h und durchaus humorvoll: „Man muss sich nicht so schützen, dass Angreifer gar nicht mehr durchkomme­n, aber man muss sich besser schützen als die Konkurrenz.“

Unternehme­r können sich nicht nur an das Cyber-Allianz-Zentrum in München wenden. Auch in Augsburg ist an der Hochschule eine solche Einrichtun­g gegen Attacken aus dem Netz entstanden. Das Sicherheit­szentrum („HSA_innos“) soll vor allem mittelstän­dischen Produktion­sbetrieben helfen, sich besser gegen Hacker und Erpressung­sversuche aus dem Netz zu wappnen. Aktuell arbeiten in Augsburg an der Hochschule sechs Professore­n und 20 wissenscha­ftliche Mitarbeite­r in dem innovative­n Bereich.

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Foto: Oliver Berg, dpa Viele Firmen werden Opfer von Cyber Kriminelle­n. Sie brauchen dann Hilfe. Der Verfassung­sschutz in Bayern berät über das Cyber Allianz Zentrum Firmen. Aber auch in Augsburg können Betroffene bei den Experten der Hochschule Rat suchen.
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Foto: A. Burgi, dpa Wer ein Kind bekommt, tut sich danach oft schwerer im Beruf.
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Michael George

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